mich fragend an.
Ich sage nur: "Schau nicht so. Auch wenn sich das jetzt hart anhört. Aber willst du irgendwann vorzeitig im Sarg oder nach einem langen und erfüllten Leben enden?"
Sie schluckt und nickt kurz. Ich habe wohl Recht. Jetzt frühstücken wir aber erst einmal in aller Ruhe. Chantal redet die ganze Zeit über kaum ein Wort. Ich kann mir gut vorstellen wie sie sich fühlt. Entweder sie vertraut mir und hofft, dass ich sie nicht übers Ohr haue, was ich bestimmt nicht machen werde. Oder sie versucht es selbst, was aber wahrscheinlich nie gelingen wird.
"Wenn du zu Ende gegessen hast, fahren wir zu deiner Bude, holen deine Sachen, danach siehst du die Wohnung bitte nie wieder. Alles Weitere überlässt du mir, einverstanden?"
Sie überlegt kurz und stimmt dann zu. Jetzt hat sie sich wohl endgültig entschlossen mir zu vertrauen.
Der Ausstieg
Wir setzen uns ins Auto und fahren zu dem Haus, in dem Chantal ihre Wohnung hat. Wir gehen nach oben.
Ihre Nachbarin steht am Eingang und fragt Chantal verwundert: "Wo warst du heute Nacht? Es haben einige Herren nach dir gefragt."
Bevor Chantal aber antworten kann ergreife ich das Wort: "Sie hat eine Magenverstimmung. Wir holen nur ein paar Sachen. Sie bleibt erst einmal bei mir bis es ihr wieder besser geht."
Obwohl ihre Nachbarin mir das wohl nicht ganz abnimmt ist es mir ziemlich egal was sie jetzt denken mag. Wir gehen in Chantals Wohnung. Sie packt nur ein paar Kleider, Schuhe, Unterwäsche und einige Papiere zusammen. Ihre gesamte Ausstattung lässt sie in der Wohnung zurück.
Wir verlassen die Wohnung. Ich nehme ihr den Schlüssel ab und frage sie: "Willst du dich noch von irgend jemanden hier verabschieden?"
Sie gibt mir zur Antwort: "Nein, besser nicht. Sonst werde ich vielleicht doch wieder überredet."
Ich stimme dieser klugen Entscheidung zu und wir verlassen relativ eilig das Haus. Ich fahre mit Chantal zurück zu mir. Ich biete ihr an sie solle doch jetzt erst einmal ein wenig fernsehen, um sich abzulenken. Dann setze ich mich an den PC und schreibe eine Vollmacht, damit ich die Auflösung ihrer Wohnung einleiten kann. Nachdem ich das Stück Papier ausgedruckt habe, bringe ich die Vollmacht zu Chantal damit sie sich diese noch einmal durchlesen und unterschreiben kann.
"Wie soll ich das bloß wieder gut machen?", fragt sie ein klein wenig traurig.
"Du hast es schon gut gemacht, mehrmals sogar", gebe ich ihr zu verstehen.
Ich kann es nicht leugnen, ich habe mit ihr schon einige wirklich schöne Stunden verbracht. Chantal gibt mir noch Name und Anschrift ihres Verwalters und ich ziehe wieder los. Beim Verwalter angekommen wird mir doch etwas flau im Magen. Wird alles gut gehen? Man hat ja schon einiges gehört, wie es in der Rotlicht-Szene abläuft.
Ich klingle an der Tür. Ein stämmiger Mann öffnet und mein Herz rutscht mir sofort bis in die Kniekehlen. Ich bringe dennoch einigermaßen gefasst mein Anliegen vor.
"Ich komme im Auftrag von Chantal. Ich muss mit ihnen sprechen."
"Wo ist sie? Wie ich hörte kam sie heute Nacht nicht zur Arbeit", entgegnete mir der Herr.
"Sie ist bei mir. Und sie wird auch ab sofort hier nicht mehr auftauchen. Sie will aussteigen und sich einen normalen Beruf suchen."
Ich sehe, dass sein Gesicht ziemlich ernst wird.
"Nun gut", sagt er dann mit ernster Stimme. "Eine Miete muss sie aber noch löhnen. Außerdem muss sie die Abschlussrenovierung bezahlen. Sind noch Möbel in der Bude? Wenn ja, muss sie sich um den Abtransport kümmern, andernfalls lass ich das machen."
Ich lasse ihn nicht weiterreden und frage nur: "Wieviel?"
Er überlegt kurz und sagt dann: "Alles in allem … ich denke zwanzig Mille und wir sind quitt."
