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Kämpfe gelten der Frage von Selbstveränderung, der Wiederentdeckung des eignen Standpunktes und der Herstellung einer ›Politik des Wir‹, also kollektiver Handlungsfähigkeit. Gegen die neoliberale Vereinzelung brauchen wir bewusste Zusammenschlüsse. Gegen die Gefangennahme der Begriffe in die neoliberale Agenda wollen wir auch Sprachpolitik entwickeln. Aus den täglichen Grenzüberschreitungen können wir alternative Erfahrungen schöpfen.

      Ein Hauptergebnis aus dieser internationalen Umfrage ist auch eine Lehre und ein Wegweiser: Ein möglicher Einschluss feministischer ­Dimensionen in ein linkes Programm wird weltweit als aufregend diskutiert. Diese Diskussion ist daher für sich selbst schon ein Politikum. Sie verändert das Klima um die Partei, gibt Feministinnen Auftrieb. Dass die Diskussion nicht abgeschlossen ist, dass keine Rezepte herauskommen, kann uns nicht entmutigen, sondern an die Arbeit setzen. Wie zum Beispiel nimmt man die notwendige Globalität eines aktuellen Feminismus in ein Programm? Oder die Notwendigkeit, gegen Gewalt und gegen alltäglichen Sexismus einzuschreiten? Wir brauchen eine Diskussionskultur, die es erlaubt, alle Fragen öffentlich zu erarbeiten und im internationalen Rahmen weiter zu bewegen. Dies ist selbst das Politische, das wir feministisch ins Programm bringen. Wir wollen nicht fertige Antworten auf einzelne nationale Punkte. Wir lernen aus dem Internationalismus der Arbeiterbewegung, der selbst eine große Kraft ist. Dies ist das Format, das wir anzielen. Es braucht Strukturen, in denen diese Diskussionen geführt werden können, Räume. Linker Feminismus ist ein Projekt, das von uns stets neu lebendig geschaffen wird, wozu wir beweglich dialektisch denken lernen müssen, alles stets in Veränderung begreifen und gerade dadurch handlungsfähiger werden.

      Frigga Haug, Los Quemados, 1. September 2010

      London, Großbritannien und Murcia, Spanien

      Dr. María José Balibrea Enriquez, Professorin für spanische Literatur und Kulturwissenschaft am Institut für Spanisch, Portugiesisch und Lateinamerika-Studien der University of London.

      Veröffentlichung: Tiempo de exilio: una mirada critica a la modernidad espanola desde el pensiamiento republicano en el exilio, Montesinos 2007.

      Einige grundsätzliche Voraussetzungen des linken Feminismus, wie ich ihn verstehe:

      • Linker Feminismus zielt auf strukturelle Veränderungen. Es geht darum, die Strukturen oder den Status quo der Frauenunterdrückung in der jeweiligen Gesellschaft zu erkennen und diese Strukturen entsprechend zu verändern, welche Form sie im jeweiligen Kontext auch immer annehmen. Weiter geht es darum, die erreichten Veränderungen zu erhalten und weiter voranzutreiben. Linker Feminismus ist daher eine »tiefgreifende« gesellschaftliche und politische Bewegung, nicht eine »oberflächliche« oder konjunkturelle.

      • Links-feministische Projekte sind einschließend, nicht ausschließend. Mit anderen Worten: Sie erkennen an, dass Unterdrückung komplex und niemals auf die Unterwerfung entlang einer Kategorie (in diesem Fall Geschlecht) beschränkt ist. Daher zielen sie darauf ab, ihre Kämpfe mit denen anderer zu verknüpfen (nicht, sie ihnen unterzuordnen), um eine Veränderung hin zu mehr Gerechtigkeit für alle Unterdrückten, nicht nur für Frauen, zu bewirken.

      • Die Ausgangsbedingungen für einen linken Feminismus hängen stark davon ab, über welchen Teil der Welt wir reden und wie es um Identitätsmerkmale wie Klasse, Ethnie und Religion von Frauen steht. Manche Frauen müssen noch für die Anerkennung grundlegender Gleichheitsrechte kämpfen, während andere Frauen seit Jahrzehnten zumindest nominell die institutionelle und gesellschaftliche Zuerkennung dieser Grundrechte genießen. So werden zum Beispiel ein Opferdiskurs und die Ablehnung von Lebensweisen als »falsches Bewusstsein«, wie sie für die erste Welle der Frauenbewegung charakteristisch waren, im aufgeklärten Kontext der sogenannten ›Ersten Welt‹ wahrscheinlich kontraproduktiv wirken, insbesondere bei den jungen Generationen, die unter Bedingungen von Gleichheit und Wahlmöglichkeit aufgewachsen sind, die für sie selbstverständlich und in ihrem Leben sehr real sind. Einen negativen Effekt könnte so ein feministischer Diskurs auch deshalb haben, weil er einer reaktionären puritanischen Politik in die Hände spielt, die Frauen weiterhin unterjochen möchte statt sie zu befreien. In anderen Zusammenhängen jedoch ist das Benennen der Viktimisierung von Frauen absolut notwendig, auch innerhalb jener im Kern aufgeklärten Länder: in der Arbeitswelt nämlich, im privaten Raum oder in der Lebenswelt marginalisierter, gefährdeter Bevölkerungsgruppen. So viel Differenziertheit und Aufmerksamkeit in der Analyse sind absolut notwendig für eine links-feministische Agenda, wenn sie Frauen auf breiter Front ansprechen will und nicht nur die üblichen weißen Mittelschichtsfrauen, die dem westlichen Feminismus den Weg bereitet haben.

