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Winter – Weihnacht – Wunderbares


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was noch kommt, ist wenig heiter.

      In seiner großen Zeites-Not,

      hält er in einem Haltverbot!

      Bekommt hier eine Laufradkralle,

      das ist für ihn doch keine Falle …

      An seinem Schlitten sind die Kufen,

      die schnellen Pferde haben Hufen.

      Und er beschenkt die vielen Kinder,

      in diesem strengen, kalten Winter.

      Die Kinder von den Politessen,

      hätt er aus Ärger fast vergessen.

      Auch sie bekommen ihre Gaben,

      damit sie Freud am Fest noch haben.

      Und die Moral von der Geschicht?

      verderbt es mit dem Niklaus nicht …

      Steht eine Ampel mal auf Rot,

      begleitet ihn in dieser Not,

      mit Hupen und mit blauem Licht!

      Stopp und Ende vom Gedicht.

Matthias Albrecht

      Unsere Gewerkschaft hatte Mitte der neunziger Jahre die Tradition ins Leben gerufen, alljährlich eine Weihnachtsfeier für die Kinder der Bediensteten unserer Justizvollzugsanstalt auszurichten. Die dafür benötigten finanziellen Mittel wurden aus den sogenannten „Rücklaufgeldern“ der monatlichen Beiträge sowie aus einem geringen, vor der Feier zu zahlenden Obolus der Eltern beglichen. Als Ausrichtungsort diente stets der große Speisesaal unserer Anstalt.

      Die Veranstalter sahen der ersten Feier mit gemischten Gefühlen entgegen, fehlte es doch noch an Erfahrungen auf diesem Gebiet. Man hatte einen künstlichen Tannenbaum besorgt und festlich geschmückt, für jedes Kind einen buntbedruckten Weihnachtspappteller mit den üblichen Backwaren, Nüssen, Schokoladenfiguren und Früchten bereitgestellt, einen Zauberer für das Rahmenprogramm engagiert und mit den Eltern vereinbart, dass diese vor dem Festakt ein verpacktes, beschriftetes Geschenk für ihre Sprösslinge abzugeben hatten. Soweit, so gut. An alles war gedacht worden – nur die Hauptsache fehlte noch: der Weihnachtsmann! Einen solchen über die „Weihnachtsmannagentur“ zu ordern, kam aus Kostengründen nicht infrage. Was lag da näher, als ihn aus den Reihen unserer Bediensteten zu rekrutieren? Doch seltsam, niemand wollte diese Rolle übernehmen, nicht einmal diejenigen, welche sonst die große Klappe hatten oder sich gern reden hörten. Typisch Männer! Unsere Frauen hatten da weniger Berührungsängste. Drei meldeten sich noch während der Versammlung freiwillig, gaben allerdings selbst zu bedenken, dass eine weibliche Rollenbesetzung einen gewissen Gesichtsverlust für unsere Anstalt bedeuten könnte, waren doch hier weit mehr Männer als Frauen beschäftigt. Naturgemäß stand auch zu befürchten, dass von den Kindern eine „Weihnachtsfrau“ auf weitaus geringere Akzeptanz stoßen würde, als ein männlicher Vertreter dieser Zunft.

      Nach erfolgreicher Überzeugungsarbeit unseres Vorsitzenden erklärte schließlich ich mich bereit, den Part des allseits beliebten Weihnachtsmanns zu übernehmen. Schien ich doch infolge meiner tiefen Stimmlage und wohlgenährten Erscheinung dafür geradezu prädestiniert zu sein und besorgte mir im Weiteren das entsprechende Outfit: Bart, Mantel mit Kapuze, Stiefel, Rute, weiße Zwirnshandschuhe und eine Gesichtsmaske. Auf letztere hätte ich unter anderen Umständen verzichten können, doch meine sechsjährige Tochter, welche mit von der Partie war, durfte mich nicht erkennen, um nicht den Glauben an die Wahrhaftigkeit des Weihnachtsmanns zu verlieren oder meine Tarnung auffliegen zu lassen.

      Endlich war es soweit. Drei Dutzend aufgeregt schnatternde Kinder waren mitsamt ihrer nicht weniger mitteilsamen Geschwister, Eltern und Großeltern im aus den Nähten platzenden Speiseraum versammelt und harrten der Dinge, die da kommen sollten, während ich (noch in Zivil) im Nachbarraum zum hundertsten Mal meine Begrüßungsverse vor mich hin brabbelte und nervös eine Zigarette nach der anderen rauchte. Das Lampenfieber hatte sich meiner bemächtigt. Die Minuten dehnten sich zu Stunden.

