Andrew Taylor Still

Das große Still-Kompendium


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Nach kurzer Zeit trat er auf eine Lichtung und wir sahen ihn im gleichen Augenblick. Ich hüpfte auf und ab und Jim folgte meinem Beispiel. Schon erreichte der Richter unseren Hof, aber lange bevor er uns erreichte, riefen wir ihm zu, ob er einen Hirsch getötet habe. Er antwortete:

      „Ja, ich habe einen kapitalen Bock geschossen und ihr bekommt alle ein feines Wildbret zum Mittag – wie versprochen.“

      Er fragte uns, ob wir so etwas schon gegessen hätten. Wir verneinten, wir hätten so etwas noch nie gesehen, geschweige denn probiert. Er sagte, der Hirsch läge oben an der Quelle, er müsse ein Pferd satteln, um ihn zu holen. Als er sein Pferd bestieg, fragte er mich, ob ich ihn zum Hirsch begleiten wolle, woraufhin ich mich hinter ihm in den Sattel schwang. In wenigen Minuten erreichten wir die Quelle und saßen bei dem Hirsch ab, welcher das Wunderschönste war, was ich je gesehen hatte. Er erstreckte sich etwa 1,50 Meter von der Nasenspitze bis zur Schwanzspitze, war gut einen Meter hoch und sein Schwanz maß nahezu 30 Zentimeter. Seine Füße und sein Maul ähnelten denen der Schafe, nur dass seine Hufe um einiges spitzer waren. Sein Fell hatte die Farbe irischen Whiskys und seine Beine waren sehr dünn und muskulös, nicht breiter als ein Besenstiel aber beinahe 1 Meter lang. Ich dachte „Oh! Wie schnell musste er rennen können, bevor er sein Leben ließ, um unseren Tisch zu zieren.“ Wenn er einen Hügel herunter rennt, kommt ein Hirsch mit einem Satz gut 15 – 18 Meter weit. So weit, wie ein Junge mit sechs oder sieben Sprüngen. Er kann über einen Mann hinweg springen, ohne dessen Hut zu berühren.

      Bald waren wir mit dem Hirsch am Haus. Wir zogen ihn ab und hängten ihn zum Auskühlen in einen Baum, sodass wir ihn erst zum nächsten Frühstück statt am Abend essen konnten. Am nächsten Morgen waren wir bereits früh aus den Federn. Mutter kochte einen großen Topf voll und trug alles auf einem großen Teller in der Mitte des Tisches auf. Es war das köstlichste Essen, das ich jemals gegessen habe. Möglicherweise machten der Appetit eines Jungen und meine regelmäßigen körperlichen Anstrengungen das Fleisch zu dem zartesten Fleisch, das ich je kostete. Bevor ich das Thema Hirsch verlasse, möchte ich noch von einem Abenteuer berichten, dass ich zwölf Jahre später, als ich bereits beinahe ein erwachsener Mann war, mit einem verwundeten Bock hatte. Ich war mit meinem Gewehr und meinen drei Hunden draußen, als ich ein Geräusch durch den Busch auf mich zupreschen hörte und der Bock auch schon in Sicht kam. Es war ein Neunender und beinahe dreimal so groß wie jener von Richter Cochran. Ich realisierte die Gefahr, die von einer Begegnung mit solch einem Monster ausgeht, falls ich mit meinem Schuss nicht treffen würde. Als mir klar wurde, dass ich zwar im Falle eines Treffers in Sicherheit war, der Hirsch mich aber anderweitig töten würde, sofern mich meine Hunde nicht retteten, riss ich mein Gewehr hoch, als er nur noch wenige Meter entfernt war. Der Schuss ging los und der Bock zu Boden. „Halleluja! Tom ich hab’ ihn!“ Mein Bruder Tom war keine 15 Meter hinter mir. Ich ging auf den Hirsch zu und glaubte ihn tot, als er bei meinem Näherkommen den Kopf hob und versuchte mich anzugreifen. Ich hatte keine Zeit zu verlieren und kletterte in weniger als null Sekunden auf einen Baum, wobei ich genug Geistesgegenwart besaß mein Gewehr bei mir zu behalten. Von meinem Ast aus lud ich nach und schoss auf den Hirsch, bis er erlegt war. Meine drei Hunde zerrten die ganze Zeit an ihm und ich musste sehr vorsichtig dabei sein den Hirsch zu erlegen, ohne meine Hunde, mit denen der Hirsch um sein Leben kämpfte, zu erschießen. Ich habe Männer im Todeskampf miteinander raufen sehen, aber ich glaube nicht, dass mir je eine verzweifeltere Begebenheit begegnet ist als diese. Ich war nicht der erste gewesen, der auf den Bock geschossen hatte, denn als wir ihn häuteten, fanden wir mehrere Kugeln in seinen Flanken. Alle hatten einen lebenswichtigen Punkt verfehlt.

