neuen Staates Albanien erreichte die Wiener Diplomatie ihr Ziel, Serbien von der Adria fernzuhalten. Die Balkankriege waren Wegbereiter für den Eintritt der südosteuropäischen Staaten in den Ersten Weltkrieg. Das Osmanische Reich trat ebenso wie das auf dem Balkan isolierte Bulgarien an der Seite der Mittelmächte in den Krieg ein. Beide Mächte strebten eine Revision der neu gezogenen Grenzen an.
6) Jugoslawien war ein unter der Schirmherrschaft der Westmächte geschaffenes künstliches Gebilde. Zusammengesetzt wurde es aus den Randzonen jener beiden Vielvölkerstaaten, die auf dem Balkan am längsten Bestand hatten und sein Bild am dauerhaftesten geprägt haben: das Osmanische Reich und die österreichisch-ungarische Monarchie, der Erbe des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
7) NEUBACHER, Hermann. „Sonderauftrag Südost. 1940–45, Bericht eines fliegenden Diplomaten 1956“. Musterschmid Verlag, Göttingen. S. 17 f. Neubacher war während des Zweiten Weltkriegs Sondergesandter des deutschen Reichsaußenministeriums für den Balkan.
8) In Kroatien dauert die jährlich fällige Verlängerung der Akkreditierung als Auslandskorrespondent mindestens eine Woche, in Bosnien und Herzegowina 30 Minuten. Wenn ich meine kroatischen Freunde aufziehen will, frage ich immer: „Wisst Ihr, was Euch Serben, Bosniaken, Albaner und Montenegriner voraus haben?“. Auf die erstaunte bis entrüstete Gegenfrage: „Was?!“ lautet die Antwort: „Sie wissen, dass sie am Balkan sind!“
9) Slowenien blieb diese Zuordnung vor allem erspart, weil der „Krieg“ nur zehn Tage dauerte. Slowenien konnte sich somit am unbeschadetsten aus der Konkursmasse des alten Jugoslawien verabschieden. Daher hat Slowenien auch keine Probleme mit dem Haager Tribunal. Außerdem war das Land die am weitesten entwickelte Teilrepublik und verfügte in den 1990er Jahren über eine sehr fähige politische Elite, die nach einigen Anlaufschwierigkeiten Slowenien konsequent Richtung EU steuerte.
10) Dabei ging es um die Fahndung nach General Ante Gotovina. Vom Haager Tribunal wegen Kriegsverbrechen im Zuge der Befreiung Kroatiens angeklagt, war Gotovina seit Sommer 2001 auf der Flucht. Verhaftet wurde er im Oktober 2005 in Spanien.
11) Karl May zählt seit mehr als einhundert Jahren zu den meistgelesenen Schriftstellern weltweit. Sein Werk wurde in mehr als vierzig Sprachen übersetzt. Die Weltauflage liegt bei mehr als 200 Millionen Bänden (davon ca. 100 Millionen in Deutschland). Ganze Generationen bezogen ihr Bild von den Indianern oder dem Orient aus seinen Werken.
12) MAY, Karl: „In den Schluchten des Balkan“. Karl May Verlag, Bamberg Radebeul. S. 20
13) MAY, Karl: „Durch das Land der Skipetaren“. Karl May Verlag, Bamberg Radebeul. S. 5
14) Dieser Ausspruch wird Fürst Metternich zugeschrieben, dessen Villa im dritten Bezirk stand. Die Stoßrichtung seiner Aussage, konnte ich nicht klären. Eine Interpretation lautet, dass sich am Rennweg die erste Karawanserei befand, und Metternich dadurch zu dieser Aussage veranlasst wurde, die heute somit vielleicht eine ganz andere Bedeutung hätte.
15) VODOPIVEC, Alexander. „Die Balkanisierung Österreichs – Folgen einer großen Koalition“. Fritz Molden Verlag, Wien – München, 1966
2.