      Ich schlich über den Flur zur nur angelehnten Speisesaaltür und beobachtete durch den Spalt das Vorprogramm: Die Aufführung des Zauberers. In der Verkleidung des Gestiefelten Katers schlich er katzengleich durch den Raum und kommentierte mit durchdringender Stimme seine Kunststücke. „Ich liebe dicke, weiße Mäuse!“, rief er und ließ eine Handvoll Papierstreifen sehen. „Doch noch lieber sind mir die blauen!“ Flutsch – schon hatten sich die wertlosen Schnipsel in Hundertmarkscheine verwandelt. „Gib her!“, rief ein altkluger Knirps aus der ersten Reihe, der seine Chance witterte, sein mageres Taschengeld aufzubessern, doch der Zauberer hütete sich, der unverschämten Forderung nachzukommen; wahrscheinlich waren die Scheine echt.

      Echt war auch der Schreck, den ich bekam, als eine meiner Kolleginnen zu mir nach draußen huschte und mir beinahe die Tür an den Kopf schlug. „Was machst du denn noch hier ohne Verkleidung?“, raunte sie. „Jetzt aber los und schnell umgezogen. Du hast nur noch zehn Minuten!“ Sie schob mich vor sich her und half mir im Gewerkschaftszimmer beim Ankleiden, während der Zauberer im Saal ein Meerschwein in einen Stubentiger und ein leeres in ein volles Glas Milch verwandelte.

      Er hätte lieber mich verwandeln sollen, in einen Weihnachtsmann nämlich, denn das Ankleiden gestaltete sich zeitaufwändiger als gedacht. Ohne fremde Hilfe wäre es mir nicht gelungen, mich in das Kostüm zu zwängen, hatte ich doch darauf bestanden, meine dick gefütterte Winterjacke unter dem roten Rock zu tragen, um der immensen Körperfülle des Alten so nahe wie möglich zu kommen. Nachdem ich nebst Plastikmaske und Rauschebart alles angelegt und wir das breite Lederkoppel mit Ach und Krach geschlossen hatten, fühlte ich mich wie ein Astronaut im Raumanzug unter den Bedingungen der Schwerkraft: Meine Bewegungsfreiheit war extrem eingeschränkt.

      Ich hatte indes keine Zeit mehr, Betrachtungen über meine hilflose Lage anzustellen, denn in diesem Augenblick verkündete der Zauberer, dass er den Weihnachtsmann vor seinem geistigen Auge erblickt habe. Die Kinder sollten nur nach ihm rufen, dann werde er sich schon zeigen. Meine Kollegin wuchtete mir einen von zwei riesigen, schweren Jutesäcken aufs Kreuz. Ich brach fast zusammen unter dieser Last. Obendrein war mein Blickfeld infolge der verrutschten Maske stark eingeschränkt und so ergriff sie meine Hand und führte mich schnellen Schrittes zur Tür des Speiseraums. Den anderen Sack schleifte sie hinter sich her.

      „Geh schon!“, zischte sie und stieß die Tür zur Hälfte auf.

      „Wohin denn? Ich kann nichts sehen!“ Ich versuchte, mir mit der Linken, mit der ich zudem die Rute umklammerte, die Maske zurechtzurücken, während die Kinder bereits zum fünften Mal nach dem Weihnachtsmann riefen. Schließlich erbarmte sich meine Kollegin, riss mich resolut an sich, rückte die Maske gerade, drehte mich herum und schubste mich in den Saal.

      Das Hurra-Gebrüll der Kinder brach abrupt ab. Wahrscheinlich hatten sie noch nie solch einen merkwürdigen Weihnachtsmann erblickt, der statt ihrer die Fensterfront fixierte, mit der Rute durch die Luft fuchtelte und seine Verse aufzusagen begann:

      „Hoch vom Norden komme ich her,

      Und ich muss sagen, mein Sack ist recht schwer.

      Doch jetzt kann ich nicht mehr

      Und stell ihn hierher.

      Denn ich hab da viele Geschenke drin.

      Sie zu verteil’n, das ist der Sinn … “

      Ich wuchtete den Sack zu Boden und versuchte krampfhaft, mich der letzten beiden Verse zu erinnern. Doch sie wollten mir partout nicht einfallen. Meine Kollegin, die sich dem Publikum als helfender Weihnachtsengel vorstellte, drehte mich zu den Kindern herum und rückte mir die Maske abermals zurecht. Der kleine Ausschnitt der Umgebung, den ich durch die Augenlöcher wahrnehmen konnte, ließ mich in erstaunte, ängstliche Kinderaugen blicken. Die Erwachsenen in den hinteren Reihen schauten gleichermaßen amüsiert wie mitleidig lächelnd auf das rot gekleidete Häufchen Elend, das sich abmühte, das Ende des Fadens zu