William Garner Sutherland

Das große Sutherland-Kompendium


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I–1). Dies liegt daran, dass sich alles in die Richtung bewegt, die auch die Flexionsposition an der sphenobasilaren Verbindung verursacht.

      Beobachten Sie, wie diese Spannung das Sakrum am anderen Ende anhebt. Dann, wenn sich das Rad des Os occipitale zurück in die Extensionsposition dreht, bewegt sich das Foramen magnum zurück und lässt das Sakrum in seine Extensionsposition absinken. Stellen Sie sich den ganzen Weg entlang – den Proc. basilaris, den Proc. jugularis, und so weiter – die Speichen an einem Rad vor. Beachten Sie die unterschiedlichen Höhen während der Inhalations- und der Exhalationsposition.

      Die Funktion der Reziproken Spannungsmembran ist ein weiteres Prinzip des Primären Atemmechanismus. Die Befestigung an den Knochen ist dabei nicht der springende Punkt. Diese entspricht der Befestigung von Bändern an den Knochen eines Synovialgelenkes. Die Spannung liegt dazwischen, so wie ich es bei der Beschreibung des Fulkrum – des sich automatisch verändernden, schwebenden Fulkrum – erklärt habe.

      5. DIE MOTILITÄT DES NEURALROHRS

      Mit der Analyse des dritten Prinzips des Primären Atemmechanismus kommen wir zu einem Thema, das in einer einzigen Vorlesung nicht ausreichend behandelt werden kann. Die Motilität des Neuralrohrs, das heißt die Motilität von Gehirn und Rückenmark, ist jedoch eine wichtige Aktivität des lebendigen Körpers. Wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, ist es sinnvoll, mit der Entwicklung des Embryos zu beginnen. Die Entwicklung des Neuralrohrs beginnt beim Embryo sehr früh.

      Sobald eine Keimplatte mit Ektoderm, Mesoderm und Endoderm angelegt ist, wird das Ektoderm zum Entwicklungsfeld für das Nervensystem und die Haut. Zuerst erscheint entlang der Mitte ein verdicktes, flaches Band. Dieses Band bildet dann Schichten heraus, und die seitlichen Ränder wachsen schneller als der zentrale Bereich. Das Ergebnis dieses ungleichen Wachstums ist die Bildung der neuralen Rinne. Die Rinne selbst wird auf jeder Seite durch eine erhöhte neurale Falte begrenzt. Während sich die Rinne vertieft, treffen die neuralen Falten aufeinander und verschmelzen dorsal. Dieses Stadium etabliert das Neuralrohr. Bei Beendigung dieses Prozesses liegt das Rohr unterhalb der Oberfläche des Ektoderms und separat. Der neurale Kamm teilt sich und kommt in einer dorsolateralen Position zu liegen. Die Ganglionzellen sowohl der Gehirn- als auch der Rückenmarksganglien gehen aus dem neuralen Kamm hervor.

      Das primitive Neuralrohr bildet sich durch die Faltung der neuralen Rinne zu einem Epithelrohr.

      Die Rinne beginnt sich an der Mitte des Körpers sehr bald zu bedecken und schließt sich dann fortschreitend in beide Richtungen. Das kaudale Ende verschließt sich kurz nach dem rostralen Ende; und in dieser Zeit ist dann die Bildung des Neuralrohrs vollendet. Die drei primären Gehirnbläschen (Prosencephalon, Mesencephalon und Rhombencephalon) werden durch die Schließung und Vergrößerung des rostralen Endes gebildet. Das Neuralrohr unterhalb dieser Bereiche besitzt einen kleineren Durchmesser und wird zum Rückenmark.

      In diesem frühen Stadium kann das gesamte Neuralrohr durch konzentrische Ringe und Längsstreifen analysiert werden. Die primitiven Vorder- und Rückwände sind von ihrer Struktur her primär ependymal und tragen nicht zur Verdickung der seitlichen Wände bei. Sie werden zur Boden- und zur Deckenplatte. Der Sulcus limitans markiert die Teilung in die sensorische rückseitige Platte und die motorische vordere oder Basisplatte.

      Während sich das Neuralrohr in diese grundlegenden Anlagen des Zentralen Nervensystems formt, verdichtet sich das umgebende Mesenchym und wird zur äußeren Decke des Gehirns und des Rückenmarks. Dies sind die Meningen und das knöcherne Neurocranium.

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      Die Dura mater ist eine harte, aus Fasern bestehende, umschließende Membran direkt unter dem knöchernen Schädel. Die Membrana arachnoidea bedeckt die vielen Spalten des Gehirns. Die Pia mater legt sich in einer festen Verbindung an jede Unregelmäßigkeit der Oberfläche des Gehirns.

      Auf der Oberfläche des Gehirns gibt es Hügel und Täler, die als Gyri und Sulci bezeichnet werden. Die Zerebrospinale Flüssigkeit verteilt sich an der Außenseite des Neuralrohrs unterhalb der Membrana arachnoidea im Spatium subarachnoidale. Innerhalb des Neuralrohrs ist sie im Rohrlumen und in den Ventrikeln vorhanden.

