dass am rechten Fuß mehrere Fußwurzelknochen gebrochen waren. Die Brüche wurden zunächst von fachkundigen Orthopäden versorgt und nach gebührender Zeit berichtete der Radiologe, dass Heilung und Ausrichtung gut verliefen. Dennoch war es für den Patienten einfach weiterhin viel zu schmerzvoll, den Fuß zu belasten. Schambein, Iliosakral- und Lumbosakralgelenke wurden „korrigiert”, aber der Patient konnte immer noch nicht gehen. Eine Osteopathin übte mit ihren Händen einen ganz sanften Zug auf den Fuß aus. Innerhalb weniger Sekunden rotierte und entwirrte sich der Fuß, kurz darauf folgten der Unterschenkel im Kniebereich und schließlich das gesamte Bein ab dem Hüftgelenk. Schließlich beruhigte sich das Bein nach einem bemerkenswerten Spektrum spontaner Bewegungen. Eine ähnlich spontane Entwirrung trat auch in der anderen unteren Extremität auf, bis auch dieses sich beruhigte. Seit dieser Erfahrung im Jahre 1957 geht der Patient schmerzfrei. Diese Art von Aktivität ist die Basis für eine akkurate strukturelle Korrektur der artikulären, membranösen, ligamentären und Faszien-Strains, an welcher Stelle sie auch auftreten mögen. Die Korrektur ist akkurat, da die Veränderung, der Normalisierungsprozess, von den inneren Kräften her erzielt wird und nicht durch äußere Kraftanwendungen geschieht. Solange irgendein Strain besteht, werden diese Kräfte sich weiterhin in Form von Bewegung manifestieren, ebenso wie sich das verwickelte Telefonkabel solange entwirrt, bis eine perfekte Balance vorliegt.
Es gibt zwei Ausdrucksformen für diese spontane Bewegung. Während sie von außen her relativ unterschiedlich erscheinen, kann man bei näherer Untersuchung feststellen, dass sie sich grundsätzlich entsprechen. Wir haben bereits die sichtbare Bewegung einer Extremität erwähnt. Diese Art der Entwirrung kann bei jedem Gelenk oder allen Gelenkgruppen stattfinden, etwa an Kopf und Nacken, Regionen oder Segmenten der Wirbelsäule, Phalangealgelenken oder einer Extremität und sogar am gesamten Körper. In allen Fällen liegen die Vermittlungsstrukturen für Bewegung, die Muskeln, Ligamente und Faszien, an der Außenseite der ossären Strukturen. Die zweite Manifestation dieser spontanen Bewegung geschieht innerhalb des Kraniosakralen Mechanismus. Diese Bewegung ist nicht als aktive Bewegung eines Teils in Relation zu einem anderen sichtbar, von einem geübten Osteopathen dennoch leicht zu palpieren. Sie repräsentiert eine Bewegung, die von inneren membranösen Systemen angetrieben wird, etwa der Falx cerebri, dem Tentorium, der Falx cerebelli, der spinalen Dura mater mit ihren verschiedenen Ausläufern. Nun bestehen aber Verbindungen zwischen den inneren und den äußeren Vermittlungsstrukturen, sodass häufig nach außen hin sichtbare Bewegungen in der Peripherie produziert werden, während im Innen der Release der Strain-Muster stattfindet.
Die Technik, um diese Kraft nutzbar zu machen und sie zum Einsatz bringen, ist für alle Körperregionen grundlegend die gleiche. Der Behandler sollte sich zunächst auf den Patienten einstimmen, sodass die inhärente innere Motilität des Patienten untersucht und analysiert werden kann. Anschließend sollte er diese Bewegung in Richtung der Barriere begleiten, in die es sich am leichtesten bewegt und dort sanft, aber bestimmt einschränken. Nach und nach wird die Motivation einer anderen Bewegungsrichtung spürbar, ein innerer Impetus, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Der Maschinist geht mit ihm mit, ohne ihn einzuschränken bzw. zu lenken. Dies kann in Abhängigkeit von der Komplexität des beteiligten Läsionsmusters von ein paar Sekunden bis zu 15 Minuten oder sogar darüber hinaus weitergehen. Nicht selten wird ein Teil des Körpers durch ein Bewegungsspektrum hindurchgetragen, das weit über das Spektrum der freiwillig ausgeführten Bewegung hinausgeht. Die Bewegung kann einen schmerzvollen Bogen erreichen, aber die Bewegung wird weitergehen, insofern der Patient in der Lage ist eine freiwillige Muskelspannung zu inhibieren, bis hin zu einer inneren Balance bei dem die inhärenten Kräfte wieder durch einem einfachen, sanften Rhythmus, ohne irgendeine Dominanz einer direktionalen Kraft über eine andere repräsentiert werden. Diese Bewegung kann sowohl innerhalb des Kranialen Mechanismus als auch in distalen Körperregionen beobachtet werden. Die Bewegung innerhalb des Kranium kann spontane Bewegungen in anderen Körperregionen aktivieren und beide werden solange weiterlaufen, bis der besagte Balancepunkt bzw. eine „Balancierte Spannung“ aufgebaut ist. Derartige Bewegungen können selbst bei gelähmten Extremitäten eines Hemiplegikers nach Apoplex auftreten. Sie entstehen nicht in einer aufgrund Poliomyelitis gelähmten Extremität. Derartige Beobachtungen werfen viele Fragen auf, welche die Autorin an dieser Stelle nicht beantworten kann. Wie Dr. Sutherland feststellte, kann man sagen, dass die innere „unfehlbare Potency” eine inhärente Motilität bewirkt, um eine mechanische Homöostase einzurichten und aufrechtzuerhalten.
