Tommy Krappweis

Ghostsitter


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alleine raus. Tschaui!«

      »Auf Wiedersehen, Herr Föhr. Bis dann!«, rief ihm Tom höflich hinterher.

      »Tschaui! Hihihi!«, kicherte da auch schon Mimis glockenhelle Stimme neben ihm. Im Tageslicht war das transparente Schimmern des Gespenstermädchens kaum wahrzunehmen, aber hier drin im Halbdunkel der Geisterbahn war sie sehr gut zu sehen.

      »Lasst mich raten«, plapperte sie fröhlich weiter. »Welf und der Fotograföhr werden die besten Freunde, und immer, wenn wir hier in Bayrischzell wieder unsere Geisterbahn aufstellen, gehen die beiden zusammen auf eine Maß in den Biergarten.«

      Tom wedelte beschwichtigend mit den Händen: »Das ist nicht hilfreich, Mimi.«

      »Nein, aber sehr lustig!«, lachte das Geistermädchen und flatterte fröhlich zu Welf hinüber. »Na, komm schon, jetzt sei doch nicht so griesgrämig. Der war doch ganz nett und voll begeistert von der Schreckensfahrt!«

      Die Antwort des Werwolfs war ein grollendes Knurren, er wendete sich wortlos ab und stapfte davon.

      »Super gemacht, Mimi«, stöhnte Tom. »Vorher war er nur genervt, jetzt ist er richtig sauer.«

      »Ach was, das ist bis morgen verraucht. Du weißt doch, wie er ist«, winkte das Geistermädchen ab. »Komm, lass uns mal rüberschauen in den Zirkuswagen und sehen, wie weit Hop-Tep mit der Vampirpuppe ist.«

       Kapitel 3: Die Mähne

      Wow!«, entfuhr es Tom, als er auf das regungslose Abbild von Vlarad dem Vampir blickte. »Das ist ja perfekt!«

      Der einbalsamierte ägyptische Prinz verneigte sich höflich. Vielen herzlichen Dank, junger Freund. Ich tat, was ich konnte. Leider habe ich das Problem der Standfestigkeit noch nicht gelöst. Wenn man die Puppe in eine Position bringt, in der sie vornüber gebeugt ist, droht sie umzufallen.

      »Verstehe, wir brauchen eine größere Bodenplatte für die Puppe«, überlegte Tom. »Am besten aus Metall, mit Rollen unten dran, sonst wird es schwierig, das schwere Ding zu versetzen. Habe ich denn noch Zeit, um schnell zum nächsten Baumarkt zu fahren?«

      Schon hatte Tom sein Smartphone gezückt und tippte die entsprechenden Suchbegriffe ein. »Hm, der nächste Baumarkt ist in Miesbach, eine halbe Stunde hin und das Gleiche noch mal zurück. Dort brauch ich mindestens zwanzig Minuten, bis ich das Richtige gefunden hab.«

      »Das wird länger dauern, glaub ich«, warf Mimi ein. »Welf muss mit, weil der das Auto fahren muss. Und das bedeutet …«

      »… dass wir nicht unter einer Stunde aus dem Baumarkt rauskommen. Und das auch nur mit dem hundertsten Akkuschrauber-Bitset für jetzt nur noch 5,99! Mist.«

      Tom war klar, dass sie das auf keinen Fall schaffen würden. Es wäre nicht sonderlich kollegial, wenn die Schreckensfahrt erst um die Mittagszeit öffnete, während alle anderen Attraktionen des Kirchweihfestes bereits liefen. Und das Schild mit der Aufschrift ›Betriebsstörung‹ war wirklich nur für den Notfall gedacht.

      »Also gut«, seufzte Tom. »Wie wäre es, wenn du unser letztes Ersatzwägelchen verwendest, den Aufbau und die Sitze runternimmst und die Puppe da draufmontierst? Besser es sind Schienenrollen drunter als gar keine. Und die Fahrgestelle sind immerhin aus Metallrohren geschweißt, da fällt garantiert nix um.«

      Eine sehr gute Idee, junger Freund, antwortete Hop-Tep wie immer telepathisch. Ich werde Wombie bitten, mir zur Hand zu gehen.

      »Okay, dann öffnen wir heute pünktlich mit allen anderen Fahrgeschäften.« Tom winkte Mimi zu sich. »Kannst du bitte deine Runde machen und mir sagen, welche Glühbirnen ich wechseln muss?«

      Mimi salutierte betont zackig und sauste durch die Decke nach draußen. Tom holte den Karton mit den Wechsellampen aus dem Schränkchen neben der Tür und ging ebenfalls hinaus.