Der Balkan und seine Bedeutung für Österreich
Mit Bundespräsident Fischer in Kroatien: Krawatten-Richten vor dem Interview
Die Putzfrau aus Požarevac war für mich – als ich 1987 nach Wien kam – einer meiner ersten direkten Kontakte mit dem Balkan. Damals sagte mir die Stadt nicht viel, und außer dass sie in Serbien lag, wusste ich eigentlich nichts über sie. Vor allem den historischen Zusammenhang mit Österreich konnte ich nicht herstellen. Das änderte sich bereits im Jahr 2000, als ich in die Stadt zu einer Reportage über Slobodan Milošević fuhr, der dort geboren und nach seinem Tod in einer Zelle des Haager Tribunals auch begraben wurde.1) Ehrfürchtiger betrachtete ich die Stadt nach dem Besuch des damals noch recht verfallen wirkenden kleinen Museums. Požarevac ist das historische Passarowitz aus meiner Schulzeit. Der Friede von Passarowitz, geschlossen am 21. Juli 1718 zwischen Karl VI. und Venedig einerseits sowie Sultan Ahmed III. andererseits, führte zur größten Ausdehnung der Herrschaft der Habsburger am Balkan.2) Letztlich war Passarowitz für 20 Jahre Grenzstadt des Reiches.
Wie prägend diese 20 Jahre für die Stadt waren, weiß ich nicht. Die zwischenmenschlichen Kontakte zu Österreich sind jedenfalls eng; sie dokumentiert allein schon die Autobusstation, denn jeden Tag fährt ein Autobus von Požarevac nach Wien. Eine Fahrkarte tour-retour kostet 70 Euro, wobei die Fahrt 12 Stunden dauert. Ein Viertel der Stadtbevölkerung arbeitet als Gastarbeiter im Ausland, und so kam auch jene Putzfrau aus Požarevac nach Wien, in ihre ehemalige Reichs- und Residenzstadt. Doch das Imperium schlägt bekanntlich zurück, und die stetig wachsenden wirtschaftlichen Kontakte haben dazu geführt, dass Firmen aus Österreich am Balkan auch im Putz- und Reinigungsgeschäft tätig sind. Dazu zählt die Firma Securicom aus Niederösterreich,3) die in Mazedonien 1.400 Mitarbeiter beschäftigt, davon mehr als 500 im Reinigungssektor. Angeboten werden simple Stiegenhausreinigungen über spezielle Putztrupps für Krankenhäuser bis hin zu solchen für Industrieanlagen. Der Vorteil dieser und ähnlicher Anbieter sind moderne Technologie und ein Grad an Hygiene, auf die nicht nur internationale Firmen und Organisationen nicht verzichten wollen.
Als Investor liegt Österreich mit 340 Millionen Euro in Mazedonien an vierter Stelle,4) 50 Firmen sind mit Niederlassungen oder Produktionsstättenvertreten oder wie Knauf oder Tondach. Der Dachziegelhersteller aus Kleinstätten in der Steiermark war für mich immer ein Beispiel, wie die Ostöffnung die österreichische Wirtschaft verändert hat. Aus einem kleinen Ziegelwerk mit 250 Mitarbeitern wurde eine Aktiengesellschaft, die in Ost- und Südosteuropa mit 34 Werken vertreten ist und 3.100 Mitarbeiter beschäftigt, davon 300 in Österreich.5) Eine umfassende Geschichte dieser Transformation der österreichischen Wirtschaft ist bisher nicht geschrieben worden, und im Bewusstsein der Bevölkerung ist dieser enorme Wandel der vergangenen 20 Jahre noch viel zu wenig präsent. Trotzdem war und ist die Expansion natürlich mit Risiken und Problemen verbunden, die in besonders gravierenden Fällen auch eine klare politische Rückendeckung durch die österreichische Regierung erforderlich machen. Beispiele dafür finden sich in Mazedonien, Kroatien und anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawien, über die ich immer wieder berichtet habe. Dazu zählen Rechtsunsicherheit, weil beispielsweise das Grundbuch noch immer nicht zuverlässig ist, Korruption, Behördenwillkür und Bürokratie. All diese Erscheinungsformen zeigen, wie wichtig einerseits die rasche