Die Begriffe „Balancierte Spannung“ und „Balance“ implizieren nicht notwendigerweise Normalität oder die Vervollständigung des Korrekturprozesses. Sie weisen jedoch auf eine Vervollständigung dieser speziellen Phase des Prozesses hin. In der darauf folgenden Phase wird das Gesamtmuster des Körpers die stattgefundene Veränderung reflektieren. „Ausbalancierte Membranspannung” kann als „der präzise Punkt im Bewegungsspektrum der kranialen Gelenkmechanismen, an dem die einwirkende Spannung in alle Richtungen ausbalanciert wird“ beschrieben. Die Definition kann erweitert werden, um alle Anhänge der Dura mater und die Strukturen der Faszien im gesamten Körper einzuschließen. Dieses Funktionskontinuum der membranösen und faszialen Schichten ermöglicht dem Osteopath die Untersuchung einer Körperregion, um sich Gewissheit darüber zu verschaffen, in welchem dynamischen Zustand sich der gesamte Mechanismus befindet. Darüber hinaus kann der Osteopath durch Aktivierung der inneren Kräfte dem Mechanismus ermöglichen, einen Zustand von Harmonie, Rhythmus und Balance herzustellen.
C. Inhärente Kräfte und deren Release
Der Kraniale Rhythmische Impuls repräsentiert einen sehr feinen Indikator der Vitalität bzw. die Fähigkeit des Patienten zur Regeneration. Der Begriff „Vitalität“ wird bewusst gewählt.
Zwar fehlt eine physiologische Definition für ihn, dennoch ist es ein spezifischer Begriff bezogen auf die Lebensfähigkeit innerhalb eines bestimmten Organismus. Er sollte nicht mit der Messung einer organischen Erkrankung oder Schädigung verwechselt werden. In der Tat kann die Vitalität stark sein, wenn eine organische Erkrankung komplex ist, oder sie kann sich auf dem Tiefpunkt befinden, wenn eine geringe oder gar keine organische Erkrankung festgestellt wird. Dies könnte es erklären, warum es diejenigen gibt, die einerseits unter kleineren Verletzungen leiden, wohingegen andere ein schweres Trauma überleben. Ein Beispiel dafür liefert ein 17-jähriges Mädchen, das durch Zerebralparese teilweise verkrüppelt ist und sich dennoch hoch intelligent, sensitiv, bewusst und fleißig zeigt. Die Situation zu Hause ist etwas unglücklich, der Vater ist tyrannisch, gleichzeitig unaufmerksam, überfürsorglich und dennoch ohne Verständnis für die ehrgeizigen Bestrebungen und den inneren Antrieb seiner Tochter. Eine lebenslange Prädisposition zu Atemwegs-Infektionen führt bei ihr häufig zu Verschlimmerungen, insbesondere unter emotionalem oder mentalem Stress. Geht emotionaler Stress einem solchen physischen Zusammenbruch voraus, liegt meist ein schwacher schwer feststellbarer rhythmischer Impuls vor. Der Wert ändert sich nicht signifikant, aber der Untersucher fühlt diese Bewegung in erster Linie als eine nach außen gehende Bewegung anstatt der normalen schwankenden Bewegung. Bei dieser speziellen Patientin kann der schwache rhythmische Impuls mehrere Tage festgestellt werden, bevor sich körperliche Symptome manifestieren. Andererseits wurde während einiger ernsthafter Lungeninfektionen ein starker selbsterhaltender, rhythmischer Impuls festgestellt und der Erholungsprozess schritt rasch voran.
Dabei handelt es sich um keinen Einzelfall. Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei einem energetisch schwachen Befund ein nach außen gehender rhythmischer Impuls als Warnung betrachtet werden kann. Sobald die Bewegung umgedreht wird und das Energiedepot „wieder aufgeladen” ist, kann sehr bald eine drastische Verbesserung festgestellt werden.
Traumatische Erfahrungen, die unter dem Sammelbegriff „Schleudertrauma“ zusammengefasst werden, bringen ebenso tiefe Änderungen der inneren Energiemuster mit sich. R. E. Becker20 beschreibt in seiner Darstellung des Schleudertraumas die Wirkungen plötzlicher Änderungen des Momentums, dem der Körper unterliegt, wenn bei einem Verkehrsunfall ein Auto von hinten, vorne oder seitlich beschädigt wird. Die Geschwindigkeit des sich bewegenden Fahrzeugs während des Aufpralls liefert jene Energiemenge, die dem Körper plötzlich zugeführt wurde. Darüber hinaus „wirkte bei diesen Menschen ein Kraftbogen auf deren Gesamtmechanismus, Faszienschichten, spinale