worden?“
„Ich rede vom Ersten!“
„Sie sind so alt wie mein Großvater? Sie sehen viel jünger aus!“
„Danke! Leider gehe ich jetzt schon nach Hause. Meine Mutter wartet mit dem Essen auf mich. Sehen wir uns morgen wieder?“
„Père Albert?“, fragt Louane erstaunt und setzt ein ironisches Lächeln auf. „Der ist im Ort bekannt wie ein bunter Hund!“
„Der Kerl nimmt Würmer in den Mund und angelt mit bloßen Händen!“
„Albert ist ein sonderbarer Kauz!“, bestätigt die Tante.
„Trotz seines Alters“, ist Marcel euphorisiert, „kocht seine Mutter, noch immer sein Essen! Wie alt ist der Mann?“
„Wenn ihn einer fragt, so sind achtzig Jahre seit seiner Geburt vergangen. Das ist in meiner Kindheit schon so gewesen! Keiner kennt seinen wahren Geburtstag und soviel ich weiß, sind weder Dokumente noch Papiere vorhanden, aus denen sich Genaueres ableiten lässt.“
„Was sagt das Melderegister? Hat dort jemand nachgesehen?“
„Dort existiert kein Eintrag zu seiner Person.“
„Nicht einmal als Soldat?“
„Albert hat sich freiwillig gemeldet und unter falschem Namen mit drei Kreuzen unterschrieben, hat mir der ‚Filou’ selbst einmal erzählt!“
„So alt ist niemand! Das ist gegen das Gesetz der Natur.“
„Das Alter dieser Spezies, von der Albert stammt, ist Teil einer alten Legende, von einer Menschheit vor unserer Menschheit! Diese ist wesentlich älter geworden als wir heute.“
„Was ist das für eine Menschheit gewesen?“
„Denke nur an den »Cro Magnon«. Die Wissenschaft behauptet, diese Gattung sei ausgestorben. Einzelne von ihnen weilen weiterhin unter uns.“
„Vor rund zehn Jahren ist ein Film in den Kinos gelaufen, in dem die Langlebigen »Highlander« genannt worden sind. Das Abschlagen des Kopfes ist Grundvoraussetzung, um deren Leben zu beenden.“
„»Highlands« heißt auf Französisch »Haut Pays«. Das liegt gleich um die Ecke, rund um den Ort »Pouldreuzig«. Dort findest du den Ursprung dieser Legende. Um auf Père Albert zurückzukommen: Dieser Naturbursche hat, so lange ich ihn kenne, niemals gekränkelt oder eine ernsthafte Verletzung gehabt.“
„Eines Tages entdecken ihn die Behörden bei einer Volkszählung.“
„Ohne Nachnamen und ohne Papiere ist eine Zuordnung nicht möglich. Noch ist für ihn kein behördliches Raster eng genug, um ihn zu erfassen.“
„Was ist mit seiner Krankenversicherung?“
„Nicht vorhanden!“
„Mietvertrag?“
„Ich habe etwas munkeln hören, das Haus, in dem seine Mutter lebt, gehört einer Stiftung. Ich vermute, der Verein deckt seine Mitglieder auf diese Weise vor dem Staat, der Kirche und der Wissenschaft.“
„Wovon lebt der Mann?“
„Durch den Verkauf von Fischen an die Restaurants im Ort. Das reicht ihm für ein paar Zigaretten und eine Flasche Wein von Zeit zu Zeit.“
„Und was kocht ihm seine betagte Mutter?“
„Die beiden haben einen kleinen Garten. Alles andere liefert das Meer.“
„Muss ich Angst vor ihm haben?“
„Vor Albert? Einem liebenswerteren Menschen bin ich nie begegnet!“
Mit den sich verschiebenden Gezeiten setzt der Regen jeden Tag eine Stunde später als am Vortag ein. Tante Louane fährt ihren Neffen täglich zum alten Kutter und holt ihn zur vereinbarten Zeit dort wieder ab. Jedes Mal, wenn das Auto an der Kreuzung zur Hauptstraße ankommt, ist der Dorfpolizist nervös und stoppt sofort den fließenden Verkehr.
