ganz schön clever …«
Der Staatsanwalt nickte und sagte zum Kommissar: »Herr Granow, Sie wissen, was nun zu tun ist. Ich hoffe, dass Ihre Kommission die Sache bald aufklären kann. Es wird nicht lange dauern, dann haben wir die Medien am Hals.«
***
Gunnar Granow und Theresa Marotzke hatten sich zusammengesetzt, um die Lage zu besprechen. Der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war klar: Jemand hatte vor oder während des schweren Gewitters Verena Löwe erschlagen und dann einen Unfalltod durch Blitzschlag vorgetäuscht. Granow überlegte. »Um weiterzukommen, müssen wir erst mal die Frage klären, ob die Löwe am Fundort ihres Leichnams oder woanders erschlagen worden ist.« »Fahren wir doch mit den Kollegen von der Spurensicherung noch einmal nach Moorlake raus!«, schlug Theresa Marotzke sogleich vor. Das taten sie dann auch. Doch als es Mittag geworden war, konnte Granow nur seufzend mit dem Kopf schütteln, denn man hatte nicht die geringste Spur eines vorangegangenen Kampfes gefunden.
»Na juti, dann klappern wa ma alle ab, die et jewesen sein könnten«, sagte Theresa Marotzke.
»Am besten fangen wir mit diesem Radfahrer an.«
Den hatte man inzwischen aufgrund verschiedener Zeugenaussagen ermitteln können, und die Kollegen hatten auch schon eine Menge Material zusammengetragen: Moritz Massanz, so hieß der Radfahrer, hatte mehrere Vorstrafen vorzuweisen, vor allem Rohheitsdelikte und Betäubungsmittelmissbrauch, war alleinstehend und gelegentlich auch als Fahrradkurier oder Türsteher in Nachtclubs tätig. Er war wohnhaft in Friedrichshain-Kreuzberg, in der Ebertystraße.
Granow und Marotzke fuhren zu Massanz, und als sie an dessen Wohnungstür klingelten, kam ihnen ein junger Mann entgegen, den Schädel kahl rasiert und das linke Ohrläppchen mehrfach gepierct. Beinahe hätte der Kommissar ausgerufen: »Mensch, das ist er!« Er hatte viele Feindbilder, und Leute wie Massanz gehörten definitiv zu ihnen.
Die Kriminalkommissare wiesen sich aus, und Granow erklärte dem Verdächtigen, dass sie in der Mordsache Verena Löwe ermittelten. »Dürfen wir mal zu einer kleinen Unterredung eintreten?«, fragte er.
Massanz musterte erst Granow feindselig, schaute dann aber wohlwollend zu der jungen Kriminalassistentin und sagte: »Na jut, komm Se rin!«
An der einen Wand seines Wohnzimmers hingen ein gutes Dutzend Gotcha-Gewehre, davor stand ein weißes Rennrad.
»Wir wissen, dass Sie mit diesem Rad auch zur Zeit des großen Gewitters letzten Sonnabend unterwegs waren, unten an der Glienicker Brücke.« Granow wollte schnell zur Sache kommen. »Sie haben dabei eine Joggerin angesprochen und …«
»Klar, das war Verena. Warum sollte ick nich? Wir sind mal zusammen in eene Klasse jejangen, und da war ick vaknallt in sie. Dann musste ick ’ne Ehrenrunde drehen, und da hab ick sie aus’n Augen verloren.«
»Und nun haben Sie sie beim Joggen bedrängt und wollten ein Treffen mit ihr erzwingen?«, wollte Theresa Marotzke wissen.
»Ich habe sie überhaupt nicht bedrängt!«, gab Massanz leicht verärgert zurück. »Und nach einem Date zu fragen ist ja wohl nicht verboten, oder?«
»Sind Sie abgewiesen worden?«, hakte Granow nach.
»Ja und? Da bin ick denn weita.«
Theresa Marotzke sah ihn scharf an. »Haben Sie dafür Zeugen?«
»Weeß ick nich. Ick bin nach Potsdam und hab ma da in eem Hausflur untajastellt.«
Mehr war aus ihm nicht herauszuholen, und Granow war sich sicher, dass sie bei ihm auch auf Granit beißen würden, wenn sie ihn in die Keithstraße holten und die ganze Nacht über verhörten.
»Knöpfen wir uns also den Ehemann der Löwe vor!«, sagte Theresa Marotzke.
Sie fuhren quer durch die Stadt nach Wannsee, wo an der Straße Am Heidesaum Löwes Villa stand.
