Tommy Krappweis

Ghostsitter


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und Welf schwiegen.

      »Vier verdammte Jahre hab ich am Bürgermeister rumgebaggert, bis er mitsamt den Kasperlköpfen im Stadtrat endlich sein Okay gegeben und die blöde Unterschrift auf den Wisch geschmiert hat! Vier Jahre! Und das nur wegen irgendeinem dämlichen Verbot aus dem 18. Jahrhundert, was heute gar keinen Sinn mehr macht!« Barthelmann begann damit, mitten auf dem Platz hin- und herzutigern. Erhitzt deutete er auf die umliegenden Buden, die fast fertig aufgebaut waren. »Und ich werde ganz sicher nicht zu denen allen hinkriechen und sie wieder nach Hause schicken, nachdem ich erst alle bekniet habe, hierherzukommen! Vor allem nicht, weil ein komisches Kind und sein Onkel das gerne hätten!«

      Er streckte den Zeigefinger aus und fuchtelte Tom damit vor der Nase herum. »Ihr zwei Reißzwecken könnt mir den Schwammbuckel runterrutschen!« Das Gesicht des Mannes lief genauso schnell rot an, wie auch seine Stimme immer lauter wurde. »Wenn ihr Spinner wieder abhauen wollt, von mir aus! Und das eins klar ist: Ich brauch euch dann auch nicht auf meinen anderen Märkten! Ich hab genug andere Hirnis, die mir nur Stress machen. Und eins sag ich euch: Die Platzmiete zahlt ihr mir trotzdääähhh…«

      Blitzschnell hatte Welf den Zeigefinger des wütenden Mannes eingefangen und hielt ihn einfach fest. Der Veranstalter versuchte, seinen Finger aus Welfs Faust herauszuziehen, aber zu seiner Überraschung bewegte sich diese keinen Millimeter. Es sah aus, als hätte Barthelmann seinen Finger in der Hand einer steinernen Statue verklemmt.

      »Sie können das bestimmt auch alles erklären, ohne uns zu beleidigen«, knurrte Welf. »Ich bin mir da ganz sicher.«

      Er wartete noch einen kurzen Moment, dann erst ließ er den Finger des Mannes so plötzlich los, dass der ein paar Schritte rückwärts stolperte.

      Tom versuchte, die Wogen ein wenig zu glätten. Es half nichts, wenn diese Diskussion jetzt völlig aus dem Ruder lief.

      »Wir würden sehr gerne bleiben, Herr Barthelmann. Aber wir glauben, dass alle Menschen hier in Gefahr sind. Die Leute mit ihren Buden und Fahrgeschäften, die Gäste, die ab morgen kommen, und Sie selbst genauso.«

      Der Veranstalter rieb sich den Zeigefinger und sah Tom genervt an. »Blödsinn. Das hier ist einfach nur ein alter Marktplatz, auf dem seit Ewigkeiten nix mehr stattfindet, weil sich das Zentrum in den Osten der Stadt verlagert hat. Was bitte soll denn hier so Gefährliches sein? Tödliche Taubenscheiße? Raketenwürmer?«

      Tom sah Hilfe suchend zu Welf hinüber, doch der schüttelte kaum merklich den Kopf. Tom seufzte. »Aber haben Sie denn das Beben vorhin nicht gespürt?«

      Der Veranstalter sah Tom an, als würde er gleich einen Arzt rufen wollen. »Beben? Was für ein Beben? Hast wohl was Falsches gegessen. Das fühlt sich manchmal so ähnlich an.«

      »Oh Mann! Das war kein Blubbern wegen Pupsgemüse, verdammt!« Tom wurde nun richtig sauer. »Das war was anderes! Wir wissen nicht genau, was los ist. Aber wir wissen, dass was los ist. Glaub ich.«

      Tom wusste, dass er mit dieser Begründung wohl kaum Erfolg haben würde. Hoffnungsvoll suchte er im Gesicht des Mannes nach irgendeiner Regung, die man positiv deuten konnte, fand aber keine.

      »Sie glauben uns nicht«, seufzte Tom. »Warum sollten Sie auch.«

      Barthelmann sah ihn regungslos an. »Genau. Und jetzt haut ab und macht, was ihr wollt, ist mir egal. Ich hab zu tun.«

      Dann drehte er sich um und stapfte einfach davon.

      »Und jetzt?«, fragte Tom.

      »Jetzt müssen wir wohl bleiben«, brummte Welf, und Tom sah ihn verwundert an.

