Manfred Behrend

Haben wir die Lüge in unserer DNA?


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die Politiker, Bundesrecht bricht Landesrecht. Zack, damit erledigt. Wir erleben es fast täglich, was die Wichtigkeit der Verfassung ist. „Die Würde des Menschen“. Die Würde von Straftätern hat oftmals Vorrang vor der Würde von Geschädigten. Allein darüber könnte man Romane schreiben und wir wären erschüttert. Geschädigte fahren im Rollstuhl und der Täter fährt nach zwei Jahren mit dem Porsche an ihm vorbei und grinst.

      In Erweiterung als Einleitung möchte ich den Spruch des römischen Kaisers Marc Aurel (121-180 n. Chr.) nennen:

       „Du lebst nur den gegenwärtigen Moment!

       Die übrige Zeit ist in der Truhe der Vergangenheit begraben oder sie liegt in der ungewissen Zukunft. Es ist also nur eine winzige Spanne Zeit, die ein jeder lebt, winzig auch der Fleck der Erde, wo er lebt! So wirf denn alles ab und behalte nur diese wenigen Sätze.“

      Eine zweitausend Jahre alte Botschaft. Gehören nicht auch Lügen oder Unwahrheiten zu diesem Moment Leben, was wir haben? Bitte mal nachdenken. Es gibt aber Schlimmeres, was ich über das Thema Lüge nennen möchte. Du darfst nicht lügen, sagt man. Wir wollen es einhalten. Nietzsche, Kant beschäftigten sich damit. Lügen müssen erlaubt sein, auch wenn wir es ablehnen. Lesen Sie diese Geschichte und urteilen Sie über diese nachdenkliche Geschichte:

       „Es ist spät abends. Es klingelt an der Tür.

       Die Frau öffnet. Ein Mann mit einer Axt steht vor der Tür und fragt sehr streng, ob ihr Mann da sein und hebt die Axt. Die Frau sagt in Erfassung der Situation … Nein, er ist nicht da!“

      Sie hat gelogen. Sollte sie sagen … Ja, da hinten sitzt er auf der Couch und guckt die Sportschau? War dies ein seltsames Beispiel? Darf man also in bestimmten Situationen lügen oder behaupten wir etwa, dass es keine Lüge war? Lassen wir es so stehen und denken darüber nach, bevor wir weiter lesen. Täglich beschäftigen wir uns mit Lügen, wenn auch oft unbewusst, da wir auch Manipulationen, wenn auch eventuell erst später, als Lüge erkennen. Bewusste Lügen nehmen wir ebenfalls sehr gerne auf und sind selbst auch Lügner. Ein hartes Wort, wenn wir uns selbst als Lügner bezeichnen. Jedoch, und ich bin überzeugt, dass wir ohne die Lüge kaum existieren könnten. Als kleines Beispiel zeigt es uns doch die Bestätigung im privaten Bereich. Der Ehefrau sagen wir, dass ihr das blaue, von ihr ausgewählte Kleid besonders gut steht, obwohl wir eventuell anderer Meinung sind und das grüne Kleid besser finden. Im privaten Sektor wie dieses kleine Beispiel kennt jeder von uns viele „Gegebenheiten“. Da beginnt es doch, diese gewissen Unwahrheiten. Oftmals, um unsere Ruhe nicht zu gefährden. Sie sind jedoch sehr wichtig im Miteinander. Wir haben bisher nur das große böse Wort Lüge genannt. Was gehört alles dazu? Die Anpassung, die Manipulation, die skrupellose Lüge, die zwanghafte Lüge, die Zwecklüge, die Täuschungslüge, die Lebenslüge, die Geltungslüge, die Notlüge, auch das Verschweigen und die Selbstlüge. Was ist z. B. mit dem Sport? Was machen wir dort für seltsame Dinge? Wir sind zu etwas fähig. Können laufen, gehen oder springen und sind zu Leistungen fähig. Warum nehmen wir für Sporterfolge Rauschmittel? Wem beweisen wir etwas? Wenn wir ehrlich wären, würden wir eine separate Doping-Olympiade veranstalten, um zu erkennen, wie schnell wir laufen können. Ja, das wäre ehrlicher als versteckte Dopingmittel. Warum ziehen wir uns eigentlich Neopren-Sportanzüge an? Ist es ein Erfolg der Menschheit, dadurch 1/1000 Sekunde schneller zu schwimmen? Ich weis nicht. Besonders entgegen den eigentlichen Problemen der Welt.

      Irre ich mich oder waren diese letzten Sätze einfach nur doof?

      Ist es wirklich verwerflich, wenn wir so etwas wie Faschismus oder Kommunismus auch als Religion mit Inhalten Lüge, Wahrheit usw. auffassen? Ebenso in Erweiterung Fußball, Formel 1 oder Vegetarier-Fanatismus? Viele Dinge haben den Anschein von Religion. Religion ist doch nichts anderes als der Glaube an eine übersinnliche Macht, deren Handeln man mit Ritualen zu beeinflussen versucht. Irre ich mich oder hat es Ähnlichkeiten? Wäre dieser nachfolgende Satz nicht wichtiger für uns?

