Franziska »Fanny« Feifalik, geborene Rösler. Foto von Emil Rabending, 1866.
Elisabeth selbst bewohnte drei Räume, samt Balkon. Ihr Schlafzimmer ist bis zum heutigen Tag vollkommen unverändert geblieben, berichtet die über Kaiserin Elisabeth in der Schweiz forschende Direktorin der Schweizer Hotelarchive, die Historikerin Evelyn Lüthi-Graf: »Es ist das gleiche Bett, der gleiche englische Schrank. Selbst die auf Wunsch Elisabeths verlegte elektrische Klingelleitung ist in dem heute als Konferenzzentrum der Rosenkreuzergemeinschaft – Lectorium Rosicrucianum – geführten Hotel noch erhalten. Damit konnte die stets sehr rücksichtsvolle Monarchin jede Person ihrer Begleitung zu sich rufen, ohne dabei Dritte zu belästigen. An das eigene Wohlergehen dachte sie weniger. Auch auf dieser Reise gab es keinen Detektiv und auch im Hotel keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den hohen Gast. Die Kaiserin liebte Caux wegen des Klimas, der frischen Bergluft und der Ruhe. Sie war insgesamt sechs Mal hier, immer als »Gräfin von Hohenembs«. Doch alle wussten, mit wem sie es zu tun hatten, die Zeitungen berichteten regelmäßig über sie. Oft unternahm sie mit einem einheimischen Bergführer, dessen Kinder sie großzügig beschenkte, weite Wanderungen. Das Foto, das es von der Kaiserin und ihrer Hofdame gibt, ist auf der Hauptstraße von Territet entstanden. Es ist ein Belästigungsfoto, ein gestohlenes Bild. Auf dem Original sieht man die Kaiserin, die in Abwehr ihren Schirm aufzuspannen versucht, aber auch die lästigen Paparazzi. Zwei schwarz gekleidete Männer mit einer kleinen Kamera spiegeln sich in einiger Entfernung von der Kaiserin im Glas eines Schaufensters und kommen dabei ungewollt in das Bild. An die Zeitungen wurde dann nur das Foto Elisabeths verkauft, die Fotografen zogen es vor anonym zu bleiben.«
Im Bestreben, auf ihrem Staatsgebiet Übergriffe von gewalttätige Anarchisten zu verhindern, suchte die Schweizer Polizei verzweifelt vom Hofstaat der österreichischen Kaiserin vertrauliche Mitteilungen über deren Pläne und Aktivitäten zu erhalten. Das auffällige Verhalten der Spitzel erregte Aufsehen, es wurde der Monarchin gemeldet, die empört meinte: »Immer wollen Sie mich bewachen, wie eine Gefangene!«
Das letzte Foto der Kaiserin zeigt sie mit ihrer Hofdame Irma Sztáray auf der Hauptstraße in Territet. Die beiden lästigen Paparazzi, die diese Aufnahme anfertigen, spiegeln sich links in der Scheibe eines Schaufensters.
Schon am 5. September 1898 suchte der Polizeipräsident von Genf die Kaiserin in ihrem Hotel auf. Eindringlich warnte er vor der Gefahr eines Attentats. Die Schweiz sei leider zu einem Zentrum der aus ihren Heimatländern vertriebenen oder geflüchteten Anarchisten geworden. Seither trieben sie ihr Unwesen in der Eidgenossenschaft. Im laufenden Jahr habe man bereits 36 dieser »Individuen« ausgewiesen.
Man ersuchte die Kaiserin dringend, sich unter den Schutz der Kantonspolizei zu stellen. Elisabeth wies dies zurück und machte darauf aufmerksam, dass ihr die heimlichen Versuche zur Überwachung ihrer Person vonseiten der Schweizer Behörden keinesfalls verborgen geblieben wären.
Elisabeth hatte Erfahrung im Umgang mit Polizeibeamten, die ihr in den Zeiten großer Anarchistengefahr oft gegen ihr Wissen oder ihren Willen folgten. Einer der von den österreichischen Behörden zum Schutz der Kaiserin in Karlsbad beauftragten Agenten schildert sein schweres Los: »Kolossale Arbeit hatten wir mit der Kaiserin Elisabeth … dazu kamen noch ihre plötzlichen Spaziergänge, einmal um drei Uhr früh, dann wieder vormittags in den Wald … man mußte immer auf Posten sein … und dies bei dem strengsten Befehl, die Kaiserin so zu bewachen, daß sie nichts bemerkte.« Es war ein mühsames Handwerk. Einmal schlichen ihr Detektive fünf Stunden lang nach, wobei sie immer wieder in Deckung gehen mussten. In jungen Jahren schüttelte die Kaiserin ihre Bewacher listig ab, wobei sie sich nicht scheute, über Zäune zu klettern. Im reifen Alter genügte ihre Autorität zur Entfernung unerwünschter Begleitung.
