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GegenStandpunkt 4-16


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wie ein Haufen potenzieller Hindernisse für mehr Erfolg erscheint.

      Die Bewohner von Merkels Land mögen beim TTIP vor allem an die Freiheiten denken, die den USA und ihren Kapitalisten eingeräumt werden; sie mögen sich in Vorstellungen darüber ergehen, was ihnen demnächst alles auf dem Teller landet, und bei ihrer politischen Führung auf Schutz der europäischen ‚Standards‘ beharren, deren Güte in dem Maße zu wachsen scheint, wie sie abgebaut zu werden drohen. Die politische Führung selbst schaut jedenfalls weit über die Tellerränder ihrer Schützlinge hinaus: Das Abkommen trägt zwar das Wort ‚transatlantisch‘ im Titel, aber Deutschlands Verantwortungsträger nehmen dabei längst den ganzen Weltmarkt ins Visier. Das Abkommen selbst mag nach Auskunft des Wirtschaftsministers sogar inzwischen ‚tot‘ sein, sehr lebendig bleibt dagegen die Absicht, den Handel und Wandel auf dem ganzen Globus mit einem Regelwerk zu überziehen, das eine eindeutig deutsch-europäische Handschrift trägt. TTIP, CETA etc. sind nur Schritte zum Ziel, über dessen Notwendigkeit deutsche Handelspolitiker keinen Zweifel aufkommen lassen. Sie wissen nämlich und sagen es ihren Bürgern auch laut und deutlich, dass ohnehin alles, was auf den Feldern blüht, auf die Esstische der Nation kommt und an Arbeit und Verdienst im Lande überhaupt stattfindet, durch die Konkurrenz der Kapitale auf dem Weltmarkt bestimmt wird. Zum Erfolg in der gehört offenbar mehr als ein entsprechender Umgang mit der heimischen Arbeiterklasse, von wegen ‚Hausaufgaben‘ und so. Wenn der deutsche Wirtschaftsminister angesichts der nach seinem Geschmack zu zahlreichen Anti-TTIP-Demonstranten über die nach seinem Geschmack zu kleine europäische Bevölkerung seufzt und so prägnante Sätze von sich gibt wie: „Der Welthandel wächst, wir schrumpfen!“, dann drückt er entsprechend volkstümlich aus, wofür die deutsch-europäische Bevölkerung überhaupt da ist: Sie ist Verfügungsmasse – dazu da, ihren Staaten das nötige ‚Gewicht‘ zu verleihen, das sie für ihre ökonomischen Zwecke in aller Welt brauchen. In seinem einfachen Satz bringt Gabriel den Dreischritt unter, der die gesamte deutsche Handelspolitik leitet: Die Größe der Bevölkerung steht für die Größe des Markts, der größer werden muss; je größer der Markt, desto wuchtiger unsere Kapitale, die sich in dem durchsetzen und durchzusetzen haben; desto größer auch die Erpressungsmacht, mit der Deutschland allen anderen Staaten auf der Welt gegenübertreten kann. Denn dann lassen sich Handelsbedingungen durchsetzen, die unseren Erfolg garantieren, damit die anderen uns nicht zuvorkommen. In einem Freihandelsbündnis mit den Amerikanern ließen sich nämlich gewisse aufstrebende fernöstliche Länder, die uns bei unserem Programm seit Längerem in die Quere kommen, ein ganzes Stück kleiner machen. Doch so sicher deutsche Handelspolitiker sind, dass in der weltweiten Konkurrenz nun einmal das Prinzip ‚fressen oder gefressen werden‘ gilt, so sicher sind sie sich auch, dass eine weltweite Handelsordnung in europäischer Verantwortung nicht nur Europas Kapitalisten und Lohnabhängigen gut tut, sondern auch den Verbrauchern und Menschen der ganzen Welt: Die wären ja sonst den Standards der anderen ausgesetzt. Für diesen Dienst an der Welt muss natürlich eine Bedingung erfüllt werden, und auf der dürfen Deutschlands besorgte Bürger ihrer politischen Führung gegenüber in welcher volkstümlichen Übersetzung auch immer beharren: Die vereinbarten Standards müssen wirklich unseren Erfolg gewährleisten, nicht den der anderen.

      Schließlich haben wir mit unserem Erfolg auch noch die Welt zu retten.