Granow fielen einige Zeilen eines Gedichtes von Theodor Fontane ein, das er einmal als junger Schüler hatte auswendig lernen müssen. »Am Waldessaume träumt die Föhre, / Am Himmel weiße Wölkchen nur …«
Theresa Marotzke klatschte in die Hände. »Jut, du! Wenn se dich bei der Kripo mal rausschmeißen, kannste ooch zu Deutschlandradio Kultur gehen. Ick kenne keinen Heidesaum, dafür aber den Heidesand …«
»Was ist denn das?«
»Das sind wunderbare Plätzchen. Kann ick aba nich backen, det macht allet meine Frau.«
»Meine leider nicht«, sagte Granow. »Die sitzt lieber in der Oper, als dass sie am Backofen steht.«
Der Makler Löwe hatte nun so gar nichts an sich, was an den König der Tiere denken ließ. Vielmehr erinnerte sein Gesicht Granow an ein Pferd. Allerdings wirkte er ebenso charmant wie redegewandt.
Es war schwülwarm an diesem Sommertag, und Granow hätte sich gern auf die Terrasse gesetzt, doch Löwe versperrte ihm den Weg nach draußen und führte ihn und seine Kollegin ins Wohnzimmer. »Bitte haben Sie Verständnis … Das nächste Gewitter liegt in der Luft, und nach dem, was meiner armen Frau passiert ist, ertrage ich es nicht mehr, die Blitze zu sehen.« Er zeigte auf seine Sitzecke. »Wenn Sie bitte hier Platz nehmen würden … Darf ich Ihnen etwas anbieten?« Und schon holte er aus der Küche drei Gläser und eine Flasche Mineralwasser. »So ganz genau habe ich nicht verstanden, was Sie zu mir führt …«
Granow zögerte, direkt zu werden. »Nun … Sagen Sie, Herr Löwe, war Ihre Frau allein, als sie zum Joggen in den Wald gegangen ist?«
»Ja, warum?«
»Wir haben jetzt das rechtsmedizinische Gutachten vorliegen, und danach ist Ihre Frau nicht von einem Blitz getroffen worden.« Granow suchte nach den passenden Worten. »Es tut mir leid, Ihnen dies sagen zu müssen, aber Ihre Frau ist wohl von einem Unbekannten mit einem länglichen Gegenstand erschlagen worden. Jedenfalls hat sie schwere Schädel-Hirn-Verletzungen erlitten, die zu ihrem Tod geführt haben.«
Löwe sprang auf. »Das darf doch nicht wahr sein!«
Theresa Marotzke fixierte ihn. »Nachdem Ihre Frau erschlagen worden ist, hat sie jemand in den Wald bei Moorlake geschafft, um einen Unfalltod durch Blitzschlag vorzutäuschen.«
»Und Sie meinen wohl, dass ich es war, hab ich recht?«, rief Löwe aufbrausend. »Fragen Sie lieber mal meine liebe Schwägerin, die hat Verena fürchterlich gehasst. Immerzu war sie neidisch auf meine Frau. Sie muss es gewesen sein!«
Granow sagte bestimmt: »Herr Löwe, Ihre liebe Schwägerin hat ein hieb- und stichfestes Alibi für letzten Sonnabend. Wie sieht es bei Ihnen aus?«
»Ohne meinen Anwalt sage ich kein Wort mehr!«, rief Löwe mit hochrotem Kopf.
Gunnar Granow und Theresa Marotzke veranlassten kurz darauf, dass Leonhard Löwe vorläufig festgenommen und in Untersuchungshaft gebracht wurde.
In der Keithstraße angekommen, war sich Kriminalhauptkommissar Granow ziemlich sicher, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit fast unmöglich war, Löwe die Tat nachzuweisen. »Der Untersuchungsrichter wird gewiss seine Bedenken haben, den Verdächtigen länger festzuhalten, und sein Verteidiger wird behaupten, dass Verena Löwe von einem unbekannten Dritten – oder eben dem Radfahrer Moritz Massanz – erschlagen worden ist«, vermutete Granow. »Und wie ich unsere Gerichte kenne, wird er damit durchkommen.«
So schnell wollte Theresa Marotzke nicht aufgeben. »Wir sollten unsere Leute losschicken, damit sie Löwes Wagen – und meinetwegen auch den von Jocelyn Naumann – genau unter die Lupe nehmen. Da müssten sich doch entsprechende Spuren finden lassen.«
Granow lachte. »Natürlich können wir das in die Wege leiten – doch was soll das bringen? Verena Löwe dürfte wiederholt im Wagen ihres Mannes gesessen haben, und in dem ihrer Schwester auch. Selbstverständlich werden wir da Spuren finden.«
»Aber sie wird nicht wiederholt im Kofferraum gelegen haben«, erwiderte Theresa Marotzke mit einem spitzbübischen Lächeln. »Ihre Kopfwunde muss doch heftig geblutet haben. Und da soll nichts zu