Mark Jischinski

ironisch Short Stories


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Moccacino Gelsenkirchen und Östrogen Dortmund. Doch zur Überraschung aller gewinnt die erste Meisterschaft die Mannschaft von Mauve-Pastell Berlin. Von nun an geht es steil bergauf. Der Sport begeistert die Massen, Stadien werden als moderne Tempel errichtet und eine ganze Industrie folgt dem Damenfußball. Männer dagegen versinken im Haushalt, in der Elternzeit oder sie studieren Sozialpsychologie. Hundert Jahre nach dem ersten Tritt vor die Blase steht ein junger Mann mit seiner Freundin im Fanshop von Östrogen Dortmund. Die Vereinsfarben sind seit jeher pink-violett, ohne auch nur ein einziges Mal in Frage gestellt worden zu sein. Die Freundin steht vor einem Spiegel und hält sich ein Girlie vor die Brust.

      »Schatz, sag mal, steht mir das?«

      Der Freund nestelt gerade gedankenverloren an einer pink-violetten Tamponaufbewahrungsbox herum und wägt ab, ob er seiner Freundin Karla lieber diese oder aber die etwas teurere Flakon-Socke in den Vereinsfarben zum Geburtstag schenken soll.

      »Was sagst du, Schatz?«

      »Ob mir das hier steht!?«

      »Hm. Ich weiß nicht. Wenn es nicht pink-violett wäre, schon.«

      Seine Freundin schaut ihn an wie die gegnerische Torfrau, wenn sie in der gemischten Regionalliga einen Elfmeter von ihm halten will. Zwischen ihren Zähnen presst sie hervor:

      »Es gibt hier aber nur pink-violett! Östrogen Dortmund trägt nun einmal nichts anderes! Und das schon seit hundert Jahren!«

      »Dann lass uns doch zum Shop von Minisiston Leverkusen fahren. Das Blau von denen steht dir wirklich gut!«, entfährt es ihrem Freund.

      Karla sieht aus, als würde sie jeden Moment ihre Daseinsform wechseln. Ihr Kopf wird so rot, dass ihr Freund versucht ist zu bemerken, dass ihr gerade jetzt das pink-violett deutlich besser steht.

      »Bist du wahnsinnig?? Eine Klamotte von Minisiston Leverkusen? Erstens würde ich das nie anziehen. Zweitens sind deren Shirts nicht blau, sondern azur! Und drittens, mein Lieber, trägt man nie etwas von Werksmannschaften.«

      Reichlich bedeppert schleicht er sich von dannen und lässt Karla im Fanshop gewähren. Um sich die Zeit ein wenig zu vertreiben, geht er zum Imbiss und bestellt sich ein Glas Prosecco und einen Tomate-Mozzarella-Salat. Es sind noch ein paar Stunden Zeit bis zum Spitzenspiel Östrogen Dortmund gegen die Spitzenreiterinnen von Stiletto München. Die Ränge füllen sich langsam. Frauen setzen sich und präsentieren einander Hüte, Kleider und Dinge, die scheinbar nur aus einem Absatz bestehen. Unmöglich, dass man darauf laufen kann. Prosecco fließt in Strömen und vor den Damentoiletten bilden sich bereits jetzt die ersten Schlangen. Nur ganz vereinzelt sind Männer zu sehen, die sich unsicher an ihre Proseccogläser klammern. Verständnisvoll zwinkern sie sich zu. Es heißt so etwas wie:

      Du auch, mein Bruder? Jeden Samstag im Stadion? Montags DSF und Mittwochs Premiere? Und bei jeder Party diese Fachsimpeleien, ob die Brasilianerin Madonna nicht doch zu Chanel Madrid wechseln sollte, statt bei Rucola Mailand zu versauern? Oder ob es Stiletto München wirklich verdient hat, wieder Meisterin zu werden? Und nicht zuletzt, ob die neuen Hotpants von Östrogen Dortmund nicht der letzte Schrei sind.

      »Und?« Karla holt mich unsanft aus meinem Traum zurück ins Hier und Jetzt.

      »Was ist nun mit deinem Shirt?«

      »Du hast doch gesagt, dass es mir nicht steht.«

      »Ja schon. Aber wenn du es doch so sehr magst, dann kannst du es auch haben.«

      Ich lächle sie an. Sie ist einfach eine verständnisvolle, liebenswerte Göttin. Meine Karla eben.

      »Aber nur«, fährt sie fort, »wenn ich dafür wieder meine Serie schauen kann.«

      Ich schaue sie an. Sie ist eine Schlange. Eine hinterlistige Schlange. »Die am Mittwoch?«

      »Welche sonst?«

      »Dann lasse ich das Shirt hier.«

      Wir verlassen den Laden und ich habe das Gefühl, einen wichtigen Sieg errungen zu haben. Schon vor dem Spiel. Ich gehe zum Imbiss, kaufe ein Bier, eine Cola für Karla und Pommes Schranke. Wir sehen, wie sich das Stadion füllt. Mit fettigen Händen schiebe ich mir die Pommes in den Mund. Karla schaut zu mir, dann zu den anderen Kerlen und schüttelt den Kopf.

