insistieren, gegen die vulgäre Ideologie-Konzeption, nach der Ideologie einer festen und unveränderlichen Beziehung entspringt zwischen dem ökonomischen Verhältnis und der Art und Weise, wie dieses sich in Ideen ›ausdrückt‹ oder repräsentiert. Diesen Bruch mit einer einfachen Vorstellung von ökonomischer Determination der Ideologie strebten moderne Theoretiker an durch ihre Anleihen bei neueren Arbeiten über die Natur der Sprache und des Diskurses. Die Sprache ist das Medium par excellence, durch das Dinge im Denken ›repräsentiert‹ werden, und deshalb das Medium, in dem Ideologie erzeugt und transformiert wird. In der Sprache aber kann dasselbe gesellschaftliche Verhältnis unterschiedlich repräsentiert und konstruiert werden, und zwar deshalb, weil die Sprache ihrer Natur nach zu ihrem Referenten nicht in einer eindeutigen Relation fixiert, sondern ›multireferentiell‹ ist: sie kann unterschiedliche Bedeutungen dessen konstruieren, was offenbar dasselbe gesellschaftliche Verhältnis oder Phänomen ist.
Es mag der Fall sein oder auch nicht, dass Marx in der zur Diskussion stehenden Passage eine feste, determinierte und unveränderbare Beziehung zwischen dem Austausch auf dem Markt und seiner Aneignungsweise im Denken unterstellt. Ich denke jedoch nicht, wie man aus dem bisher Gesagten entnehmen kann, dass dem so ist. Nach meiner Auffassung hat ›der Markt‹ in der bürgerlichen politischen Ökonomie und im spontanen Bewusstsein der praktischen Bürger eine, in der marxistischen ökonomischen Analyse aber eine ganz andere Bedeutung. Mein Argument wäre deshalb, dass Marx implizit sagt, es sei ausgesprochen merkwürdig, wenn in einer Welt, in der es Märkte gibt und der Austausch das ökonomische Leben beherrscht, keine Kategorie existieren würde, die uns erlaubt, in Bezug darauf zu denken, zu sprechen und zu handeln. In diesem Sinne drücken alle ökonomischen Kategorien – bürgerliche oder marxistische – bestehende gesellschaftliche Verhältnisse aus. Ich denke aber, aus dem Argument folgt auch, dass die Marktverhältnisse nicht immer durch dieselben Denkkategorien repräsentiert sind.
Es gibt keine feste und unveränderbare Beziehung zwischen dem, was der Markt ist, und der Art und Weise, wie er in einem ideologischen oder erklärenden Rahmen konstruiert wird. Wir könnten sogar sagen, dass eine der Absichten des Kapital gerade die ist, den Diskurs der bürgerlichen Politischen Ökonomie – den Diskurs, in dem der Markt am geläufigsten und im selbstverständlichsten Sinne verstanden wird – zu verschieben und durch einen anderen zu ersetzen: einen Marktdiskurs, der sich in das marxistische Schema einfügt. Deshalb sind die beiden Zugangsweisen zum Verständnis der Ideologie nicht völlig widersprüchlich, sofern die Stelle nicht allzu buchstäblich genommen wird.
Wie steht es nun mit den ›Verzerrungen‹ der bürgerlichen Politischen Ökonomie als einer Ideologie? Eine Lesart ist, dass sie, da Marx die bürgerliche Politische Ökonomie ›verzerrt‹ nennt, ›falsch‹ sein muss. Diejenigen, die ihr Verhältnis zum ökonomischen Leben ausschließlich in deren Denk- und Erfahrungskategorien leben, haben somit per definitionem ein ›falsches Bewusstsein‹. Hier müssen wir wiederum auf der Hut sein vor zu schnellen Schlussfolgerungen. Zum einen macht Marx einen wichtigen Unterschied zwischen ›vulgären‹ Versionen der Politischen Ökonomie und fortgeschrittenen Versionen wie derjenigen von Ricardo, von der er deutlich sagte, dass sie »wissenschaftlichen Wert« habe. Was kann er aber nun in diesem Kontext mit ›falsch‹ und ›verzerrt‹ meinen?
Er kann nicht meinen, dass der Markt nicht existiere. Der ist in der Tat allzu wirklich. In bestimmter Hinsicht ist er gerade das Lebenselixier des Kapitalismus. Ohne ihn hätte der Kapitalismus niemals den Rahmen des Feudalismus gesprengt; und ohne seine unablässige Kontinuität würde die Zirkulation des Kapitals zu einem plötzlichen und katastrophalen Stillstand kommen. Ich denke, diese Worte machen nur Sinn, wenn wir an eine Darstellung des aus einer Wechselbeziehung zahlreicher Momente bestehenden ökonomischen Kreislaufes denken, die vom Standpunkt eines einzigen dieser Momente erfolgt.
Wenn wir in unserer Erklärung nur ein Moment hervorheben und nicht das differenzierte Ganze oder »Ensemble« berücksichtigen, dessen Teil es ist, oder wenn wir, um den ganzen Prozess zu erklären, Denkkategorien verwenden, die nur einem dieser Momente zugehören – dann riskieren wir eine »einseitige« Darstellung, wie es Marx (im Anschluss an Hegel) nennen würde.
