Sigrid Uhlig

Wehre dich deiner Haut


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verweigerte ihr das System den Zugriff. Sie konnte nur antworten, wenn sie von der Firma über ihre E-Mail-Adresse angeschrieben wurde. Wer verbarg sich hinter „Ihr freundliches Team von Gute und Sichere Fahrt? Wo war der Firmensitz und welche Bankverbindungen hatten sie?“ Diese Fragen stellte Erna, teilte aber gleichzeitig mit, dass sie nicht bereit wäre zu bezahlen, da sie keine Leistungen erhalten hatte. Das falsche Passwort wurde nicht überprüft, die Vertragsbedingungen ihr nicht zur Kenntnis gegeben. Die Bearbeitung schien ein Computer zu machen, denn sie erhielt immer wieder den gleichen Text, ohne das ihre Beanstandungen auch nur mit einem Wort erwähnt wurden.

      Es nervte. Erna wollte ihre Ruhe haben und machte einen entscheidenden Fehler. Sie schrieb die Firma per Post an und erklärte, was bisher alles schief gelaufen war, in der Hoffnung, nicht mehr belästigt zu werden.

      Nun ging der Terror erst richtig los. Die Mahnungen, die sie erhielt, waren nur so gespickt mit Drohungen. Sollte sie nicht bis zum angegebenen Termin den Betrag nebst Mahngebühren bezahlt haben, würde man ein Inkassobüro mit der Eintreibung beauftragen, was den zu zahlenden Betrag erheblich in die Höhe trieb. Des Weiteren würde die Schufa benachrichtigt, also niemals mehr ein Kauf auf Kredit möglich sein. Das war nun ein Punkt, mit dem man Erna nicht im Geringsten imponieren konnte, da sie nicht auf Pump kaufte.

      Eine erste, zweite und dritte Mahnung des Inkassobüros folgten. Auch hier wurde auf ihre Beanstandungen nicht reagiert. Man präsentierte eine Unzahl von Paragrafen, um sie damit zu beeindrucken. Schließlich drohte man ihr mit einer gerichtlichen Pfändung.

      Das Inkassobüro war ein Notar- und Anwaltsbüro. Erna war enttäuscht. Nach ihrer Meinung waren Anwälte, Notare, Justizbehörden und die Polizei dazu da, für Recht und Ordnung in der Gesellschaft zu sorgen. Wie konnten sie da eine Firma vertreten, deren Einnahmen auf Betrug und Erpressung basierten?

      Im Internet fand sie die Adresse des zuständigen Finanzministeriums. Sie schrieb ein Hilfeersuchen und teilte es dem Inkassobüro mit. Das Finanzministerium hüllte sich in Schweigen. Vom Inkassobüro hatte sie mehrere Monate nichts gehört. Nun hielt sie den bereits erwähnten Brief in den Händen. Welche Mitteilung beinhaltete er? Kehrte nun endlich Ruhe ein oder musste sie ihre Zeit weiter mit dem Beantworten der Mahnungen vergeuden? Manchmal spielte sie mit dem Gedanken, zu bezahlen. Doch dann überlegte sie sich, dass die Betrüger nur auf solche Reaktionen warteten. Mit ihrer Zermürbungstaktik hätte der Erfolg sie zu weiteren Betrügereien ermuntert. Ernas Verstand siegte: „Nein“, und nochmals „nein“, ohne Leistung keine Bezahlung.

      Im Umschlag lag eine Mahnung mit den üblichen Drohungen und der Kopie eines Gerichtsurteils. Einige Stellen waren geschwärzt. Erna besah das Blatt Papier genau und war sich nicht im Klaren, ob sie sich über so viel Unverschämtheit ärgern oder in lautes Gelächter ausbrechen sollte. Solche Kopien konnte sich jeder auf dem Computer selber herstellen. Erna antwortete, dass eine Bezahlung für sie nicht infrage käme und das Gerichtsurteil auf ihren Fall nicht zuträfe.

      Einige Tage waren vergangen. Auf der Ratgeberseite der Tageszeitung stand ein Artikel über die Machenschaften der Firma und des Inkassobüros. Es wurde darauf hingewiesen, trotz des beigefügten Gerichtsurteils nicht zu bezahlen.

      Man hatte die Masche, ohne großen Aufwand viel zu verdienen, nicht nur bei Erna, sondern auch bei vielen anderen Bürgern versucht.

       NACHAHMER

      „Wenn die Tageszeitung mehr als 20,00 Euro im Monat kostet, bestelle ich sie ab“, nahm sich Erna vor.

      Nun war es so weit. Sie schaute auf den Kontenauszug. Ihr war nicht bewusst, darüber irgendeine Information erhalten zu haben und behielt sie.

      Etwa zwei Jahre waren vergangen. Ein interessanter Artikel nahm sie ganz gefangen. Darunter stand etwas sehr Kleingedrucktes. Erna nahm an, dass es dazu gehörte und setzte die Brille auf. Der Text informierte von einer erneuten Preiserhöhung der Zeitung, die in knapp zwei Wochen zum Ersten des neuen Monats, wirksam werden sollte.