„Ist dir aufgefallen,“ fragt Marcel den Unschuldigen mimend, „wie der Polizist auf dich reagiert?“
„Ach Yves? Der steht seit der Schulzeit auf mich und hat sich nie getraut mich anzusprechen. Seit der Bürgermeister-Affäre wirft der Möchtegern-Kommissar leider ein weiteres Auge auf mich, da ich seiner Meinung nach für das Ableben des Ortsvorstehers verantwortlich bin. Aber mal was anderes! Dein Großvater hat sich bei mir beschwert. Warum sagst du nur kurz guten Tag und gehst gleich wieder? Gib dir einen Ruck und höre dir seine Geschichten an.“
„Jeden Sommer drückt Opa mir seine Kriegsgeschichten aufs Ohr! Ich habe das Gefühl, schon zum hundertsten Mal von seiner Begegnung mit einem deutschen Soldaten 1918 im Niemandsland zwischen den Fronten gehört zu haben. Mit dieser Episode beschönigt Opa meinen deutschen Vater, nur weil beide zu feige gewesen sind, aufeinander zu schießen!“
„Die Alten bauen mit den Geschichten der Jugend Brücken ins Leben.“
„Brücken, die niemand braucht!“
„Du hast keine Ahnung, wann du an den Abgrund gerätst! Vielleicht erzählt mein Vater dir von seiner Deportation. Über seine schlimmen Erfahrungen in Deutschland hat dein Opa nie mit mir gesprochen. Was die Brücken anbelangt, denke nur an deine Glatzköpfe!“
„Musst du die erwähnen? Du verdirbst mir die gute Laune!“
„Nach dem Angeln tust du mir bitte den Gefallen, dich mit deinem Großvater zu beschäftigen. Wer weiß, wie lange der Gute noch lebt!“
„Für mich sind das keine guten Argumente. Am Ende habe ich einen Haut-Pays-Opa, der mich noch überlebt!“
„Abwegig ist das nicht! Grüße Albert von mir.“
Dank der Sandwürmer fängt Marcel regelmäßig Fische. Darunter Exemplare, die der Anfänger zuvor nie zu Gesicht bekommen hat. Ein Grundfisch mit einem überdimensionierten, gepanzerten und mit Stacheln bewehrten Kopf. An dem mickrigen Körper scheint wenig Essbares dran zu sein. Ein aalförmiger Fisch hängt am Haken, der ein langes spitzes Maul hat, in dem eine erschreckende Anzahl kleiner Zähne aufgereiht sind. Der Fang versucht, seinen Fänger zu beißen, wann immer dieser nach ihm greift. Vor Aufregung hat Marcel vergessen, Handschuhe anzuziehen.
„Gib bei den »Nadeln« acht!“, rät Albert, der unbemerkt auf dem Kutter aufgetaucht ist. „Wenn das Vieh dich erwischt, reißt sein Kiefer dir die Haut mehrere Zentimeter weit auf. Die Wunden entzünden sich und verheilen nur langsam!“
Schon greift der erfahrene Fischer nach einem Stück Holz und verpasst dem großäugigen Hornhecht einen kräftigen Hieb.
„Das ist eine Meeresnadel. Einfach salzen und nach ein paar Minuten auf den Grill legen. Dieser Fisch hat viele türkisfarbene Gräten, ist aber trotzdem recht wohlschmeckend.“
„Meine Tante sagt, Sie seien schon recht alt.“
„Da hat die gute Louane nicht unrecht. Ich stamme noch vom dritten Menschengeschlecht ab, welches auf der Erde lebt.“
„Hat Gott den Menschen nicht im Paradies erschaffen?“
„Die Götter haben mehrere Gattungen Mensch geschaffen. Im alten
»Elysium«, in »Stonehenge«, ist aus dem »Neandertaler« der »Cro Magnon« entstanden. Der letzte Garten Eden hat in der Bretagne gelegen, bevor das »ENG.EL Land« namens »Albion« sich vom Festland gelöst hat. Das ehemalige Labor ist der »Cairn vom Petit Mont« und die Geburtsstation der »Cairn von Gavrinis«. Der Apfelbaum hat auf der
»Île-aux-Moines« der Hauptinsel von »Avalon« gestanden. Nachdem Noah mit der Arche in »Arradon«1 gelandet ist, hat EN.LIL aus dem
»Cro