Jork Steffen Negelen

Vinus und das Auge der Zyklopen: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 4)


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hatte einen kleinen rauchschwarzen Kristall an seiner Spitze. Er war nicht groß, doch seine Kräfte mussten gewaltig sein. Das konnte Orbin spüren. Er schwang ihn hin und her. Sofort lagen neben ihm zwei Decken und ein Wolfsfell.

      Mit einem breiten Grinsen nickte Orbin. Jetzt brauchte er in der Nacht nicht mehr zu frieren. Er legte noch einmal Holz ins Feuer und begab sich dann zur Ruhe. Doch seine Gedanken kreisten immer weiter in seinem Kopf. Im Schlaf träumte er von der Schlangenfestung. Er sah sie in voller Größe vor sich. Doch einige Hände packten ihn und warfen ihn zu Boden. Er sah in die Gesichter von fremdartigen Kriegern und hörte eine Stimme. Sie kam ihm bekannt vor. Aber er konnte nicht erkennen, wer zu ihm sprach. Nur das, was gesagt wurde, hallte jetzt in seinem Kopf wieder. „Lasst ihn am Leben. Ich will einen gehorsamen Diener aus ihm machen … einen gehorsamen Diener … Diener … Diener.“

      Der Klang dieser Stimme ließ Orbin aufschrecken. Er sprang auf die Beine, zog seinen Zauberstab und sah sich um. Es war bereits früh am Morgen. Sein Feuer war schon längst erloschen und bald würde die Sonne aufgehen. Orbin zog die frische Luft in seine Lungen und reckte sich. Durst und Hunger kamen in ihm auf und verscheuchten die letzten Gedanken an den Traum der Nacht.

      Mit der Hilfe seines Zauberstabs konnte sich Orbin ein ordentliches Frühstück herbeizaubern. Danach packte er seine Sachen und zog weiter. Er folgte einem Weg, den wohl das Wild in dieser Gegend nutze. Wenn Orbins Gedächtnis besser funktionieren würde, so hätte er gewusst, dass solche Wege auch ihre Tücken haben. Doch Orbin bemerkte keine Gefahr und ging so ganz leicht in eine Netzfalle der dunklen Waldläufer-Elfen. Ein Fangnetz umgab ihn plötzlich. Es zog sich mit einem Ruck zusammen und riss Orbin in die Höhe.

      Mit wildem Geheule kamen die Jäger aus den Büschen ringsherum und ließen das Netz wieder zu Boden fallen. Orbin schlug unsanft auf. Er griff nach seinem Zauberstab und seine Sinne waren jetzt erwacht. Mit einem magischen Blitz zerfetzte der Hexenmeister das Netz und dann sah er sich um. Noch schneller, als sie aus den Büschen gesprungen waren, rannten die Elfen schreiend davon. Sie machten erst halt, als sie in ihrem Jagdlager bei ihrem Häuptling ankamen.

      Auf einer Wolke aus Staub stehend, hetzte ihnen Orbin nach. Vor dem Häuptling sprang er von der Wolke und brüllte los. „Auf die Knie mit euch oder ihr werdet hier alle von mir vernichtet!“

      Die Elfen fielen zu Boden und der Häuptling fragte flehend. „Was haben wir dir getan, du großer Zauberer, dass du uns so hart bestrafen willst?“

      Orbin stampfte zornig mit dem rechten Fuß auf. Dann brüllte er wieder los. „Da fragst du noch, du Narr!? Ihr habt versucht, mich mit einer Netzfalle zu überwältigen!“

      Er packte den Häuptling an der Kehle und zog ihn hoch. Dann schaute er ihn genau in die Augen. „Wer seid ihr verlausten Gesellen, dass ihr es wagt, mich anzugreifen? Hat euch jemand geschickt? Solltet ihr mich fangen oder seid ihr einfach zu dumm, um einen harmlosen Kräutersammler von einem Schwein oder Hirsch zu unterscheiden?“

      Orbin ließ den Häuptling los und sah ihn an. Der Elf duckte sich und hustete. Dann hob er beide Hände und sprach. „Ich schwöre dir, meine Jäger waren nicht hinter dir her. Wir hatten es auf das Wild in dieser einsamen Gegend abgesehen. Sie waren sehr ungeschickt und hätten dich vor der Falle warnen sollen. Wenn wir dir helfen können, dann sag es uns.“

      Orbin wiegte den Kopf hin und her und streckte seinen Zauberstab dem Häuptling entgegen. „Ich bin Orbin der Kräutersammler und würde gern wissen, wer ihr seid. Sag mir deinen Namen und erzähl mir von euch.“

      Der Häuptling nickte eifrig und verbeugte sich mehrmals. „Ja, Herr, es soll geschehen, wie du es wünschst. Ich werde dich bewirten und dir von uns erzählen.“

      Einen Augenblick später saß Orbin mit dem Häuptling und einem alten Schamanen in einem Zelt. Der Häuptling reichte dem Hexenmeister einen Becher Wein und begann zu erzählen. „Also Herr Orbin, wir sind vom Stamm der Waldläufer-Elfen. Ich bin Eschenhand, ihr einziger Häuptling und der Alte hier ist unser Schamane Eichblatt. Wir sind dunkle Elfen und wandern nach Süden. Dort ist es wärmer und das Wild ist zahlreicher.“