Einseitige Erklärungen sind immer eine Verzerrung. Nicht im Sinne einer Lüge über das System, aber in dem Sinne, dass eine ›Halb-Wahrheit‹ nicht die ganze Wahrheit von irgendetwas sein kann. Mit solchen Vorstellungen wird man immer nur einen Teil des Ganzen repräsentieren. Man wird damit eine Erklärung produzieren, die nur teilweise adäquat – und in diesem Sinne ›falsch‹ – ist. Wenn man ferner nur Marktkategorien und -konzepte verwendet, um den kapitalistischen Kreislauf als ganzen zu verstehen, dann kann man viele seiner Aspekte buchstäblich nicht sehen. In diesem Sinne verdunkeln und mystifizieren die Kategorien des Markts unser Verständnis des kapitalistischen Prozesses: das heißt, sie befähigen uns nicht dazu, Fragen über sie zu sehen und zu formulieren, denn sie machen andere Aspekte unsichtbar.
Hat die Arbeiterin, die ihr Verhältnis zum Kreislauf der kapitalistischen Produktion ausschließlich in den Kategorien eines ›gerechten Preises‹ oder eines ›gerechten Lohns‹ lebt, ein ›falsches Bewusstsein‹? Ja, wenn wir damit meinen, dass es in ihrer Lage etwas gibt, das sie mit den von ihr verwendeten Kategorien nicht begreifen kann; etwas von dem Prozess als ganzem, das systematisch verborgen bleibt, weil die verfügbaren Begriffe ihr nur den Zugriff zu einem seiner vielen Momente erlauben. Nein, wenn wir damit meinen, dass sie sich vollkommen darüber täuscht, was im Kapitalismus vor sich geht.
Die Falschheit entsteht daher nicht aus der Tatsache, dass der Markt eine Illusion, ein Trick, eine Taschenspielerei wäre, sondern sie besteht nur im Sinne einer inadäquaten Erklärung eines Prozesses. Dabei wird ferne an die Stelle des ganzen ein Teil des Prozesses gesetzt – ein Verfahren, das in der Linguistik als »Metonymie‹ und in der Anthropologie, Psychoanalyse und (in einer speziellen Bedeutung) in Marx’ Werk als Fetischismus bekannt ist. Die anderen dabei ›verlorengegangenen‹ Momente des Kreislaufs jedoch sind unbewusst, nicht im Freudschen Sinne als vom Bewusstsein verdrängte, sondern in dem Sinne, dass sie unsichtbar sind bei den gegebenen Begriffen und Kategorien, die wir verwenden.
Dies ist auch hilfreich, um die sonst extrem verwirrende Terminologie im Kapital zu erklären, soweit sie das betrifft, was ›an der Oberfläche erscheint‹ (von dem manchmal gesagt wird, es sei ›bloße Erscheinung‹, das heißt nicht wichtig, nicht die wirkliche Sache), und was ›darunter verborgen‹ und in die Struktur eingebettet ist, weil es nicht auf der Oberfläche liegt. Entscheidend ist jedoch, dass – wie das Beispiel Tausch/Produktion deutlich macht – ›Oberfläche‹ und ›Erscheinung‹ nicht falsch oder illusorisch im gewöhnlichen Wortsinn bedeutet. Der Markt ist nicht mehr oder weniger ›wirklich‹ als andere Aspekte, zum Beispiel die Produktion. Die Produktion ist in Marx’ Terminologie nur das, womit wir die Kreislaufanalyse beginnen sollten: »… der Akt, worin der ganze Prozess sich wieder verläuft.« (Grundrisse, 15) Aber die Produktion ist vom Kreislauf nicht unabhängig, denn die gemachten Profite und die auf dem Markt gekaufte Arbeitskraft müssen in die Produktion zurückfließen. ›Wirklich‹ drückt deshalb nur einen gewissen theoretischen Primat aus, den die marxistische Analyse der Produktion einräumt. In jedem anderen Sinn ist der Austausch auf dem Markt ein genauso realer, materieller Vorgang und ein absolut ›wirkliches‹ Erfordernis für das System – wie die anderen Teile auch: alle sind »Momente eines Akts« (Grundrisse, 15).
Auch die Ausdrücke ›Erscheinung‹ und ›Oberfläche‹ selbst stellen ein Problem dar. Erscheinungen können etwas konnotieren, das ›falsch‹ ist, Oberflächenformen scheinen nicht so tief zu gehen wie ›Tiefenstrukturen‹. Diese sprachlichen Konnotationen haben den unglücklichen Effekt, dass sie uns die verschiedenen Momente in der Form mehr/weniger real, mehr/weniger wichtig anordnen lassen. Aber von einem anderen Standpunkt aus ist das, was an der Oberfläche ist, was fortwährend erscheint, gerade dasjenige, was wir immer sehen, dem wir täglich begegnen, was wir ganz selbstverständlich als die offensichtliche und manifeste Form des Prozesses annehmen. Es ist dann nicht überraschend, dass wir spontan das kapitalistische System denken im Sinne der Teilstücke, die uns ständig beschäftigen und die so manifest ihre Präsenz bekunden. Was kann die Abpressung von »Mehrarbeit« als ein Begriff ausrichten gegen so handfeste