Lutz Hatop

Monas braune Augen


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ich jetzt am Wochenende nach Süddeutschland fahre und Nägel mit Köpfen mache. Ich will keinen schwebenden Zustand mit Angelika. Das halte ich nicht aus.“ Sie verstand ihn immer noch nicht. „Dann fahr und mach Schluss, ich hab nichts dagegen!“ Mike druckste herum. „So mein ich das nicht.“

      Sie wurde sehr eindringlich, ihr Gesicht war Mike ganz nah. „Wie meinst du es dann? Hör auf, hier herum zu eiern. Was willst du dann, ich kann dir nicht folgen.“ Mike zögerte immer noch. „Was willst du? Rede!“

      „Begleite mich!“ Ihre Augen wurden groß. „Dich begleiten? Hältst du das für eine gute Idee? Deine Verlobte wird sich freuen, wenn du den Grund für die Entlobung gleich mitbringst. Mike, denk bitte nach. Du gießt Öl ins Feuer. … Und fliegt uns beiden dann um die Ohren.“

      „Ich weiß das auch. Aber vielleicht bist du die einzige Fürsprecherin, die einzige, an die ich mich hinterher wenden kann. Zu Angelika musst du auf keinen Fall mit, aber bei meinen Eltern will ich klare Verhältnisse. Sie müssen wissen warum und weswegen. Sie haben mich zu Toleranz erzogen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dich ablehnen.“

      Mona dachte nach und legte sich neben Mike. „Hast du deine Verlobte in den Jahren, als ihr zusammen wart, mal betrogen?“ Mike richtete sich auf. Verständnislos blickte er sie an. „Was soll diese Frage? Nein, niemals!“

      Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Dann nach einer kurzen Unterbrechung sagte er langsam. „Ich will ehrlich zu dir sein. Doch, ein einziges Mal habe ich sie betrogen. Mein Gewissen hat mich auch geplagt.“ Mona richtete sich auf. „Du warst ihr untreu? Ich will keinen Freund, der nicht treu ist.“ Während sie das sagte, ließ er sich zurückfallen und schaute dabei verträumt an die Decke.

      „Sie war meine große Liebe. Nie zuvor hatte ich so gefühlt.“

      „Sag mal, spinnst du? Und was bin ich jetzt?“

      „Moment, du wolltest doch, dass ich ehrlich zu dir bin, oder? … Sie hatte wunderbare Augen, wie zwei Polarsterne.“ Mike blickte immer noch an die Decke und Monas Stirn zog sich langsam aber sicher in Falten.

      Sie war kurz vor dem Aufspringen, so redete Mike schnell weiter. „Na ja, und sie war natürlich auch was ganz besonderes. Schon ein kleines bisschen eigensinnig und sie war“, Mike blickte ihr jetzt direkt in die Augen, „schwarz!“ Mona bekam große Augen und sprang wie eine Wildkatze auf Mike. „Ah, du Schuft, verkohlst mich hier die ganze Zeit. Na warte, mein Lieber.“ Der wehrte sich. „Wieso denn, ich habe nichts als die Wahrheit gesagt. Nichts war gelogen.“

      Ihre Stimme wurde weich. „Kannst du das noch mal wiederholen?“

      „Ich glaube nicht.“ Mona reagierte enttäuscht: „Und warum nicht?“

      „Weil du das Gesülze nicht magst. Ich will’s mir mit dir doch nicht verderben.“ Mike grinste. Mona rollte aus dem Bett und ging ohne ein weiteres Wort ins Berliner Zimmer, nahm sich eine Decke und setzte sich in einen der Herrensessel. Mike blieb verdattert zurück, besann sich kurz und lief zu Mona.

      Die hatte Tränen in den Augen. „Bist du jetzt zufrieden?“ Mike ging neben dem Sessel auf die Knie. „Tut mir leid. Ich hab das vorhin ernst gemeint. Du bist meine große Liebe. Deine Augen leuchten wie zwei Polarsterne, aber nur wenn sie glücklich sind. Mona, bitte sieh mich an.“ Mona drehte sich langsam zu ihm, umfasste ihn und rutschte aus dem Sessel. Keine Worte fielen mehr. Sie küssten sich.

      Nach einiger Zeit sagte Mona leise zu Mike. „Ich fahre mit nach Süddeutschland. Außerdem habe ich keine Angst weder vor deiner Familie noch vor deiner Verlobten.“ Mike lächelte: „Ich bin froh, wenn du dabei bist. Übernachtet wird aber im Hotel!“

      So geschah es. Mona wusste jetzt endgültig, das er es ernst mit der Auflösung der Hochzeit meinte.