      Nachdenklich sah Orbin in den Weinbecher. In seinem Kopf arbeiteten die Gedanken und er konnte sich ein wenig an die dunklen Elfen erinnern. Doch er brachte sie nur mit einer Insel in Verbindung. Darum fragte er Eschenhand. „Sag mir, Häuptling, lebt ihr dunklen Elfen nicht mehr auf eurer Insel? Ich kann mich nicht mehr an ihren Namen erinnern.“

      Beinah ungläubig schauten die Elfen den Hexenmeister an und der in einen Bärenpelz gehüllte Schamane schüttelte hastig den Kopf. „Ich glaube Herr, du bist lange nicht mehr in der Gesellschaft von uns dunklen Elfen gewesen. Ich werde dir etwas mehr von uns erzählen.“

      Eschenhand goss jedem frischen Wein in die Becher und der Schamane begann zu berichten. „Die Insel, die du meinst, heißt noch heute Villbass. Wir Waldläufer-Elfen stammen nicht von den dunklen Elfen von Villbass ab. Wir haben diese Insel und ihre Bewohner immer gemieden. Doch wir kämpften, genau wie sie, für Dämonicon, dem Zauberer der alten Götter. Dafür wurden wir nach seiner Vernichtung aus unserer Heimat vertrieben. Wir lebten einst sehr weit im Westen. Auch dort gibt es ein großes Gebirge und dichte Wälder. Wenn wir vor siebenhundert Jahren Dämonicons Versprechungen nicht geglaubt hätten, so könnten wir heute noch in unserer alten Heimat leben.“

      Orbin stellte seinen Becher neben sich auf dem Boden ab und sah zum Häuptling. „Lebt ihr seit dieser Zeit hier in diesen Wäldern?“

      „Oh nein, wir sind erst seid wenigen Tagen hier.“ Eschenhand trank seinen Becher leer und sprach weiter. „Wir haben uns vorher in der Nähe der alten Ruinen von Illwerin aufgehalten. Dort wurden wir von dem Boten einer schwarzen Hexe zu Hilfe gerufen. Auf einem Friedhof bei den Ruinen gab es einen Kampf. Doch wir kamen zu spät und die Sache war schon erledigt.“

      Orbin sah Eschenhand aufmerksam an. Die Verlegenheit des Häuptlings war kaum zu übersehen. Der Schamane beeilte sich deshalb, noch schnell etwas hinzuzufügen. „Diese schwarze Hexe hieß Irrsande und sie hatte einen Raben. Der hat uns zu diesem Friedhof geschickt. Doch als wir ankamen, hatten ihre untoten schwarzen Dienerinnen den Kampf schon verloren und wir mussten uns zurückziehen. Wir sind gewiss nicht feige, aber gegen einen Zirkelmagier, einen Haufen Kobolde und Minitrolle können wir nicht siegen. Wir benutzen unsere Magie meist nur, um unser Leben zu verlängern. Doch unsere Gegner bei den Ruinen von Illwerin kannten sich mit der Magie sehr viel besser aus. Wir hätten dort nur den Tod finden können. Darum sind wir aus dieser Gegend weggezogen. Das verstehst du doch, mein Herr Orbin?“

      Orbin nickte vor sich hin. Er verstand diese Waldläufer-Elfen. Aber etwas von dem, was der Schamane soeben gesagt hatte, ging ihm nicht aus dem Sinn. Es war nur dieses einzige Wort „Zirkelmagier“. Er versuchte, sich zu erinnern. Doch in seinem Kopf wollte keine Vision in Zusammenhang mit diesem Wort kommen. Orbin schüttelte den Kopf und fragte Eichblatt, was er über diesen Zirkelmagier wisse.

      Der Schamane zuckte mit den Schultern und antwortete verwundert. „Ich weiß nur, was alle von uns wissen. Er hat im letzten Krieg an der Seite der Menschen und der Drachen gegen das Heer des dragolianischen Priesterkönigs Tholoam gekämpft. Tholoam hat mit seinem Heer verloren. Wir hatten Glück, weil wir nicht für ihn kämpfen wollten. Deshalb stellt man uns jetzt nicht wieder nach. Man sagt, die Dragolianer wollten dem Geist des gefallenen Dämonicon einen neuen Körper geben. Wir wissen nicht, ob das alles wahr ist, aber wenn es so ist, so können wir nur jedem davon abraten.“

      Orbin horchte auf. Offenbar wusste er etwas, was diese dunklen Elfen noch nicht wissen konnten. Deshalb fragte er sogleich. „Warum könnt ihr nur jedem davon abraten?“

      Eichblatt wurde jetzt leicht ungehalten. „Na was ist denn das für eine Frage? Dieser Dämonicon will doch nur wieder einen fürchterlichen Krieg erzwingen. Wenn er gewinnt, dann wird er die alten Götter auferstehen lassen und unsere Welt gerät erneut in die Hände der Finsternis. Wir Waldläufer-Elfen gehen schon einen gefährlichen Weg mit unserer dunklen Magie. Doch dieser Dämonicon ist einfach besessen von der Idee, an der Seite der alten Götter über unsere Welt herrschen zu können.“

      Eschenhand stimmte seinem Schamanen