William Garner Sutherland

Das große Sutherland-Kompendium


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Zentren transmutiert. Die Nuclei der Hirnnerven werden auch von dieser Tide transmutiert, von der Batterie, die den ‚Saft‘ enthält, der aus den materiellen Elementen herausgefiltert wurde, derer sich der Mensch bedient. Sehen Sie all diese Dinge statisch daliegen wie bei einem Toten? Nein. Sie sehen sie in Inhalation und Exhalation, in mechanischer Funktion.

      Der lebende menschliche Körper ist ein Mechanismus, der nicht nur aus den Gelenken zwischen den Knochen besteht, sondern auch aus dem Fluss des Blutes in den Arterien und Venen, dem feinen Mechanismus, der als Lymphsystem bekannt ist, den weichen Geweben, den Eingeweiden und jenem großen hydraulischen System, der Zerebrospinalen Flüssigkeit.

      Das Zentrale Nervensystem ist nicht nur ein Netzwerk, das Nervenimpulse weiterleitet, sondern es ist auch eine Struktur, welche die physiologische Funktion der Motilität ausdrückt31. Es gibt Bahnen, die durch den Boden des vierten Ventrikels verlaufen. Innen, außen und in den Wänden bewegt es sich – in jenen gebogenen Wänden und in den Pedunculi und Bahnen, die zum Cerebellum hinauf verlaufen. Stellen Sie sich die Seitenwände des Neuralrohrs bildlich vor, sie besitzen sowohl Motilität als auch die Funktion, motorische Impulse übertragen zu können.

      Visualisieren Sie nun die Formveränderung des Neuralrohrs innerhalb des Neurocranium und des Rückenmarkskanals, die ich als Inhalation und Exhalation bezeichne. Bedenken Sie zum Beispiel, wie sich das Rückenmark während der Inhalation hochzieht wie der Schwanz einer Kaulquappe und während der Exhalation wieder herunterkommt. Sie können einen Mechanismus erkennen, der die ganze Zeit über mit der gelenkigen Beweglichkeit des knöchernen Mechanismus zusammenarbeitet.

      Als Nächstes möchte ich, dass Sie den Aufbau des Cerebellum im Gegensatz zum Cerebrum kennenlernen. Sehen Sie sich den Cortex cerebelli an, weit entfernt von Nervenbahnen, mit Zellen, die dort wie Antennen aufgestellt sind, so wie die Antennen, die einige Käfer vor sich ausstrecken. Dort oben im Kortex des Cerebellum gibt es keine Nervenkerne. Wenn man die Zellen von dort oben unter dem Mikroskop betrachtet, sieht man, dass sie den Zellen der Nervenkerne nicht gleichen. Man kann sehen, wie sie sich bewegen und zucken wie Zilien, nicht wie von Menschen gemachte Mechanismen.

      Ich beginne etwas dort oben zu sehen – vielleicht eine Radiostation? Wir kennen die langen Wellen, die Nachrichten übertragen, und die Antennen, die von unseren Häusern oder Scheunen aus senden und empfangen, und die Empfangsgeräte, mit denen wir Sendungen auswählen können. Haben wir hier eine Anleitung für diese von Menschen gemachten Geräte vor uns?

      Ich möchte, dass Sie sich die Motilität im Cerebellum vorstellen. Es ist dem Blasebalg vergleichbar, den ein Schmied verwendet, um sein Feuer anzufachen. Während der Inhalation hat es eine Form, während der Exhalation eine andere. Motilität, nicht Mobilität, ist dafür verantwortlich. Folgen Sie jenen kleinen, in Schichten aufgebauten Bahnen, die Pedunculi genannt werden. Sie sehen, wie sie das Rückenmark hinunter verlaufen, unterhalb der Pons und um sie herum herum, um den vierten Ventrikel herum und hinauf entlang dem Mesencephalon bis zu den Verbindungen mit der Epiphyse.

      Stellen Sie sich vor, dass meine ausgestreckten Arme jeweils einen der Pedunculi des Cerebellum (Brachium pontis) darstellen. Die Pons befindet sich in meinen Fingern; meine Ellbogen können eine Kontraktion des vierten Ventrikels verursachen; dann kann ich sie lockern und er erweitert sich wieder.

      Hier im Primären Atemmechanismus haben wir eine Motilität, die sich kontrahieren kann. Nehmen Sie diese Motilität wahr, die getrennt ist von der Bewegung, die mit dem Hin-und-her-Fließen des Blutes zusammenhängt. Das ist auch eine physiologische Bewegung. Chirurgen sehen die Bewegungen des lebenden Gehirns, die mit dem Blutfluss zusammenhängen; davon spreche ich aber nicht.

      Ich spreche über eine physiologische Motilität – über die Bahnen, die sich dort drinnen bewegen und auch über die Bewegungen der Gehirnwindungen. Zusätzlich zu ihrer Funktion der Weiterleitung von Nervenimpulsen besitzen die Bahnen Motilität.