      Der Kundenservice lehnte eine mündliche Kündigung ab. Noch am gleichen Tag setzte sie Erna schriftlich auf und trug den Brief zur Post. In der Antwort teilte man ihr mit, dass sie bei Abbestellungen eine Frist von vier Wochen, immer zum Monatsende, einzuhalten habe.

      Erna führte Selbstgespräche: „Nein, liebe Mitarbeiter vom Abo-Service, da habt ihr eure eigene Ratgeberseite nicht gelesen. Informationen müssen so sein, dass man sie nicht übersehen kann und die Preiserhöhung stellt eine einseitige Vertragsänderung dar, die ich nicht zu akzeptieren brauche. Sie ging in Widerspruch. Zum Ersten des neuen Monats war keine Zeitung mehr im Briefkasten.

       SO EIN KÄSE

      Erna hatte einen angenehmen Abend mit Freunden verbracht. Es war zur Tradition geworden und wirkte sehr beruhigend, sich hinterher gegenseitig anzurufen. „Bin gut nach Hause gekommen.“ Als sie das Handy aus der Hand legen wollte, stellte sie fest, dass das Display verschmiert war und reinigte es mit einem feuchten Brillenputztuch. Mit ihrem Werk immer noch nicht zufrieden, griff sie nach dem kleinen Mikrofasertuch vom Brillenetui. Als sie am nächsten Morgen vom Arzt kam, wollte sie nachsehen, ob jemand angerufen hatte. Aber wo war das Handy? In der Handtasche war es nicht. Neben dem Computer lag es nicht und auf dem Tischchen neben dem Fernsehsessel auch nicht.

      Wie jeder Mensch, so hatte auch Erna ihre Fehler. Sie konnte sich selbst völlig zerfleischen, wenn etwas nicht an seinem Platz lag oder organisatorisch nicht klappte. Wo also war das Handy?

      Zum wiederholten Male wühlte sie ihre Handtasche durch. Nichts!

      Schwarze Handtasche, schwarze Schlüsselbundhülle, schwarze Geldbörse, schwarzes Handy. Kannten die Designer nur noch die Farbe schwarz? Sie schüttete die Tasche aus. Kein Handy.

      Noch nie hatte sie es verlegt. Wo konnte es nur sein? Nervös lief sie durch die Wohnung und kontrollierte alle Ablageflächen. Ein moderner Mensch hat ein Ersatzgerät, so auch Erna. „Unnötige Gebühren“, schimpfte sie mit sich selbst und rief an. Der Klingelton kam schrill vom Tisch neben dem Fernsehsessel. Zu sehen war es nicht. Ein kleiner Stapel ungelesener Zeitungen lag drauf. Jede einzelne hob sie vorsichtig hoch. Dazwischen war es nicht. Konnte es heruntergefallen sein? Hoffentlich trat sie nicht drauf. Auf dem Teppich lag nicht mal eine Fussel. Gedankenverloren griff sie nach der Brille, um sie ins Etui zu stecken. Aber sie ging nicht hinein, denn seit letzter Nacht schlief darin das Handy.

      An ihrem eigenen Verstand zweifelnd, musste sie über diesen Vorfall mit jemandem reden. Erna rief ihre Nichte an.

      „Aber Tantchen“, meinte sie, „mach dich doch nicht so fertig. Schau mal, ich bin viel jünger als du. Mein Handy habe ich zwei Tage gesucht und es nur gefunden, weil jemand angerufen hat. Es lag unterm Käse im Kühlschrank.“

       SCHWARZE PFANNE

      Wie Geschwister war Erna mit ihrer Kusine Elfriede aufgewachsen. Eines Tages wanderten Elfriedes Eltern nach Amerika aus und nahmen die Tochter natürlich mit. Die beiden Mädchen litten sehr unter der räumlichen Trennung.

      Viele Jahre waren vergangen und die Kinder inzwischen Großmütter geworden. Elfriede hatte wieder einmal ihren Besuch in Deutschland angekündigt. Alles sollte perfekt sein. Erna kaufte eine neue Pfanne.

      Das Mittagessen hätte jedem Gourmet zur Ehre gereicht. Wenn man sich selten sieht, gibt es sehr viel zu erzählen. Den beiden Frauen lief die Zeit einfach davon.

      Erna hatte einen Arzttermin. „Geh schon“, sagte Elfriede zu ihr, „den Abwasch kann ich in der Zwischenzeit machen.“

      Obwohl Erna bestellt war, musste sie ziemlich lange warten. Als sie zurückkam war der Abwasch erledigt.

      Ziemlich pikiert sagte Elfriede zu ihr: „Du bist immer so ordentlich. Wie kannst du die Pfanne so schwarz werden lassen. Zwei Stunden habe ich gescheuert, um sie wieder sauber zu bekommen.“ Die Beschichtung war verschwunden.