Ursula Schmid-Spreer

Cork, noch mehr Mord


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machen wir es. Du wirst sehen, ich werde noch ein Ire werden. Jetzt freue ich mich aber erst einmal auf die Zeit, die vor mir liegt. Ich kann es gar nicht glauben: Ist es wirklich schon wieder ein ganzes Jahr her, dass ich bei dir war? Wie die Zeit rennt. Ich werde dir zur Seite stehen und von dir lernen.«

      »Ich kann ja auch von den deutschen Ermittlungsmethoden lernen«, schmunzelte Daniel. »Ihr habt doch eine andere Vorgehensweise, Mordfälle zu lösen.«

      »Das stimmt. Du wirst lachen, ich hole mir auch öfter mal Rat von Kollegen, die bereits in Pension sind. Die haben eine andere Sicht auf Mordfälle. Von der Erfahrung mal ganz zu schweigen.«

      Daniel nippte an seinem Whiskey, richtete nachdenklich seinen Blick in die Ferne. »Du bringst mich da auf eine Idee.«

      Mick hob eine Augenbraue. »Du machst mich neugierig. Welche Idee hast du?«

      »Wie sagt man das auf Deutsch? Treffen mit Freunden, Bier trinken, essen …«

      »Stammtisch«, unterbrach Mick. »Was für eine tolle Idee!

      »Prost, Kollegen!« Vier Münder versanken im Bierschaum.

      »Das war eine geniale Idee von dir, Ian, einen Stammtisch ins Leben zu rufen.«

      »45 Dienstjahre kann man halt doch nicht so einfach wegwischen«, antwortete Kevin zufrieden und wischte sich den Schaum vom Mund.

      »Und dass du, lieber Daniel, auch zu unserer neu gegründeten Tischrunde mitgekommen bist, finde ich echt stark.« Ian grinste breit.

      Daniel lachte und meinte frech: »Absagen, ne, das hätte ich mich gar nicht getraut. Auch wenn ich dein Nachfolger bin, Ian.«

      »Daniel hatte auch die Idee für ein ›get together‹. Wir haben telefoniert und schon sitzen wir hier, essen, trinken …«, »… lösen Fälle und erzählen von alten«, ergänzte Kevin.

      Die Männer lachten, nahmen einen tiefen Zug vom Guinness. Als Mick das Glas absetzte, bildete sich ein weißer Schaum auf seiner Oberlippe. Wie hatte er das vermisst! Guinness schmeckte im Ursprungsland einfach besser. Wie es samtig die Kehle entlanglief, danach der leicht bittere Geschmack, den er so liebte.

      »Und unser deutscher Kollege«, Kevin zeigte auf Mick, »du bist natürlich auch herzlich in unserer Runde willkommen.«

      Mick erhob sich, deutete einen Diener an und orderte bei der Bedienung vier Tullamore Dew. »Mein Einstand«, sagte er.

      »Hört zu, was ich mir gedacht habe.« Ian räusperte sich. »So viele Dienstjahre bei der Garda, so viele Fälle gelöst. Lasst sie uns gegenseitig erzählen und dann aufschreiben. Wir machen ein Buch! Was haltet ihr davon?«

      Beifälliges Gemurmel erklang.

      »Das ist wirklich eine gute Idee!« Mick klatschte Ian begeistert auf die Schulter. »Da ihr ja für den gesamten County Cork zuständig wart, lerne ich somit mehr Land und noch mehr Leute kennen. Und …«, er machte eine Pause, sah seine irischen Kollegen an, »… lerne auch noch zusätzlich etwas über irische Ermittlungsarbeit.«

      »Du hast doch schon bei deinem letzten Aufenthalt hier im Bezirk etliches über Mord und Totschlag erfahren«, warf Daniel ein. »Auch im kleinen Irland und im Distrikt geht es nicht immer friedlich zu. Selbst vor Kühen macht das Böse nicht Halt.«

      Mick begann erst verhalten, dann immer lauter zu lachen. Es war so ansteckend, dass schließlich Ian und Kevin mit einstimmten, ohne zu wissen, warum Daniel und Mick so lauthals feixten.

      Unter Schluckauf erzählte Mick in wenigen Worten, wie Rachel, die Kuh aus Youghal, angeblich ermordet worden war. Wie sich später herausstellte, hatte sie Eiben gefressen und sich damit selbst vergiftet.

      »Und der Junge hatte seiner Rachel für den Wettbewerb extra noch einen goldenen Zahn gemalt und dann hat sie auf das falsche Feld gekackt und den Schiedsrichter aufs Horn genommen. Die ganze Geschichte muss ich euch mal bei Gelegenheit erzählen.« Daniel grinste breit, als er an diese Episode dachte.