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      Nehmen Sie zum Beispiel den Aquaeductus cerebri; Sie sehen, dass es sich nicht um ein hohles, unbewegliches Rohr handelt. Achten Sie auf die Aktivität seiner Wände. Er kann seine Form verändern und damit der Zerebrospinalen Flüssigkeit erlauben, hindurchzufließen. Betrachten Sie andere Bahnen und die Gehirnwindungen mit ihren lokalen Verbindungen. Sie können sich über den Mechanismus viele Gedanken machen, ohne auf Grenzen zu stoßen.

      Am Dach des dritten Ventrikels, an der Verbindung des Mesencephalon mit dem Diencephalon, befindet sich ein kleines Ding, das Epiphyse genannt wird. Verschiedene Namen und Funktionen werden ihm zugesagt, aber dass es sich um ein materielles Ding an einem bestimmten Ort handelt, an welchem es eine mechanische Funktion haben kann, wird nicht erwähnt. Wenn ich sie mir so ansehe, sehe ich einen kleinen Zapfen mit einem Stamm. Sie besitzt eine Nische, die sich zum dritten Ventrikel hin öffnet. Wenn Sie sich innerhalb des dritten Ventrikels vorstellen, können Sie die Epiphyse oben auf dem Dach sehen.

      Es herrscht die gleiche Situation wie unten, wo das Infundibulum durch das Diaphragma sellae hindurch zur Innenseite des hinteren Lobus der Hypophyse (der Neurohypophyse) verläuft.

      Hypophyse und Epiphyse haben sowohl eine Außenseite als auch eine Innenseite. Ihre Innenseite ist die Innenseite des Neuralrohrs, und direkt mit dem dritten Ventrikel verbunden. Die Außenseite der Epiphyse liegt in der Cisterna subarachnoidea, die sich in der großen Querfurche des Gehirns befindet. Diese wird Cisterna superior genannt. Die Vena magna verläuft auch dort, bevor sie in den Sinus rectus eintritt. Der kleine Zapfen befindet sich genau über den Colliculi superiores auf dem Dach des Mesencephalon. Er kann sich bewegen, wenn sich das dritte Ventrikel bei Inhalation zu seiner V–Form erweitert und bei Exhalation wieder ein schmaler Spalt wird. Das bedeutet, dass sich die Epiphyse durch die Motilität des Neuralrohrs locker hin und her bewegen kann. Beim lebenden Menschen findet man ein anderes Bild vor als bei einer Leiche.

      Ich möchte, dass Sie verstehen, wie dieser Zapfen, die gesamte Außenseite der Epiphyse, locker herunterhängt auf die Colliculi superiores, sodass die Position bei einer Leiche nicht die gleiche ist wie die in einem lebendigen Gehirn, wenn sich das Dach des dritten Ventrikels während der Inhalation weitet. Bei der Reise der Elritze stelle ich fest, dass der kleine Fisch, wenn er in den dritten Ventrikel schwimmt, die Nische der Epiphyse finden und hineinblasen kann (siehe Kapitel 17).

      Am Dach des dritten Ventrikels gibt es einen Plexus choroideus mit der Tela choroidea. Dieser liegt an der Außenseite des Neuralrohrs. Zwischen diesem und der Innenseite des dritten Ventrikels gibt es einen Vorhang. Manche sagen, dass die Zerebrospinale Flüssigkeit dort produziert wird. Wenn man jedoch einen Toten untersucht, sieht man, dass dort dieser Plexus choroideus völlig zusammengedrückt ist.

      Bei bestimmten Experimenten fand ich heraus, dass während der Inhalation eine Veränderung in den Wänden und im Dach des dritten Ventrikels stattfindet. Diese Veränderung besteht darin, dass sich das Dach weitet, während der Ventrikel die Form eines V annimmt. Der dortige Austauschprozess könnte eine kleine Prozedur sein, die derjenigen der Nieren ähnelt, in welcher auch ein Austausch zwischen den Körperflüssigkeiten stattfindet.

      In den Plexi choroidei erfolgt ein Austausch zwischen Blut und Zerebrospinaler Flüssigkeit, keine Produktion von Flüssigkeit. Es wäre schwierig, wenn wir die Flüssigkeiten des Gehirns durch solch einen Prozess wieder auffüllen müssten. Es handelt sich hier um eine Prozedur des Austausches zwischen allen Flüssigkeiten des Körpers. Wenn Sie etwas der Zerebrospinalen Flüssigkeit hinzufügen, werden Sie es später im Blut wiederfinden.

      Das Dach des Diencephalon wird zum großen Teil durch eine ependymale Schicht gebildet, die übergangslos übergeht in diejenige, die den übrigen Teil des dritten Ventrikels auskleidet. Diese ependymale Schicht ist eng verbunden mit der darüberliegenden vaskulären Pia mater.

      Im kaudalen Anteil des Daches und in den angrenzenden seitlichen Wänden des Diencephalon befinden sich die Nuclei habenularum und ihre Commissura, die Epiphyse oder Zirbeldrüse, und die Commissura posterior. Sie alle zusammen bilden den Epithalamus. Die Commissurae habenularum und posteriores kreuzen die