      • Angesichts der Unmöglichkeit eines einzigen linken Feminismus, der für alle Frauen sprechen könnte, muss jedes realistische Konzept, das Feminismus als globales Projekt entwirft, in erster Linie als Rahmenpolitik gedacht werden. Diese Politik wird nur in dem Maße funktio­nieren, wie sie einen Dialog der Stimmen aus verschiedenen Ecken des feministischen Spektrums anstößt und in Gang hält.

      • Darüber hinaus braucht es dringend eine eingrenzende Bestimmung dessen, was einen linken Feminismus ausmacht. Das zu versäumen würde dem Relativismus in die Hände spielen und unter der Prämisse, Differenz zu respektieren, jegliche Frauenpolitik als feministisch und progressiv anerkennen.

      • Genauso ist zu begründen, warum es sinnvoll ist, von einem einzigen linken Feminismus statt einer Mehrzahl linker Feminismen zu sprechen. Linker Feminismus ist das Ergebnis einer globalisierten Welt, in der Handlungen nicht nur lokal, sondern über den ganzen Planeten hinweg Wirkung zeigen. Von einem linken Feminismus zu sprechen wurzelt in der Überzeugung, dass wir eine globale Koordinierung links-feministischer Forderungen anstreben müssen, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist. Mit anderen Worten: Linker Feminismus steht dafür, dass die Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten in die Diskussionen über das gemeinsame feministische Programm immer mit einbezogen werden. Linker Feminismus hält sich von den Täuschungen des liberalen Pluralismus fern, der zwar behauptet, die Positionen aller zu respektieren, dadurch aber alle zu Vereinzelung, Egoismus und Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen anderer verdammt. Mit dem Vorschlag, linken Feminismus als Rahmen zu begreifen (und nicht als Versuch, eine bestimmte Politik auf Kosten anderer durchzusetzen), möchten wir in allen ein Gefühl von »Teilhabe« an diesem Begriff erzeugen. Gemeinsam gerät uns die Präsenz der vielen nicht aus dem Blick.

      Als Spanierin möchte ich auf folgende besonderen Notwendigkeiten in Spanien hinweisen:

      • Eine Vertiefung der Gleichheit und Achtung von Frauen. Juristisch und politisch wurde in dieser Hinsicht viel erreicht, besonders in den vergangenen fünf Jahren unter der sozialdemokratischen Regierung von Rodríguez Zapatero. Doch vieles bleibt zu tun. Wirkliche Gleichheit kann paradoxerweise nur bei gleichzeitiger Anerkennung von Verschiedenheit entstehen. Der biologische Unterschied der Frau, ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, dient in Spanien nach wie vor dazu, die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt zu rechtfertigen. Diese weit verbreitete Praxis wird durch die gesetzlich geförderte neoliberale Einstellungspraxis unterstützt. In der Tat bleibt Mutterschaft der die Frauendiskriminierung strukturierende Faktor. Sexistische Praktiken gegen Frauen im gebärfähigen Alter reichen von unverhohlener Kündigung schwangerer Frauen in prekären ­Arbeitsverhältnissen bis zur subtileren Form der fehlenden Anerkennung der familiären Pflichten von Frauen. Dies entscheidet immer noch vollkommen, und zwar in negativer Richtung, über die Berufskarrieren von Frauen, die sich außerstande sehen, den von Männern geschaffenen und auf Männer zugeschnittenen Standards für ­Arbeitszeiten und -plätze zu genügen, es sei denn, sie verzichten auf andere Lebensinhalte. Weitere Gesetze und eine andere Wirtschaftsweise sind nötig, um die Rechte von Frauen am Arbeitsplatz effektiv und im vollen Sinne zu verteidigen und sie nicht dafür zu bestrafen, dass sie Zeit für reproduktive, soziale und gemeinschaftliche Aufgaben aufwenden. Dies sind wesentliche Tätigkeiten für die Aufrechterhaltung und das Wohlergehen jeder Gesellschaft, und sie sollten weder direkt noch indirekt unter Ausbeutungsbedingungen ausgeübt werden. Geschieht das doch, hat dies nicht nur Nachteile für