      Gerade wollte Tom die Schachtel wegstellen, um die Leiter unter dem Zirkuswagen hervorzuholen, als er plötzlich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Er drehte sich so schnell herum, dass die Glühbirnen in dem Karton klimperten. Vor ihm stand ein Haufen schwarzer Locken. Zumindest war dies das hervorstechendste Merkmal an der Frau. Die Haare wirkten, als hätte sich ein Löwe die Mähne erst schwarz gefärbt und dann einen Zweikampf mit einem Lockenstab ausgetragen. Der Lockenstab hatte eindeutig den Sieg davongetragen, denn Tom hatte noch nie so viele Locken auf einem einzigen Kopf gesehen. Da die Frau zwar ziemlich klein, dafür aber recht breit war, entstand der Eindruck, dass es sich im Wesentlichen um einen großen, gnubbeligen Haufen schwarzer Locken handelte. Mit Beinen. Und einer freundlichen Stimme, die sagte: »Hallo. Ist das hier die Schreckensfahrt

      »Ja, richtig. Wir machen aber erst um zehn Uhr auf«, antwortete Tom. »Kann ich Ihnen denn ansonsten weiterhelfen?«

      »Ach, ist nicht so wichtig«, antwortete die Frau unter den Haaren. »Ich habe hier morgen einen Fototermin, und mein Hotel ist ganz in der Nähe. Also wollte ich einfach schon mal vorbeischauen.«

      »Sind Sie … Sie sind …«, stammelte Tom und deutete wenig charmant auf die junge Frau: »Sind Sie es?«

      »Tiffany Schuster, richtig«, lachte es aus den Locken hervor. »Und wer bist du?«

      Tom streckte ihr höflich die Hand entgegen: »Mein Name ist Tom Röschenberg. Ich betreibe zusammen mit meinem Onkel Welf diese Geisterbahn, und dass Sie morgen hier Fotos machen wollen, finden wir alle echt toll!«

      Nicht alle, näselte es da in seinem Kopf, und Tom verdrehte die Augen. Ich weiß das, Vlarad. Nun lass mich doch bitte trotzdem höflich sein, ja?

      »Na, so toll kannst du es nicht finden, wenn du dabei die Augen bis in die Stirn hochrollst«, entgegnete da die Frau vor ihm, und Tom spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Was? Neinnein! Er, ich, sie, ich meine, wir sind nur ziemlich aufgeregt!«

      Die Autorin lachte: »Ihr auch? Warum solltet ihr denn aufgeregt sein? Ich stehe morgen zum ersten Mal vor einem Pressefotografen, der versuchen muss, zwischen all den Haaren mein Gesicht zu finden. Und das, obwohl ich alles dafür tun werde, mich möglichst tief darin zu verstecken.«

      Tom runzelte die Stirn. »Warum sollten Sie das tun?«

      »Ich bin Autorin und kein Model, Tom Röschenberg«, seufzte Tiffany Schuster und ließ sich auf der untersten Stufe der Geisterbahn nieder. »Ich weiß nicht, wie ich mich morgen hinstellen soll, welches Gesicht ich machen muss … Soll ich lächeln, ernst schauen, breit grinsen, die Arme verschränken oder ausbreiten, locker irgendwo lehnen, sitzen …«

      Oder einfach zu Hause bleiben …, warf der Vampir ein. Doch Tom ignorierte ihn einfach. Die Frau unter der Haarmähne tat ihm leid, und er konnte sich ganz gut vorstellen, wie es ihr gerade ging.

      »Wie wär’s denn, wenn wir mal zusammen reingehen in die Geisterbahn und Sie schauen sich an, wo morgen das Fotoshooting stattfindet?«, schlug er dann vor. »Vielleicht können wir uns ja sogar gemeinsam überlegen, was cool rüberkommt.« Tom zückte sein Smartphone: »Ich könnte ja sogar ein paar Testaufnahmen machen. Dann sehen wir gleich, was doof ist und was nicht.«

      Da strich sich die Autorin eine dicke Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Tom aus großen, dunklen Augen dankbar an: »Das … das wäre wirklich sehr nett von dir! Geht das denn wirklich? Müsst ihr nicht gleich öffnen?«

      Die Frau war so nett und höflich, dass sie Tom seltsamerweise fast verdächtig vorkam. Pah, ich bin’s nur nicht mehr gewohnt, dass Leute einfach mal nett sind und nicht sofort neue Probleme mitbringen, dachte er bei sich und schaute dann auf die Uhr im Display. »Wir haben noch dreiundvierzig Minuten Zeit, bis das Kirchweihfest offiziell aufmacht. Ich muss noch ein paar Glühbirnen wechseln, die Kasse holen und fünfmal gegen die Hebel treten, damit sich der