      »Ihr seht, es gibt viel zu erzählen. Was haltet ihr von meiner Idee?«

      Die drei Angesprochenen nickten, hoben ihre Gläser und prosteten sich zu.

      Die Kellnerin, sie hatte ein Schildchen mit dem Namen Molly an ihrer Bluse, rief fröhlich: »Barn Burger gibt’s heute. Mit Gemüse und Rosmarinkartoffeln.«

      Die vier nickten unisono.

      Daniel Cerigh lehnte sich weit zurück, stemmte die Hände in die Hüften und rülpste dezent. Fein hatte der Burger geschmeckt. Kathy, die neue Köchin im Franciscan Well an der North Mall, war wirklich eine Zauberkünstlerin am Herd. Nicht nur ihre Pizzen schmeckten vorzüglich, auch an den Burgern konnte man sich laben.

      »Noch jemand ein Guinness?«, fragte Mick.

      »Sag bloß, du hast dich mittlerweile an unser leckeres Bier gewöhnt?«, konterte Ian McCarty.

      Mick verzog das Gesicht, hob eine Augenbraue, grinste und orderte vier Stouts.

      Der vierte Kommissar in der Runde, Kevin Mulligan, strich sich genussvoll über seinen nicht unbeträchtlichen Bauch. Wie sehr er die Neckereien seiner ehemaligen Kollegen genoss! Und dieser Austausch-Kommissar, Mick Tischer aus Deutschland, war ein feiner Kerl.

      Molly, die Kellnerin, stellte die vier Biere auf den Tisch. Jeder nahm sein Glas, sie prosteten sich zu und dann ergriff Ian das Wort.

      »Mick, du weißt sicher, dass Halloween ein altes keltisches Fest ist. Hierzulande heißt es Samhain.«

      Mick nickte. »Ich weiß sogar noch mehr«, sagte er. »Die Iren, die ausgewandert sind, haben das Fest nach Amerika gebracht, wo es einfach nur umbenannt wurde und als Halloween wieder nach Europa zurückschwappte.«

      »Brav, du hast deine Hausaufgaben gemacht«, griente Daniel und schlug Mick auf die Schulter.

      »Dann hört euch mal den folgenden Fall an, den ich euch jetzt erzählen möchte«, sagte Ian. »Samhain spielt eine große Rolle in Mallow.«

      Es war einer dieser hektischen Tage gewesen, an denen man zwar arbeitete wie besessen, aber nichts vorwärtsging. Jeder wollte etwas von Erin Sullivan. Sie konnte es sich nicht erlauben, grantig zu sein oder gar ihren Launen nachzugeben. Im Gastgewerbe war man auf Gäste angewiesen. War man unfreundlich, kamen sie nicht mehr wieder – und das machte sich im Geldbeutel bemerkbar. Besonders schlimm war es an Samhain. Da schienen die Leute alle guten Manieren zu vergessen. Hinter der Maske von diversen Gnomen, schwarz gekleideten Hexen oder anderen Kostümen führten sie sich wild auf. Das hatte nichts mehr mit Abschrecken der Geister in einer Anderswelt zu tun. Das war einfach schlechtes Benehmen. Sie konnte von Glück reden, dass der Pub nicht demoliert worden war. Erin war nicht nur für sich alleine verantwortlich, sie beschäftigte fünf feste Mitarbeiter und einige Aushilfskräfte. Es war ein hartes Erbe, das der Vater ihr vermacht hatte. Mallow war ein kleiner Ort im Südwesten Irlands, rund 35 Kilometer nördlich der Stadt Cork. Wie gerne wäre sie damals in eine größere Stadt gegangen: vielleicht Dublin, oder auch nur nach Cork. Aber nein, sie musste in der Metzgerei helfen.

      Ihre jüngere Schwester Donna nahm das Recht für sich in Anspruch, eine Künstlerin zu sein. Verhätschelt und verzärtelt, das war sie schon immer gewesen. Dads Liebling, während Erin schon früh in der Metzgerei und auch im Wirtshaus helfen musste. Donna durfte ihren Hobbys nachgehen. So kam es, dass sie bereits in der 4. Generation das Gasthaus »Green Flower« führte. Heute wollte Erin nur noch nach oben in ihre Privatwohnung gehen und sich ins Bett legen, ihre Ruhe haben und schlafen. Samhain hatte ihr mehr zu schaffen gemacht, als sie zugeben wollte. Bevor sie wegdämmerte, fielen ihr die Worte ihres ehemaligen Lehrers ein. Samhain markiert den keltischen Jahreskreis, den Beginn der dunklen Jahreszeit. Ende Oktober, Anfang November würde sich das Tor der anderen Welt öffnen. Ein neues Jahr würde beginnen. Da sich die Menschen vor bösen Wesen fürchteten, mussten diese vertrieben werden. Nur der Tod war in der Lage,