Tommy Krappweis

Ghostsitter


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und drehte sich zu Mimi um, die die ganze Zeit über mit verschränkten Armen und verkniffenem Mund vor ihm auf und ab geschwebt war. Tom war die Situation unangenehm, und er war überhaupt nicht der Typ »beleidigte Leberwurst«. Im Gegenteil, wenn etwas in der Luft lag, dann wollte er es lieber jetzt als gleich klären. So auch diesmal. »Mimi, bitte, darf ich was sagen, ohne dass du mich sofort wieder unterbr–«

      »Na klar, mach nur. Kein Problem«, unterbrach diese ihn sofort.

      Tom konnte nicht anders, er prustete los. »Perfektes Timing, Mimi. Respekt!«

      Da formte sich auch in Mimis Gesicht ein breites Grinsen, und das Geistermädchen musste kichern. »Hihi, okay, ich seh’s ein, das war jetzt echt doof.«

      Beide lächelten erleichtert und ein bisschen beschämt in den Boden.

      Dann seufzte Mimi und schwebte hinüber zu der Wand mit den gerahmten Erinnerungsfotos, die Toms verstorbener Großonkel Heinrich über Jahrzehnte hinweg dort aufgehängt hatte. »Du hast recht, es tut mir leid, Tom. Das war voll blöd von mir, entschuldige …«

      Tom stand auf und ging zu ihr hinüber. »Ach, Mimi, du musst dich nicht entschuldigen.« Unwillkürlich streckte er die Hand aus, um sie ihr tröstend auf die Schulter zu legen. Doch die Finger glitten einfach durch das Gespenst hindurch, und Mimi sah ihnen traurig nach. Doch als Tom seinen Zeigefinger ausstreckte und damit nach oben deutete, wo sich sein Gesicht befand, musste sie grinsen. Mimi folgte dem Fingerzeig und sah Tom dankbar an. Der grinste verschmitzt und deutete auf die vielen Fotos an der Wand. »Mein Großonkel hat es echt geschafft, die meisten Katastrophen irgendwie fotografisch festzuhalten.«

      Mimi lachte. »Hihi, ja, wir haben schon immer Witze drüber gemacht, ob er einfach was extra angezettelt hat, damit er wieder ein Foto davon machen kann.«

      »Als hättet ihr das nötig«, antwortete Tom mit einem schiefen Grinsen, und Mimi nickte. »Du hast recht. Das haben wir bisher immer ganz prima auch so geschafft.«

      Tom trat einen Schritt zurück und betrachtete die Wand prüfend. »Mir fällt da was auf«, begann er dann. »Also … findest du nicht, es wird langsam mal Zeit, dass da auch ein paar Katastrophen von uns hängen?«

      Mimi kniff die Augen zusammen. »Verdammt, du hast recht! Hier zum Beispiel, neben dem Foto von dem Großbrand, den Wombie ausgelöst hat, als er auf der Suche nach seinem Hasen eine Zapfsäule abgerissen hat. Da wäre noch Platz.«

      Tom nickte bedächtig. »Absolut. Genau da muss ein Foto hin, auf dem sich Hop-Tep an seinen eigenen Bandagen aus dem Fenster eines Museums abseilt.«

      »Mit ’nem Voodoo-Dolch in der Hand?«

      »Ganz genau.«

      Mimi kicherte. »Stimmt, so ein Bild müssen wir unbedingt schießen, damit wir es genau da hinhängen können. Ich sag den anderen Bescheid, dass wir uns zehn Minuten früher treffen, okay?«

      Tom grinste so breit, dass die Mundwinkel fast an seinen Ohrläppchen kitzelten. »Okay, Mimi.«

       Kapitel 6: Voodoo im Museum

      Tom hatte seinen Computer hochgefahren und alle um die beiden Bildschirme versammelt. Auf dem einen war eine Ansicht von oben des Essener Stadtteils Südviertel zu sehen. Der andere Bildschirm zeigte das Foto eines Dönerladens.

      Tom klickte mit der Maus auf das Bild und verschob die Straßenansicht nach rechts. Ein zweistöckiger Altbau mit zwei kleinen Balkonen wurde sichtbar.

      »Das ist es«, sagte Tom und deutete auf das Haus. »Also, zumindest ist das die Adresse von dem Museum, das Vlarad in dem Notizbuch genannt hat.«

      »Das sieht aber nicht so wirklich nach ’nem Museum aus«, ließ sich Mimi vernehmen.