Zwanzigtausend Euro. Wow! Was für ein Haufen Geld. Aber was ist wichtiger? Ein Menschenleben oder ein paar Kröten. Ich stelle einen Scheck aus und überreiche ihm das wertvolle Papier.
"Ja! Danke. Und viel Spaß noch mit deiner Matratzenmietze. Nimm sie kräftig ran. Sie kann das ab." Für diesen Satz hätte ich ihm am liebsten eine rein gehauen. Da kann man mal sehen. Die Mädchen sind für ihn nur Ware, weiter nichts. Ich verlasse schleunigst den Ort und fahre wieder nach hause.
Als ich wieder in meiner Wohnung bin, staune ich nicht schlecht. Die ganze Wohnung blitzt und blinkt vor Sauberkeit. So habe ich meine Wohnung zuletzt bei meinem Einzug gesehen. Ich bin schließlich ein typischer Single, der nicht gerade Meister im Putzen ist.
Chantal kommt aus dem Bad und begrüßt mich nur mit einem kurzen "Hallo". Ich bitte sie ins Wohnzimmer zu kommen. Im Wohnzimmer kläre ich sie dann auf.
"So. Um deine Bude kümmert sich jetzt der Verwalter. Du brauchst dir darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen."
Sie schaut mich an und fragt: "Wie viel?"
Chantal konnte sich wohl denken, dass er noch einmal kräftig abkassierte.
Ich antworte ihr aber nur: "Nicht zu wenig. Das soll aber nicht deine Sorge sein. Betrachte es als Schenkung."
Ich sehe, wie ihr wieder an paar Tränen die Wangen herunterrollen. Sie kommt zu mir herüber, gibt mir noch einen Kuss auf die Wange.
"Danke. Vielen Dank."
Ich gebe ihr zu verstehen, dass wir noch lange nicht fertig sind. Sage dann aber, dass wir es für heute erst einmal darauf beruhen lassen wollen.
"Du solltest dich ein wenig ausruhen. Vielleicht ein wenig fernsehen", bemerke ich mit gespielter Ernsthaftigkeit.
"Wie kann ich hier in aller Ruhe fernsehen, wenn ich nicht einmal weiß, was mit dir ist", sagt sie.
"Komm, ich lade dich jetzt erst einmal zum Essen ein."
Wir ziehen uns an und gehen Essen.
Ein Arbeitsplatz ohne Lebenslauf
An den darauffolgenden Tage sind wir voller Tatendrang. Wir müssen sehen, dass Chantal Arbeit findet. Aber bei jeder Stelle, bei der sie anruft, kriegt sie einen Korb wegen ihrer undefinierten Vergangenheit. Sie kann ja schlecht behaupten, sie wäre im Ausland gewesen. Denn dann müsste sie entsprechende Fremdsprachenkenntnisse haben, die sie natürlich nicht vorweisen kann. Ebenso kann sie nicht sagen, dass sie arbeitslos war. In der langen Zeit, die ihr in ihrem Lebenslauf fehlt, hätte sie das Arbeitsamt schon auf einige Kurse und Fortbildungen geschickt, von denen die Teilnahmebestätigungen ebenso fehlen.
Es blieb am Ende also nur die Möglichkeit, dass ich mit meinem Chef rede. Wie ich es schon vorhergesehen hatte. Nun gut. Als ich die passende Möglichkeit sehe, fasse ich mir ein Herz und gehe zu ihm.
"Moin Meister", sage ich.
Wir haben in der Firma eigentlich einen ziemlich lockeren Umgangston. Das ist einer der Gründe warum ich hier auch gerne arbeite.
"Ich habe da mal ein Problem. Ein ziemlich großes sogar", fange ich das Gespräch an.
"Ja, was denn?", will er gleich wissen.
"Ich habe eine Bekannte. Die ist zur Zeit arbeitslos und benötigt dringend einen Job", rede ich weiter.
"Ist doch kein Problem. Schick sie mal vorbei, mal sehen was ich tun kann. Was hat sie den gelernt?", fragt er.
"Da liegt das erste Problem. Sie hat keine Ausbildung. Sie hat noch nicht einmal einen Schulabschluss."
Er schaut mich etwas überrascht an und meint dann: "Das ist sicherlich ein kleines Problem. Aber wir haben doch noch die Stelle für den Montagehelfer."
"Ja, das ist aber noch nicht alles", rede ich dann weiter. "Sie hat mehrere Jahre im käuflichen Gewerbe gearbeitet und somit keine vernünftigen Referenzen."
Jetzt