       Ein folgenreicher Anruf

      Am Abend 19 Uhr. Mike hatte sich endlich durchgerungen, in Lorch anzurufen. Mona hatte bereits am Vormittag die Wohnung verlassen und war direkt in die Schauspielschule gefahren. Mike fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut, als er den Hörer abnahm und Angelikas Nummer wählte.

      Vor allem: Es war das Festnetz und nicht die mobile Rufnummer wie sonst immer. „Hallo Marianne, Mike hier, ist Geli zu sprechen?“

      „Ja, die ischt da, wieso rufscht du denn auf dem Feschtnetz an? Geeliii, kommscht du mal bitte ans Telefon, Mike ist dran!“ Angelika kam im Laufschritt an.

      „Wieso denn am Telefon, hat der Hutsimpel meine Handynummer vergessa!“ Angelikas Mutter zuckte mit den Schultern. „Kei Ahnung.“ Sie reichte ihrer Tochter das Telefon. „So Mike, ich bin da. Was gibt’s, weischt du meine Handynummer nicht mehr, es sind grad einmal zwei Tag her.“ Mikes Stimme zitterte. „Geli, hör mir zu, ich komme am Samstag nach Lorch.“

      „Wieso schwätzt du jetzt hochdeutsch mit mir?“

      „Ich werde so gegen fünfzehn Uhr bei dir sein, bist du dann da?“

      „Du hörscht dich so andersch an, sag a mal, hat’s mit der Hochzeit zum tun?“

      „Ja, aber bitte nicht mehr am Telefon, ich will das persönlich mit dir besprechen, also dann bis Samstag!“

      „Wart, halt …, so ein Grasdackel aber au.“

      Mike hatte den Hörer schon aufgelegt und ging auch nicht mehr ans Telefon, obwohl es noch mehrere Male klingelte. Daraufhin schickte er noch eine SMS hinterher, dass er sich telefonisch nicht mehr melden und am Samstag alles persönlich erklären werde.

      Der nächste Anruf galt seinen Eltern. „Hallo Mama, du ich wollt euch sagen, dass ich am Samstag nach Lorch komme. Ab fünf könnt ihr mit mir rechnen.“

      „Oh, was für eine Überraschung, da freuen wir uns aber! Aber so kurz vor der Hochzeit, gibt es einen Grund?“

      „Ja den gibt es, aber alles am Samstag, bis dann!“

      Mike hatte mit seinen Anrufen für heftige Verwirrung und Spekulationen gesorgt. Angelika ahnte schlimmes, Christiane, Mikes Mutter, dagegen machte sich keine weiteren Gedanken, sie war glücklich, dass just an diesem Tag auch ihre Tochter Melanie mit Mann Michael auf ihrer Heimreise aus dem Winterurlaub kurz in Lorch Station machen wollten und so völlig überraschend die ganze Familie beisammen wäre.

      Als Christiane Uwe, Mikes Vater, von dem Anruf erzählte, bemerkte dieser nur trocken. „Wenn der Mike mal nicht die Hochzeit absagen will.“

      „Uwe, das glaube ich nicht, unser Sohn sagt nicht zwei Wochen vorher eine Hochzeit ab, die zwei mögen sich doch!“

      „Vielleicht hat er eine andere gefunden, bei dem Wankelmut unseres Sohnes würde mich das nicht verwundern.“

      „Du siehst Gespenster, ich kenne ihn, dass würde er uns niemals antun.“

      „Er hat auch ohne Not einen guten Job aufgegeben um nach Berlin zu gehen. Dafür könnte ich ihn heute noch …“

      Christiane unterbrach Uwe. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Er ist jung und da macht man eben manchmal Dinge, die den Eltern nicht gefallen. Eine Hochzeit ist was anderes. Alles ist organisiert und bestellt, alle Termine stehen. Da kann man nicht mehr absagen. Das ist genauso, wenn jemand vor dem Traualtar nein sagt. Ich habe so was bisher noch nicht gehört. So was gibt es nur in schlechten Filmen und noch schlechteren Büchern. Außerdem können sich so einen Mist nur Männer ausdenken.“

      Damit war die Diskussion beendet. Für Christiane war die Bemerkung von Uwe außerhalb ihres Vorstellungsvermögens.

       Monas Familie

      Am Abend des gleichen Tages kam Mona heim ins Elternhaus. „Haus“ ist eine zu bescheidene Umschreibung für eine neobarocke Villa aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.