      Nicht nur die Menschen, die jetzt die Welt bevölkern, auch ihre Kinder und deren Kindeskinder brauchen ein von Deutschland geschriebenes, zumindest mitgeschriebenes Regelwerk für die globale Wirtschaft, Abteilung ‚Nachhaltigkeit‘. Bei der Erstellung des einschlägigen Regelwerks verhandeln Deutschlands Politiker eine Sache, die viel dringlicher ist als die Frage, was die um globale Märkte konkurrierenden Volkswirtschaften der Umwelt antun: die weltweite Energieversorgung. Mit der schrittweisen Abkehr von fossilen Energieträgern geht es immerhin um die Stoffe, mit denen eine Kategorie von Nationen ihren Kapitalismus antreiben und die einer anderen ihre Haushalte und überhaupt das Leben ihrer Gesellschaften finanzieren. Dass Deutschland bei der Bewältigung dieser Frage eine führende Rolle zukommt, ist nach der marktwirtschaftlichen Logik, der auch das Klima zu gehorchen hat, vollkommen einleuchtend. Denn dank der Technologie und – nach der gleichen marktwirtschaftlichen Logik absolut entscheidend – der Kapitalgröße und -produktivität, über die deutsche Unternehmen verfügen, sehen Deutschlands Verantwortungsträger in der Wende zur ‚Nachhaltigkeit‘ nicht bloß eine Reihe von ökonomischen Einschränkungen einiger ihrer einheimischen Kapitalisten, sondern eine großartige Geschäftsgelegenheit für den gesamten Standort. Wenn Deutschland die Welt zu einem Markt für sich herrichtet, also nach seiner Klimatechnologie ausrichtet, dann braucht man sich um die Welt nicht länger Sorgen zu machen, weil vom deutschen Profit der Globus mit seinem Klima und so die ganze Menschheit mit profitiert – und wenn dann die Auto- und oder eine andere gewichtige Industrie einer so verantwortlichen Macht die Festlegungen des einschlägigen Regelwerks nicht gut mit ihren geschäftlichen Rechnungen zur Deckung bringen kann, sind im Namen der Rettung des Klimas, die anders eben nicht zu haben ist, gewisse Ausnahmen und Abstriche geboten. Denn der deutsche Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels kann ohnehin nicht in so etwas Kleinlichem wie einer bloß nationalen Energiewende bestehen, also darin, was das Land selber an Emissionseinsparungen anbietet. Deutschlands Verantwortung gebietet vielmehr, die Beiträge der anderen zu definieren.

      Über so viel Sorge um die großen Fragen, die den gesamten Globus von heute und morgen betreffen, vernachlässigen die Deutschen überhaupt nicht ihr näheres, europäisches Umfeld. Im Gegenteil.

      Auch in Osteuropa will Deutschland nämlich mehr Freiheit, und zwar nicht nur für sein Kapital – das sowieso –, sondern auch für die Völker des ehemaligen sowjetischen Machtblocks. Diese Verantwortung verträgt keine Rücksichten: weder auf den russischen Rechtsnachfolger der SU, noch auf die Ansprüche der seit einiger Zeit freien Staaten selbst. Das gilt auch und gerade für die Ukraine, den jüngsten und belebtesten Schauplatz im Kampf um die Selbstbestimmung der ehemals unterdrückten Ost-Völker, das ‚Bruderland‘ Russlands und ‚Kernstück‘ seines ‚nahen Auslands‘. Das deutsch geführte Europa tritt dem Land nicht einfach als Geschäfts- und sonstiger Partner gegenüber, mit dem man von gleich zu gleich das übliche diplomatische Feilschen über Verträge mit den dazugehörigen kleineren und größeren wechselseitigen Erpressungsmanövern betreibt. Es tritt vielmehr als eindeutig überlegenes ökonomisches Kraftzentrum an, von dem die Adressaten so komplett abhängig sind, dass Europa alle Freiheit genießt, sie ganz nach eigenem Kalkül an sich zu binden. Es präsentiert seine Bedingungen in Gestalt des ‚acquis communautaire‘ als fix und fertiges Paket, bei dem es nichts zu rütteln, gar aufzuschnüren, sondern nur das eine zu tun gibt: die ‚Reformen‘ Punkt für Punkt umsetzen, die in diesem Fall viel mehr als ‚Wettbewerbsfähigkeit‘, nämlich die Anpassung der gesamten ökonomischen und politischen Verfassung an den europäischen Rechtskatalog verlangen. Die Fortsetzung dieses Tests auf die Fähigkeit Europas, seine ökonomische Wucht, die Größe und Tiefe seines Markts für seine strategische Expansion einzusetzen, gerät dann zu einer mehrstufigen Demonstration des deutschen Willens, mehr weltpolitische Verantwortung zu übernehmen. Es testet nicht nur die Grenzen seiner zivilen, ökonomischen Erpressungsmacht aus, es zeigt auch seine Bereitschaft, über sie hinauszugehen. Das geht mit der finanziellen und diplomatischen Unterstützung eines regelrechten Putsches in Kiew erst los.

      Wenn Russland auf eine entschieden antirussische ukrainische Übergangsregierung eine halbherzig verdeckte militärische Antwort gibt, um seine Kontrolle über die Ukraine wenigstens teilweise zu erhalten, dann lässt sich Deutschland von dem militärischen Auftritt der zweitgrößten Atommacht der Welt weder einschüchtern noch abschrecken. Es denkt auch keine Sekunde lang daran, bei Russland bloß ein geschädigtes Interesse anzumelden. Sich derart zu erniedrigen, dass man den Russen als eine ebenbürtige, bloß mit eigenen Interessen ausgestattete Partei entgegentritt, fällt einer europäischen Führungsmacht im Traum nicht ein. Deutsche Verantwortungsträger stellen sich von vornherein mindestens eine Etage über ihr Gegenüber – als Beschützer eines Regelwerks, das für alle interessierten Parteien gilt. Die Kanzlerin sagt es gerne und immer wieder: Ihr Land tritt nicht für das Recht des Stärkeren, sondern für