      Wenn sich das Neuralrohr entwickelt hat und innerhalb des Schädels angelegt ist, hat es zwei Hemisphären und in jeder Hemisphäre vier Lobi. Diese sind wie voneinander getrennte Kontinente, die durch drei Fissuren abgegrenzt werden. Es ist hilfreich, sich diese Gehirngeographie im Gedächtnis zu behalten, solange man nicht vergisst, dass diese Landkarte nicht das Land selbst ist.28

      Unterhalb der Großhirnhemisphären befindet sich der Truncus cerebri und das Rückenmark. Das Cerebellum liegt oberhalb jener Teile des Truncus cerebri, die Pons und Medulla oblongata genannt werden. Die Medulla oblongata befindet sich gerade noch innerhalb des Schädels dort am Foramen magnum, wo sich das Rückenmark an seiner Eintrittsstelle erweitert.29 Dort sind die Kontrollzentren lokalisiert, die den Blutdruck, die Herzfrequenz, das Schlucken, Erbrechen, die Atmung, Sprechen und Singen regulieren. Die kleinste Abteilung des Truncus cerebri ist das Mesencephalon, welches oberhalb der Pons liegt und mit dem Diencephalon verbunden ist, dem ersten Anteil des Prosencephalons.

      Mit dieser kurzen Übersicht richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die physiologischen Zentren am Boden des vierten Ventrikels, in jener Schlüsselzone (dem ‚magischen Zentimeter‘) der Medulla oblongata. Das Atemzentrum hier ist von primärer Bedeutung für das Diaphragma und die Physiologie von Herz und Lunge. Ich bewies dies zu meiner eigenen Zufriedenheit an meinem eigenen Körper. Es war klar, dass die Zentren am Boden des vierten Ventrikels von primärer Bedeutung sind, und dass die Funktion von Diaphragma, Herz und Lunge sekundär ist.

      Innerhalb des Truncus cerebri werden der dritte und der vierte Ventrikel durch den Aquaeductus cerebri im Mesencephalon verbunden. Der Canalis centralis des Rückenmarks liegt unterhalb des vierten Ventrikels, der ein ziemlich geräumiger kleiner Ventrikel mit offenen Türen in den Wänden ist. Es befindet sich auch eine ganze Menge Zerebrospinale Flüssigkeit darin. Am Boden verteilt und daneben befinden sich die Nuclei des dritten bis zum XIII. Hirnnerven. Diese sind für Funktionen zuständig, ohne die wir nicht leben könnten. Die Medulla oblongata und die Pons bilden den Boden des vierten Ventrikels.

      Der vierte Ventrikel hat ein Dach und das Cerebellum liegt darüber. All diese Bereiche füllen die Fossa cranii posterior unterhalb des Tentorium cerebelli. Das Mesencephalon liegt in der Einbuchtung des Zelts und genau oberhalb der sphenobasilaren Verbindung auf dem Clivus der knöchernen Schädelbasis.

      Die offenen Türen in den Wänden des vierten Ventrikels lassen eine Verbindung zu zwischen der innen befindlichen Zerebrospinalen Flüssigkeit – der ventrikulären – und der außerhalb verteilten Flüssigkeit – der subarachnoidalen.

      Die Ansammlung von Flüssigkeit in den Spatia subarachnoidea unterhalb des Gehirns wird Cisterna basalis genannt, die um den Truncus cerebri herum Cisterna magna. John Hilton nannte diese Cisternae das ‚Wasserbett‘, auf dem das Gehirn ruht.

      In der Tat ruhen die zentralen Teile der Gehirnbasis nicht auf den Knochen des Schädels, sondern auf dieser Ansammlung Zerebrospinaler Flüssigkeit, die ein wunderschönes, wirkungsvolles und perfekt angepasstes Wasserbett für sie bildet.30

      Gehirn und Rückenmark sind von ihrer Konsistenz her wie weicher Pudding. Das gesamte Neuralrohr wird zum Schutz von Zerebrospinaler Flüssigkeit umgeben, sowohl innen als auch außen. Dieser gesamte Komplex, der in die Leptomeninx eingehüllt ist (Membrana arachnoidea – Pia mater), lebt innerhalb des knöchernen Neurocranium, welches sich aus Knochen bildet, die durch die Dura mater und ihre Spezialisierungen, die Falx cerebri und das Tentorium cerebelli zusammengehalten werden. Bei der Geburt ähnelt der gesamte Schädel einem Ei mit weicher Schale, denn es gibt zwischen den Knochen keine Gelenke außer jenem einen zwischen Atlas und Os occipitale.

      Durch die Funktionen des Primären Atemmechanismus hängen die physiologischen Zentren in der Medulla mit der sekundären Physiologie des lebenden menschlichen