      »Schade, dass wir Frauen den Fußball nicht erfunden haben.«

      Ich rülpse leise und sage: »Glaube mir. Das wäre ein schlechter Tausch!«

      Florian liebt Bea. Und Bea liebt Florian. Sie haben sich auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennen gelernt und es für überaus wohltätig für sich selbst befunden, zueinander zu finden. Flo schwärmt für alle körperlichen, spirituellen, sphärischen und sinnlichen Reize Beas. Er ist wie verzaubert, seitdem er sie liebt. Ich bin einigermaßen erstaunt, als mir Flo von der einzig wahren Liebe seines Lebens berichtet. Von seinen Beschreibungen, dass wir unser Leben schließlich nicht nur so zur Probe führen und jeden Tag lediglich in die Premiere unserer eigenen Vorstellung gehen, bin ich restlos angetan. Ganz abgesehen davon, dass Bea wirklich ein anbetungswürdiges Geschöpf ist, bei dem sich die männliche Libido selbständig macht. Flo ergeht es so wie allen anderen Liebenden vor ihm. Er verändert sich. Nicht nur von seinen Ansichten her und seinem Toleranzbereich für Dinge, die er früher rigoros ablehnte. Es gibt deutliche körperliche Veränderungen. Er macht beispielsweise mehr Sport und sieht insgesamt fitter aus. Es gibt allerdings ein paar Wandlungen, die nicht sofort ins Auge stechen. Man muss schon ein sehr guter, vertrauenswürdiger Freund sein, um in den Genuss der Information zu kommen, was sich außer den sichtbaren Dingen geändert hat. Ich habe Florian auch einen halben Blutsschwur geleistet, dass ich seine bahnbrechende Erfahrung nie irgendwo herum erzähle, oder gar in einer kleinen Geschichte verarbeite. Es trägt sich also nach einer der ersten körperlichen Vereinigungen zu, dass Bea ihrem Flo weniger im Liebesrausch, als vielmehr mit überaus energischer, aber nicht minder liebender Nachdrücklichkeit ermahnt, die Länge seiner Behaarung im Schambereich zu überdenken. Nun war Flo sein gesamtes behaartes Erwachsenenleben ohne Rasur unterhalb seines Halses ausgekommen, erfreute sich gleichwohl aber der mädchengleichen Nacktheit der Körpermitte seiner Bea. Was liegt also näher, als Herrn Wilkinson zu bemühen?

      »Sag mal, nimmt man da einen anderen Rasierer als fürs Gesicht?«, fragt er mich eines Abends.

      »Ich denke schon. Wegen der Hygiene und so. Du hast ja als Kind auch zwei Waschlappen genommen. Einen für oben und den anderen für unten.«

      »Aber den Rasierschaum kann ich doch nehmen, oder greift der die Haut zu stark an?«

      »Hm, ich würde wohl was für sensible Haut nehmen, oder?«

      »Du hast Recht«, Florian streicht sich über seinen Bart, der bald die längste Behaarung seines Körpers aufweist, »aber muss ich nun mit oder gegen den Strich rasieren??«

      Ich sehe ihn erstaunt an: »Die entscheidende Frage ist doch wohl, wo geht der Strich lang?«

      Wir kommen einfach nicht weiter. Es wird nur der ernsthafte Versuch weiterhelfen. Doch Florian hat noch weitere Sorgen: »Und was, wenn ich mich schneide?«

      »Dann machst du ein Stück Papier drauf. So wie im Gesicht halt. Und desinfizieren kannst du alles mit Rasierwasser. Aber dann was für Männer wie Irish Moos oder Old Spice. Das macht richtig Banane.«

      »Nö, lass mal. Da nehme ich eine ganz sanfte Creme.«

      Wir verabschieden uns an jenem Abend wie zwei Männer, von denen einer in den Krieg ziehen muss. Als ich nach Hause gehe, sinniere ich noch ein wenig darüber, ob es denn ab einem gewissen Alter nicht mehr um die inneren Werte geht, sondern doch um äußere Erscheinungen. Vielleicht ist aber ein schnittiger Schambereich ein innerer Wert, weil er schließlich in der Hose liegt. Ich bin am Verzweifeln. Und in Gedanken ganz nah bei Florian. Der teilt mir in der Woche darauf seine wissenschaftlichen Erkenntnisse mit. Zum einen ist es ein durchaus erotisches Erlebnis, und wenn er noch zehn Jahre jünger wäre, naja, ich wisse schon. Zum anderen hätte es bereits rein optisch ein bis zwei Zentimeter in der Länge