       Kapitel 3: Eine folgenschwere Entscheidung

      Welf hat recht. Wir müssen bleiben«, sprach Vlarad der Vampir salbungsvoll, nachdem Tom ihnen allen von seinem Gespräch mit dem Veranstalter berichtet hatte. »Wir lassen die Menschen hier nicht ahnungslos ins Verderben rennen.«

      »Wow.« Tom war wirklich beeindruckt. »Das ist ja cool.«

      »Oder saudumm«, entgegnete Welf. »Kommt drauf an, mit was wir es zu tun bekommen.«

      »Was oder wer auch immer es sein mag«, der Vampir richtete sich auf, und seine Augen blitzten voller Tatendrang, »wir haben einst geschworen, den Menschen kein Leid zuzufügen. Und dazu zählt auch unterlassene Hilfeleistung. Vor allem, wenn wir die Einzigen sind, die die Gefahr spüren.«

      Vlarad streckte seine Hand aus. »Wir bleiben.«

      Welf legte seine haarige Hand stumm auf die des Vampirs. Mimi tat ihr Bestes, um ihre schimmernden Finger an einer Stelle zu halten, ohne dass sie durch die anderen Hände hindurchglitten.

      Auch Hop-Tep die Mumie nickte und legte ihre bandagierten Finger auf die der anderen.

      »Gmmmhhh«, machte da sogar Wombie, legte seine Hand auf die des ägyptischen Prinzen und hielt dann mit der anderen Hand behutsam den Plüscharm seines Stoffhäschens Odor so, dass auch das Kuscheltier den Pakt mitbeschließen konnte.

      Tom war so ergriffen von dem Moment und bemerkte erst gar nicht, wie alle auf ihn warteten. »Oh, sorry, klar!«, rief er und legte seine Hand ganz oben drauf.

      Vlarad nahm einen tiefen Atemzug. Dann ließ er einen leisen Summton erklingen. Zu Toms Überraschung stimmten die anderen ein, sogar Wombie war deutlich zu hören. Zunächst klang es ziemlich schräg für Toms Ohren, doch auf einmal fanden sich die fünf Stimmen. Urplötzlich dröhnte in seinem Kopf ein gigantischer Chor im vollständigen Einklang wie der Ton einer riesigen Kirchenglocke. Und über diesem fantastischen Singen schien die majestätische Stimme des Vampirs zu schweben:

      »Ewig Zeit ward uns gegeben.

      Wahr und Gut sei unser Streben.

      Ehren wollen wir das Leben.«

      Dann löste der Vampir die Verbindung, und der Chor in Toms Kopf verstummte, als hätte man ein Lautsprecherkabel durchschnitten.

      »Ihr macht immer so krasses Zeug«, murmelte er, und Mimi lächelte. »Das hast du aber schön gesagt. Also, während ihr weg wart, hab ich versucht, irgendwas Genaueres zu erspüren. Leider kann ich nichts Neues berichten. Ich weiß nur, es ist auf keinen Fall menschlich oder mechanisch. Da ist nur dieses komische …«

      »… düstere Raunen«, beendete Vlarad ihren Satz.

      »Genau! Das trifft’s!«, rief Mimi aufgeregt. »Ich glaube, da musst du ran, Vlarad. Du hast am meisten Erfahrung.«

      Der Vampir nickte.

      Tom atmete tief durch. »Also gut, dann bauen wir jetzt doch auf. Oh Mann, der Barthelmann wird denken, wir sind nicht ganz normal.«

      Welf grinste grimmig. »Ein Mensch und fünf Untote, die zusammen in einer Geisterbahn leben? Er könnte recht haben.«

      Vlarad grinste, Mimi lachte, und sogar unter Hop-Teps Bandagen hörte man ein Kichern.

      »Also, Welf, geleite doch unseren Jungen nach draußen, während wir hier drin alles für den Aufbau vorbereiten. Bitte haltet uns den Veranstalter vom Hals. Es könnte unangenehm werden, falls er genau jetzt hier reinplatzt.«

      »Ihr habt nicht zufällig die Möglichkeit, den Typen in irgendwas Leises und ganz arg Liebes zu verzaubern? In einen Hamster, ein Backenhörnchen oder vielleicht in einen Polstersessel?«, fragte Tom hoffnungsvoll.

      »Durchaus«, antwortete der Vampir. »Aber wer erklärt ihm alles, wenn der Zauber endet?«

      »Muss er denn enden?«

      »Alles endet irgendwann.«

      Tom verdrehte die Augen. Typischer hätte Vlarads Antwort nicht ausfallen können. »Okay, ich gebe auf. Bis später