sie das Büro verlassen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Der schlanke Herr versuchte mildernd einzugreifen, indem er auf einen gleichgelagerten Fall verwies. Das Gericht hatte dem Kunden Recht gegeben.
Sie möchte sich doch vertrauensvoll an die Verbraucherzentrale wenden, sollte es zum Gerichtsverfahren kommen.
Immer noch verwirrt verließ Erna das Gebäude. Hoffentlich bekam der schlanke Herr keinen Ärger. Ein Inkassounternehmen meldete sich. Vergeblich hoffte sie auf Einsicht. Innerhalb eines halben Jahres war so ein Betrag von 548,97 Euro entstanden Erna zahlte nicht.
Nach weiteren drei Monaten lag ein Gerichtsbeschluss mit einem Widerspruchsformular vor. Dieser Akt war mit Kosten verbunden und Erna sollte nun 695,13 Euro zahlen. Sie füllte das Widerspruchsformular aus, schickte es dem Gericht zurück mit der Mitteilung, dass alle Leistungen, die sie vom Kläger erhalten hatte, auch nachweislich von ihr bezahlt wurden. Ihre Nerven lagen schon lange blank. Ihr Herz raste, wenn sie die Briefumschläge nur sah. Das Inkassobüro bot ihr daraufhin Teilzahlung an.
Erna lehnte ab.
Dann bekam sie eine neue Information. Man würde ihr 150,00 Euro erlassen, wenn sie den Restbetrag in einer Summe zahlte.
Erna bedankte sich höflich für das Angebot, lehnte aber eine Bezahlung weiterhin ab.
Um doch noch zu Geld zu kommen, fiel dem Inkassobüro etwas Neues ein. Erna sollte ein vorbereitetes Schreiben mit ihrer Unterschrift bestätigen. Darin stand, dass sie den Widerspruch zurückzieht. Sie unterschrieb nicht.
Seitdem hat sie vom Netzanbieter, dem Inkassounternehmen und dem Gericht nichts mehr gehört.
Ernas Hoffnung: „Möge es so bleiben!“
Zwei Jahre waren vergangen. Da stand ein Artikel in der Tagespresse:
„Ärger beim Wechsel des Anbieters“
Im Artikel wurde festgestellt, dass die meisten Kunden aller zwei Jahre die Netzanbieter wechseln, die Umstellung nicht immer klappt und die Bundesnetzagentur sehr viele Beschwerden zu bearbeiten hat. Der Grund des ständigen Wechsels besteht darin, dass Neukunden mit niedrigen Preisen angelockt werden, während Stammkunden immer auf den hohen Gebühren sitzenbleiben.
Ernas Schlussfolgerung daraus: Die Netzanbieter sind an jahrelangen Stammkunden nicht interessiert, sonst würden sie Preisvorteile erst an die Stammkunden weitergeben, anstatt an Neukunden.
GUT UND SCHLECHT NAH BEIEINANDER
Erna wäre nicht zehn Jahre bei dem Netzanbieter geblieben, wenn sie vor den geschilderten Ereignissen Grund zur Unzufriedenheit gehabt hätte. So ein menschenverachtendes Benehmen gegenüber Kunden sollte keiner akzeptieren.
Vom Mobilfunkausflug war Erna ins Festnetz zurückgekehrt. Der Zweijahresvertrag lief aus. Sie versäumte, rechtzeitig zu kündigen. Als sie es bemerkte, war es zu spät. Somit verlängerte sich der Vertrag automatisch um weitere zwei Jahre. Gab es keine technischen Veränderungen, bedeutete es zwei Jahre Ruhe im Telefon- und Internetbetrieb.
Verträge sind eine zweiseitige Angelegenheit. Aber manchmal können auch durch Dritte eingreifende Veränderungen bewirkt werden. Im Zuge des Städterückbaus Ost sollte auch die Straße, in der Erna wohnte, abgerissen werden. Alle Mieter erhielten die Kündigung.
Erna rief ihren Netzanbieter an. Am anderen Ende der Leitung wurde ihr erklärt, dass der Wechsel 59,95 Euro kosten würde.
„Warum?“, fragte Erna. „ich will nicht umziehen, ich muss. Es ist eine politische Maßnahme. Gibt es dafür keine Sonderregelungen oder sonstige Möglichkeiten?“
„Keine!“, erhielt sie zur Antwort. „Sie können einen neuen Zweijahresvertrag abschließen. Dann kostet der Wechsel gar nichts. Aber die bisherigen Konditionen können wir ihnen nicht anbieten und auch nicht die gleiche Netzgeschwindigkeit. Sie müssen im Monat fünf Euro mehr bezahlen.“
„Moment mal bitte“, meinte Erna. „Habe ich das jetzt richtig verstanden? Für weniger Leistung muss ich mehr bezahlen?“
„Ja, so ist es“, lautete die Bestätigung.