       „Nicht glauben. Ich will wissen!“

      Wir haben sehr viel in unserem Dasein mit Mythen zu kämpfen. Kämpfen ist eventuell ein seltsames Wort. Jedoch glauben wir, wie es der eben genannte Spruch beinhaltet und halten sehr streng daran fest. An Überlieferungen, die seit Generationen fest gezurrt sind im Hirn. Wir versäumen dem Inhalt des Spruchs „Nicht glauben. Ich will wissen“ Respekt in positivem Sinne zu erweisen. Wir respektieren viel lieber Althergebrachtem. Etwas glauben strengt nicht an. Nehmen wir doch die Geschichte von Noah und seiner Arche. Eine wunderbare Geschichte im Grobinhalt. Lebewesen vor einer Sintflut retten mittels Boot. Das hat nichts mit dem Glauben in dem Sinne zu tun, sondern inhaltlich eine gute Geschichte. Wir glauben es, weil es uns gefällt. Wenn wir weiter nachforschen, um zu wissen, wird es seltsam. Er baute sie, als er schon 500 Jahre alt war und baute wohl um die 100 Jahre lang daran. Hier wird es doch seltsam und unser Verstand sagt uns doch, dass dies nicht sein kann. Was nun? Völlig egal, es ist eine nette Geschichte, die Gott dem Noah aufgetragen hat. Können wir es verurteilen? Fragen wir, ob es Lüge, Wahrheit oder Flunkerei sei? Nein! Es gibt viele solcher Geschichten. Wissenschaftler haben festgestellt, dass wir uns täglich mit ca. 60.000 Gedanken beschäftigen, ja beschäftigen müssen. Von diesen Gedanken pro Tag sind mindestens 40 %, wenn nicht mehr, negative Gedanken. Hier sind ebenfalls viele dabei, bei denen wir erlegen sind, Lügen auch zu glauben. Wir benötigen jedoch sehr dringend auch diese negativen Gedanken. Sie fördern unsere Entwicklung. Wir mögen sie zwar nicht oder wünschen diese nicht, sie helfen uns aber sehr oft. Sich dem Leben zu stellen und erkennen, welche Aufgaben wir vor uns haben. Für diese Aufgaben benötigen wir einen Weg, den wir beschreiten wollen. Hierbei bitte ein aufpassen. Wir sollten ein japanisches Sprichwort beachten:

       „Man kann auf dem richtigen Weg sein,

       aber nicht der richtige Mensch für diesen Weg.“

      Damit ist doch eigentlich nur gesagt, dass wir uns selbst einschätzen sollten, welche Fähigkeiten wir besitzen und nicht nur Mitläufer sind.

      Ich bitte vorab darum, wenn ich das Wort Lüge nehme, inhaltlich die vielen Nuancen des Begriffes Lüge zu beachten, auch wenn es sich brutal anhört, bei einer guten Notlüge dieses böse Wort zu lesen. Ich bitte darum, nicht entsetzt zu sein, wenn das Wort Lüge von mir benützt wird. Jeder Einzelne es nicht so erkennt, vielleicht mehr als Notlüge oder Übertreibung. Es ist jede Nuance gemeint. Viele Dinge der Nuancen der Lügen waren und sind wichtig im Miteinander der Menschen. Für das Miteinander von Menschen sollten wir einen Spruch des schottischen Schriftsteller Robert Louis Stevenson (1850-1894) beachten.

       „Beurteile einen Tag nicht danach, welche Ernte du am Abend einfahren wirst, sondern danach, welche Samen du gesät hast.“

      In der Bedeutung ist es doch nichts anderes, als das, was du als Grundlage z. B. in der Erziehung von Kindern, Übermittlung von Gedanken und solchen Dingen „gesät“ hast in die Hirne anderer, wird ebenso „ertragreich“ sein. Dies können auch Lügen oder Unwahrheiten oder Manipulationen sein, die zu einer Kraft werden.

      Es irritiert uns doch vielleicht, wenn wir die Autobiografie von Johann Wolfgang von Goethe nehmen. Er veröffentlichte sie 1810 und nannte sie „Dichtung und Wahrheit“. Es ist doch auch hier die interessante Frage, was denn nun Wahrheit ist und was ist Dichtung? Dieser Titelname ist wichtig und begleitet uns täglich. Das meine ich mit dem Inhalt dieser Gedanken, ohne den großen Goethe in Verbindung mit Lügen zu bringen. Wir gehen hier in diesem Buch darauf ein bzw. ich versuche, diese Begriffe Lüge und Wahrheit zu trennen in einem Verständnis, wie wir es nicht so sehr unterschiedlich aufnehmen. Wie meine ich dies? Eine Lüge, die sehr oft wiederholt wird, kann plötzlich zur Wahrheit werden. Wir Menschen nehmen gerne Lügen auf, die uns gefallen. Es ist oft so, dass wir in gewisser Weise überhaupt nicht interessiert sind an einer Wahrheit, da eine Lüge oft wunderbar in unser Konzept oder Denkweise passt. Wahrheiten werden sogar abgelehnt. Der amerikanische Schriftsteller William Faulkner (1897-1962) hatte es sehr treffend formuliert: