blieben. In den letzten Dekaden wurde der Aufruhr geschürt. Die Offiziere durften die Garnison nicht verlassen. Neferheres drehte ihren Armreif, das alte kemetische Symbol ehelicher Treue, den der Gardist ihr angelegt hatte, als sie sich das heilige siebente Mal im Palastgarten getroffen hatten und er sie seine Frau nannte. Ich weine um dich, Sothur, sprach Neferheres zu den Palastfeuern, bete zu Ma’at, dass sie dir gnädig sei, denn die Göttin zählt die Tränen der Frauen, die den Geliebten nur heimlich sehen dürfen. Sie hörte die Schritte ihres Gastes. Das Licht verschwamm. Die Hände auf dem Sims zuckten.
Abdi-ashirta schloss die Pforte zum Hapi. Still trug der Fluss die heiligen Wasser zum Inneren Meer. Seine Ufer waren vertrauter als die Gemäuer der Königsstadt. Nach Mitternacht zu bedeckten Wolken den Himmel über Bast, der Wiege sidonischer Hoffnungen, dem Tor nach Süden, von kemetischen Priestern für immer verschlossen. Hell stand der Mondgott über dem Ostgebirge und wies dem Schatten des Sidoners den Weg zum Großen Palast.
III
Ho! Ho! Das ist der Admiral?
Janhamu
1
Zum dritte Mal in diesem Sommer trugen nubische Kolonnen bereits in Zor bearbeitete Gebalzedern den Handelsweg von der Lotosblüte über Per-sepa in die Siedlung am Lazurwasser. Abdi-ashirta stand auf seinem Wohnhaus, das nicht der Villa im heimatlichen Ostviertel glich. Die Regen dieser Zeit hatten die Wände ausgewaschen, das Dach war kaum zur Hälfte begehbar. Der schwere Sakinu hielt sich vorsorglich an den Rändern auf, deren mit der Wandung verbundene Balkenlage einen sicheren Stand bot. Ohne aufzublicken, erzeugten die dunkelhäutigen Träger mit Zunge und Lippen Schnalzlaute, von denen der Admiral auf dem Haus nicht wusste, ob es ein Gruß war oder der Hass auf den Mann sie gebar, für den die unbekannten Holzteile aus einem fremden Land an diese Küste geschleppt wurden. Die Transportschlitten hatten sich auf den unebenen Wegen fast jede Stunde festgefahren, die Hände schmerzen von den Verladearbeiten stärker als die Schultern in den Seilen. Der Wind aus dem Abendhaus wehte den Geruch von Schweiß und Holz zu Abdi-ashirta und seinem Beschützer, denen das aber vertraut und nicht unangenehm war. Abdi-ashirta war froh, dass Neferheres nach einem ihrer kurzen Aufenthalte, die nie länger als zwei Tage dauerten, zurück nach Menfe gereist war. Sie hatte den Bau der Schiffe für den Pharao gezeichnet und beschrieben. Bei vielen Gelegenheiten hatte Abdi-sirta sich gewundert, wie unbeeindruckt die hohe Frau mit den Zimmerleuten und Aufsehern umgegangen war, sie nach deren Herkunft fragte und sie oft ermutigte, ihre Meinung zu dem Willen des Palastes zu sagen. Die Andeutungen Kerifer-Neiths, die der Priester auf seine Fragen machte, hatte er nicht verstanden. »Eine starke Hand hebt den Vogel, der singt, in die Luft, dass sein Lied über den Hapi tönt. Vielleicht erzählen es dir einige der Männer auf deinem Schiff, was Neferheres antreibt, wenn sie dich einmal nicht die kemetischen Bräuche lehrt.«
Neben dem Rauchabzug knarrte Holz. »Sie sind aus Geempaaton. Ich habe vor der Tür gefragt. Sie sind ein Geschenk ihrer Heimat, deren Herrscher bittet durch sie um Vergebung für Gewalt in unruhigen Zeiten. Sie rufen dir zu, dass sie deine Schiffe stehlen und damit nach Hause fahren werden.« Die Haushälterin winkte ihren Landsleuten und verschwand wieder in der Luke. Die Kolonne stockte, einer der Männer hatte sich in den Zugseilen verfangen und kniete im Staub, die Füße der anderen wichen ihm aus. Der Aufseher des Schlittens befahl Halt, nahm seinen Schlagstock und hielt ihn dem Gestürzten hin, der sich daran hochzog und dem Kemeten mit einer Verbeugung dankte. Einer der kleineren Schlitten war mit Krügen beladen. Der Kommandant befahl seinen Knechten, den Nubiern Wasser zu geben. Selbst die Begleitsoldaten griffen nach den Gefäßen und trugen sie zu den Männern. Als diese tranken, sah der Admiral ihre Gesichter, er sah Dankbarkeit für den Augenblick der Ruhe, und Neugier bei jenen, die zum Dach blickten. Als der riesige Sakinu an die Hauskante trat, setzten die Schnalzlaute wieder ein, sie klangen erregt und vielleicht lag Bewunderung darin. Abdi-ashirta zeigte auf die Oberarme des Syrers und zeichnete mit den Händen einen Elefanten in die Luft. Die Männer lachten, manche winkten ihm zu, als der Trupp sich wieder in Bewegung setzte. Mit schweißglänzenden Rücken zogen sie weiter, die dunkelhäutigen Männer, von denen jeder Einzelne sein Schicksal hatte und nun in einer ihm fremden Welt lebte, wie sie in einer anderen Form nach zwei Jahreszeiten auch seine Männer erwartete. Er blieb noch lange auf dem Haus und dachte an die Handlung des Aufsehers und den Befehl des Kommandanten, außer der Reihe Wasser verteilen zu lassen. Erneut knarrte die Luke. »Herr, wohin schaust du? Hast du den Boten des Kommandanten nicht gesehen? Kerifer-Neith, der Ehrwürdige, beehrt dich noch heute. Er folgt der Kolonne auf drei Stunden.« Die Nubierin lachte den Admiral an, ohne zu verbergen, dass sie sich am harten kemetischen Brot vor drei Tagen einen Zahn ausgebissen hatte.
Der Priester schob den Vorhang beiseite und blickte in die Kammer, die von Neferheres während ihrer seltenen Besuche genutzt wurde. Die gekalkten Wände waren mit gelbschwarzen Tüchern verhängt. Die Holzdielung gab dem Raum ein wohnliches Aussehen, entschädigte aber die hohe Frau nicht für den vermissten Luxus der Villa hinter den Mauern.
»Kein Ort für Herrinnen«. Der Priester sagte den Satz nicht zum ersten Mal. »Doch sie erkennt die Siedlung als Platz, an dem die Ordnung Kemets gefestigt und Ma’at wohnen wird. Das bindet uns aneinander. Wie in dem Wüstengebirge Tal und Berg aufeinander folgen, steigt unser Land aus einer niederen Vergangenheit empor, um die Welt zu überblicken wie die Ahnen der Vorzeit. Dafür lebt Neferheres. Nur hast du es so noch nicht verstanden. Erhabene Worte berühren dich wenig, dich interessieren die Schaumköpfe der Wellen und ob die Häuser Sturm schicken oder den günstigen Wind. Dafür brauchen wir dich. Wir, Admiral, die Frau und der Priester. Achtung ist oft eine bessere Zuneigung als die Liebe. Nun habe ich dich genügend für meine Mitteilung vorbereitet, dass Neferheres in den nächsten Dekaden nicht hier sein wird. Sie ist in Ueset und liest alte Inschriften in den Gräbern.«
»Warum bist du gekommen, Herr?«, fragte Abdi-ashirta.
»Um zu sehen, ob schon Planken die Skelette verkleiden. Und ich will mit dir über die Besatzung reden.« Kerifer-Neith ließ sich auf einen Hocker nieder, das Gesicht zur Tür gerichtet. Dass Sakinu und Uliliya allein über das Haus wachten, schien ihn zu beunruhigen.
»Meine Werber zogen durch Sidonien, ich schickte sie auf Schiffen zu euren Ufern und weiter die Küste Kanaans entlang. Gott Hapi trug die Boote, auf denen sie fuhren, zu den Bauern des Südens. Leute der regionalen Ämter begleiteten sie. Was soll ich die Begebenheiten aufzeichnen! Männer wollten wir, die aus eigenem Willen in eine unbekannte Welt aufbrechen sollten. Bauernsöhnen nannten wir eigenes Land als Lohn, Knechten die Freiheit. Die so Geworbenen füllen nicht die Hälfte deiner Schiffsbänke. Wir werden Männer aus den Gefängnissen holen oder sie von den Besitzern der Steinbrüche mit Kupfer ablösen müssen. Hoffentlich ist für manchen der grüne Tod nicht ein besseres Schicksal als ein von den Göttern verfluchtes Schiff um Libyen herum zu rudern. Sollen die Krokodile mich fressen, schrie meinen Leuten ein Straßenlump in Sidon entgegen. Woher er solche Tiere kannte, sagte er nicht. Vielleicht denken viele so. Wenn du deine Ruderer musterst, werden dich Männer anstarren, denen du vor Zor nur in Begleitung von Wächtern begegnen möchtest. Männer, die Gedanken nur mit einem Wort formulieren können und nicht in Sätzen rede. Und Männer, die vom Meer nur wissen, dass es salzig ist. In manchem Schädel nistet der Gedanke, deinen Schiffen zu entfliehen. Sie kriechen lieber in eine libysche Sandhöhle, als in den Süden zu fahren, für dessen ungemessene Weite in ihren kleinen Hirnen kein Platz ist. Sie werden in den Bänken sitzen, dich anglotzen und darauf hoffen, dass die Ausgeburten ihrer Fantasie dich fressen. Für sie sind die Drohungen von Verdammnis, die sie in ihren Tempeln hörten, Wirklichkeit geworden. Hoffentlich, Admiral, gehen nicht zu viele in Ketten auf diese Fahrt, die Zahl der Soldaten wird das Übliche übersteigen. Kann man mit solch einem Haufen Libyen erobern, Admiral Abdi-ashirta?«
Kerifer-Neith zog das Fensterleinen beiseite. Tausend Ellen weit lagen die Schiffsgerippe auf ihren Hölzern. Die Nubier waren noch dabei, die Planken zu stapeln. Sie mussten den Weg zwischen Bast und der Werft noch einige Male gehen. Sie wussten es. Sie wussten auch, dass sie am Ende der Strapazen die Heimreise erwartete und nicht eine Fahrt ohne Wiederkehr. Der Priester dachte an Neferheres und die zerrissene Seele der heimlichen Tochter