„Ganz so dringend ist es noch nicht. Sagen sie mir bitte, wann ich wieder nachfragen kann?“
Die Mitarbeiterin des Netzanbieters behauptete, dass es in der nächsten Zeit keine besseren Angebote geben werde und wollte unbedingt den Vertrag abschließen. Erna ließ sich nicht drängen.
Am nächsten Tag marschierte sie mit ihrem Vertrag zum Geschäft des Netzanbieters. Ein junger Mann hörte sich ihre Sorgen an. „Haben sie Zeit mitgebracht?“, fragte er. Erna nickte.
Der junge Mann telefonierte, fütterte den Computer mit Daten, stellte Erna Fragen und bediente zwischendurch auch noch Kunden. Als sie nach längerer Zeit das Geschäft verließ, hatte sie einen neuen Zweijahresvertrag zu den bisherigen Konditionen.
Zwei Tage nach ihrem Umzug, sie hatte morgens in der alten Wohnung gerade den Antwortbeantworter abgehört, wurden Telefon und Internet abgeschaltet. Abends funktionierte es in der neuen Wohnung wieder einwandfrei.
Drei Menschen freuten sich sehr darüber: Erna für den vorbildlichen Service; im Geschäft des Netzanbieters der junge Mann und seine etwa gleichaltrige Kollegin, die gerade zum Schichtwechsel erschienen war, über Ernas Lob.
ABZOCKER
Ein Blick auf die Uhr bestätigte Erna, dass die Post da gewesen sein musste. Sie ging zum Briefkasten. Zurück in ihrer Wohnung sah sie flüchtig die Werbeprospekte durch, als ihr ein Brief daraus entgegenfiel. Der Absender war ein Notar- und Rechtsanwaltsbüro.
„Was wollen die denn schon wieder?“, fragte sich Erna. Während sie den Brief in ihren Händen drehte, schweiften ihre Gedanken zurück. Von einer befreundeten Familie hatte sie eine Einladung in eine Stadt erhalten, die sie noch nicht kannte. Die Fahrstrecke suchte sie sich am liebsten aus dem Kartenmaterial selbst heraus. Für diese Stadt besaß sie keine. Sollte sie extra wegen einer einmaligen Fahrt eine Stadtkarte kaufen? Als passionierte Autofahrerin war Erna Mitglied in einem Autoclub. Dieser hatte aus Sicherheitsgründen das Einlogg-System geändert und seitdem kam sie damit nicht mehr klar.
Irgendwann hatte sie eine Adresse gehört, bei der man sich Karten kostenlos aus dem Internet ausdrucken kann. Nach dem Öffnen des Programms erschien ein kleines Fenster, nicht größer als das Display des Handys und zeigte Wortfetzen an. Es gab keinen Link, um das Fenster zu vergrößern oder den kompletten Text sichtbar zu machen. Erna beendete das Programm und rief es erneut auf. Die Anzeige war die gleiche. Die Vertragsbestimmungen konnten mit „Ja“ oder „Nein“ bestätigt werden. Bei „Nein“ wäre das Programm beendet gewesen, bei „Ja“ sollte die E-Mail-Adresse eingetragen werden.
„Vielleicht bekomme ich die Vertragsbedingungen komplett angezeigt, wenn ich auf „Ja“ drücke“, dachte Erna und folgte den nächsten Schritten. Sie erhielt eine Kundennummer und ein Passwort. Vergebens versuchte sie mehrmals an die Vertragsbedingungen zu kommen. Erna gab die Kundennummer und das Passwort ein. Das System zeigte ihr an, dass das Passwort falsch sei. Wieder erschien: „Das Passwort ist falsch, überprüfen sie die Schreibweise.“ Sie verglich die Angaben, konnte aber keinen Fehler entdecken. Daraufhin brach sie das Programm ab. Bei einem erneuten Einwahlversuch zum Anbieter verweigerte ihr das System den Zugriff. Damit war für Erna die Angelegenheit erledigt. Sie rief bei der Familie an und ließ sich genau erklären, wie man innerhalb der Großstadt ans Ziel kommt.
Wochen waren vergangen. Erna hatte eine, für sie bisher unbekannte Gegend in Deutschland kennengelernt. Mit den Fotos waren schöne Erinnerungen verbunden, der Kartenanbieter aus dem Internet vergessen. Doch dieser hatte Erna nicht vergessen. Per E-Mail erhielt sie eine Rechnung über 59,95 Euro. „Wofür eigentlich?“, fragte sie sich. Eine Leistung war nicht erbracht worden. Für diesen Betrag hätte sie mehrere Karten kaufen können. Sie reagierte nicht darauf.
Nach vier Wochen