      Doch Welf deutete auf eines der Fenster im Erdgeschoss. »Kann man das näher heranholen?«

      »Näher nicht, aber ich kann die virtuelle Kamera in der Street-View-Ansicht direkt vor dem Fenster platzieren«, antwortete Tom und tat genau das, bevor Welf fragen konnte, was er damit meinte. Mimi war die Einzige aus der Gruppe, die sich mit Computern, Games und dem Internet auskannte. Die anderen hielten entweder nicht viel oder, in Vlarads Fall, gar nichts von alldem oder ignorierten die Existenz all dieser Gerätschaften genauso konsequent wie alles andere auf diesem Planeten – außer einem ganz bestimmten, übel riechenden Stoffhasen.

      Tom las laut vor, was auf der weißen Tafel stand, die anstelle einer Scheibe in den Fensterrahmen eingepasst war: »SOA – Soul of Africa Museum! Tatsächlich, in diesem Haus ist ein Museum! Und laut der Internetseite gibt es dort tatsächlich einen kompletten, originalen Voodoo-Altar. Gespendet von Papa Joe – einem echten Voodoo-Priester aus den USA.«

      »Aus Amerika?«, fragte Mimi verwundert. »Ich dachte, Voodoo ist irgendwas Afrikanisches?«

      Hop-Tep schaltete sich telepathisch ein. Voodoo oder auch Vodun kommt in der Tat aus Westafrika. Die afrikanischen Sklaven brachten diese Religion mit aus ihrer Heimat, der man sie gewaltsam entrissen hatte.

      Tom scrollte durch die Bilder auf der Website des Museums und fand schließlich eines, auf dem man den Altar sehen konnte. »Okay, das sieht echt … abgefahren aus …«, murmelte er. Er war ja schon vor seiner Zeit als Besitzer einer Geisterbahn mit echten Untoten einiges an Grusel gewöhnt gewesen. In dem Online Game World of WerWizards gab es jede Menge Ghule, Goblins, Orks und andere Gestalten, gegen die er zusammen mit seiner Gilde angetreten war. Aber der Anblick dieses Altars hatte Tom einen kalten Schauer über den Rücken gejagt. Was ihn besonders frösteln ließ, waren die bunten Glasbehälter, in denen sich tatsächlich Köpfe von Plastikpüppchen befanden, wie man sie aus dem Spielzeugladen kannte. »Wozu braucht man denn bitte Püppchen im Glas?«, stieß Tom hervor, während er sich durch eine Serie von Detailaufnahmen des Altars klickte.

      Wieder antwortete Hop-Tep: Im Vergleich zu den Praktiken meines Vaters des Pharaos mutet das Abfüllen von Spielzeug in Flaschen eher harmlos an. Mein grausamer Vater hätte das Gleiche mit weniger leblosen Objekten getan, wenn er sich davon etwas versprochen hätte.

      Tom schluckte. »Der … war nicht so arg nett, dein Vater, was?«

      Du wählst das Mittel der Untertreibung, junger Freund, antwortete der ägyptische Prinz. Nicht ohne Grund entwendete ich ihm das Lazarus-Serum, wonach er sein Leben lang gesucht hatte, und schloss mich damit lebend in sein Grab ein.

      »Wow …«, machte Tom. Da hatte Hop-Tep doch glatt mal eben in einem Satz erzählt, wie und warum es dazu gekommen war, dass er als untote Mumie zwischen ihnen stand: Sein Vater hatte das Serum der Unsterblichkeit entdeckt, doch sein Sohn wollte verhindern, dass der grausame Pharao ewig leben würde, und sperrte sich darum selbst mitsamt dem Wundermittel in das Grab seines Vaters.

      Doch etwas an der Geschichte kam Tom komisch vor. »Ähm, aber sag mal, Hop-Tep, wozu hatte dein Vater denn ein Grab, wenn er eh vorhatte, ewig zu leben?«

      »Hmmff hmmff hmmff«, lachte die Mumie dumpf in ihre Bandagen hinein und antwortete dann wieder telepathisch: Mein Vater hatte für alle Fälle vorgesorgt. Ein Luxus, den wir uns nicht erlauben können, junger Freund.

      Die Mumie deutete auf den rechten der beiden Bildschirme, und Tom erkannte, dass es nun Zeit war, wieder zur eigentlichen Aufgabe zurückzukehren. »Du hast recht, Hop-Tep. Wir haben keine Zeit für einen zweiten Anlauf. Wenn wir den Voodoo-Dolch nicht gleich beim ersten Mal in die Finger bekommen, wird es verdammt schwierig. Wir haben dann nicht nur weniger Zeit für einen zweiten Versuch, sondern auch für die anderen beiden Dinger, die wir noch brauchen.«

      »Na, dann klappt es eben gleich beim ersten Mal«, raunte Welf entschlossen. »Schau mal, da.«

      Tom folgte Welfs Fingerzeig in Richtung des linken Monitors,