      Eines Nachts, es war dunkel und der Schnee fiel in dichten Flocken, befand ich mich etwa drei Kilometer von zu Hause entfernt, ohne Hunde und ohne mein Gewehr. Als ich einen vor mir stehenden, nicht mehr als 4 oder 6 Meter messenden Baum hinauf blickte, sah ich ein Objekt, von dem ich nicht sagen konnte, um was es sich handelte. Ich nahm also einen Knüppel und warf ihn in die Baumkrone. Mein Messer, das ich gewöhnlich am Gürtel trug, zückte ich vorsichtshalber, falls sich das Objekt als Puma oder irgendein anderes gefährliches Tier herausstellen sollte. Der Knüppel traf und das Objekt stürzte zu Boden. Es suchte sein Gleichgewicht und machte sich auf einen Kampf gefasst, aber ich ergriff einen weiteren Knüppel, drückte das Objekt auf den Boden und hielt es mit meinem Fuß fest. Aufgrund der Dunkelheit stellte ich erst beim Befühlen fest, dass ich einen Adler gefangen hatte. Er hatte eine Spannweite von sicher 2 Meter und maß einen Meter vom Schnabel- bis zur Schwanzspitze. Die hinteren Krallen maßen 8 Zentimeter und seine Beine waren lang wie Besenstiele. Ich klemmte ihn unter den Arm, hielt seine Füße fest und brachte ihn gesund und heil heim. In einer anderen Nacht brachte ich zwei kahlköpfige Adler nach Hause. Wenn man einen Adler nachts erschreckt, fällt er immer auf den Boden und kann ganz leicht gefangen werden.

      Mein Vater besaß eine Farm und baute große Mengen von Korn an. Er hatte einen Haufen Pferde, Maultiere, Rinder, Schafe und Schweine, die sich davon ernährten, sodass unsere Ernte zu Hause verbraucht wurde. Wir hatten so viel Korn zu dreschen, dass wir gezwungen waren sehr früh mit dieser Arbeit zu beginnen, um alles einzulagern, bevor das kalte Wetter begann. Als wir alle noch Teens waren, mein ältester Bruder 19, der nächste 17, und ich etwa 15, sammelten wir das Korn von morgens früh bis abends spät, fütterten das Vieh, aßen zu Abend und bereiteten uns für eine gute Jagd auf Waschbären, Füchse, Opossums und Skunks vor. Wir trugen immer ein Gewehr, eine Axt, ein großes Schlachtermesser und um Feuer zu machen Feuerstein und Stahl mit uns. Wir besaßen ein poliertes Rinderhorn, das wir so laut blasen konnten wie die Hörner, welche die Mauern von Jericho zu Fall gebracht hatten.11 Da mein Bruder Jim ein guter Redner war, machten wir ihn zum Chef-Hornbläser. Er ging in den Garten, holte tief Luft und blies und blies und zerriss die Luft kilometerweit damit, während sich die Hunde knurrend und heulend um ihn sammelten. Nie hat man so eine süße Musik gehört, wie mein Bruder Jim und die Hunde sie machten. Kurz nachdem diese Melodie begann, waren wir aufgereiht und bereit zum Abmarsch; vordere, mittlere, und hintere Ränge. Ab ging es in den Wald auf die Jagd nach Opossums, Iltissen, Waschbären, Wildkatzen und Füchsen. Alle Klassen von ‚Schädlingen‘ jagten wir. Auf der Waschbärenjagd hielten wir außer zwei Hunden, Drum und Rouser, alle hinter uns zurück. Ihre Schnauzen waren schwarz, ihre Ohren lang und dünn und ihre Ruten sehr schmal. Wenn wir zuerst Waschbären haben wollten, hießen wir Jim für Waschbären blasen. Er konnte das sehr gut. Bei seiner Musik verschwanden Drum und Rouser in die Dunkelheit und durchbrachen nach wenigen Minuten auf ihrer Fährte die Stille mit ihrem Jaulen und Japsen. Das Bellen der Hunde zeigte unseren geübten Ohren, hinter welcher Art von Wild sie her waren. War das Gebell laut und langsam, waren wir ziemlich sicher, dass sie einen Waschbären aufgespürt hatten. War das Gebell schnell und scharf, konnten wir auf einen Fuchs wetten. Wenn sie laut und schnell bellten, rechneten wir mit einem Iltis. Handelte es sich aber um einen Skunk, rannten wir hinter den Hunden her, so schnell uns unsere Füße trugen und riefen Jim gleichzeitig zu, sie mit dem Horn zurückzurufen. Wenn die Hunde etwas von dem Gestank eines Skunks abbekamen, war ihr Geruchssinn für die weitere Jagd verdorben. Manchmal besaß ein junger unerfahrener Hund die Kühnheit einen Skunk zu stellen. Dann blieb uns nichts anderes übrig, als das Horn zum Rückzug zu blasen und nach Hause zu gehen. Das Skunk besitzt zwei wundervolle Eigenschaften: Es kann stärker und schneller stinken als jedes andere Tier. Wenn man es nicht tötet, sondert es seinen gesamten ekligen Gestank ab und verschwindet, denn dies sind die Kraft und Qualität, welche die Natur ihm gegeben hat. Ich rate Euch nie einen Skunk zu töten, es sei denn ihr lasst den Körper liegen, wohin er gefallen ist, denn auf diese Weise verschwindet der Gestank erstaunlich schnell. Im Skunk findet ihr eine der schönsten Lektionen der Natur: Es gibt nur ab, was es von seinem Umfeld aufgenommen hat.

      Der Iltis ist der Skunk des Bodens und stinkt schlimmer als alle anderen am Boden lebenden Tiere zusammen. Der Bussard ist der Skunk der Lüfte, der nur wenig besser in seiner Stinkkraft ist als der Skunk des Bodens. Sein Schnabel ist eine wundervolle Konstruktion zum Schneiden und Zerreißen von Fleisch. Davon abgesehen sind Hals und Halswirbelsäule wie bei einem gewöhnlichen Truthahn geformt. Die Natur hat reichlich für alles gesorgt, was sich bewegt, sich verteidigt und lebt, von den gewaltigen Löwen des Dschungels bis zur Ameise auf dem Boden.

      Etwa im Jahre 1852 tötete ich eine große Anzahl Hirsche. Ich häutete und salzte sie, trocknete das Fleisch und versorgte damit nicht nur mich selbst, sondern auch meine Nachbarn mit allem Nötigen.