Der Tagesablauf der Kaiserin in Caux war genau geregelt. Aufstehen pünktlich um 5 Uhr, Morgentoilette samt vorbereitetem Bad, Frühstück. Anschließend begannen Ausflüge oder lange Spaziergänge. Mit hochgeknöpftem, verkürztem Rock, ohne Hut, mit Sonnenschirm und Fächer genoss die Kaiserin allein oder in Begleitung der Hofdame oder des Vorlesers, die neben ihr herzueilen hatten, das herrliche Panorama der Schweizer Bergwelt.
Schon kurz nach ihrer Ankunft legte die Kaiserin ihre Ausflüge fest: Bex-les-Bains, Rochers de Naye, Evian, Genf und Pregny.
Nach Bex-les-Bains – nur in Begleitung der jungen Gräfin Sztáray – fuhr die Kaiserin im Einspänner. Beim faszinierenden Anblick der mit Schnee bedeckten Giganten der Bergwelt, der Dents du Midi und der Aiguille de Trient, fasste die Kaiserin den Entschluss zu einem langen Aufenthalt in der Schweiz. Auch die Fahrt bei prachtvollem Wetter mit der öffentlichen Zahnradbahn auf den Rochers de Naye war ganz nach dem Geschmack Elisabeths. Der Ausflug nach Evian fand, wie die Hofdame vermerkte, am 5. September 1889 bei prächtigem Wetter und »in bürgerlicher Gemütlichkeit« statt. Zuerst ging es mit der Zahnradbahn nach Territet hinunter, dann weiter mit dem öffentlichen Passagierdampfer. »Obwohl von Reisenden überfüllt, blieb Ihre Majestät unerkannt. Dies bot ihr manche Unterhaltung, ohne daß sie dabei im Geringsten gestört war«, heißt es im Bericht von Irma Sztáray.
Tatsächlich blieb die Kaiserin auf diesem Ausflug unbelästigt, jedoch nicht unerkannt. Ein junger italienischer Wanderarbeiter und Anarchist namens Lucheni war an diesem 5. September extra nach Evian gekommen, um sich persönlich ein Bild von Elisabeth zu machen.
Ein Ausflug ganz nach dem Geschmack Elisabeths: die Fahrt mit der Zahnradbahn von Territet hinauf zur Bergstation am Rochers de Naye.
In Ouchy legte das Schiff für 25 Minuten an. Die beiden Damen ließen sich im Schatten auf einer Bank nieder und aßen Obst zur Erfrischung.
Elisabeth ließ ihre Hofdame regelmäßig an den Kaiser in Schönbrunn berichten, der auf das Schreiben Irma Sztárays vom 4. September antworten wird: »… sehr erfreut hat mich die bessere Stimmung, die Deinen Brief durchweht und Deine Zufriedenheit mit dem Wetter, der Luft und Deiner Wohnung samt Terrasse, welche einen wunderbaren Ausblick auf Berg und See gewähren muß. Daß Du dennoch eine Art Heimweh nach unserer lieben Villa Hermes gefühlt hast, hat mich gerührt …«
Der Bitte Elisabeths, sie doch in Caux zu besuchen, konnte Kaiser Franz Joseph nicht nachkommen. Bedauernd schrieb er ihr am 9. September: »… wäre glücklich, wenn ich Deinem Wunsch gemäß, einige Zeit mit Dir alles in Ruhe genießen könnte und Dich nach so langer Trennung wiedersehen könnte, allein daran kann ich leider nicht denken … schwierige innenpolitische Lage und Jubiläumsfeste, Kircheneinweihungen und Besichtigung der Ausstellung in Anspruch genommen.«
Für den 9. September gedachte die Kaiserin eine Einladung in der Nähe von Genf anzunehmen. Das 1860 von Adolphe Carl und Caroline Julie de Rothschild am Ufer des Genfer Sees erbaute Schloss Pregny beherbergte die enormen Kunstschätze des Sammler-Ehepaars, darunter eine Kollektion wertvoller Edelsteine und Kristallobjekte. Der herrliche Park mit Volieren und Glashäusern voll exotischer Gewächse und Orchideen galt in Botanikerkreisen als Sensation. Als erklärte Naturliebhaberin ließ sich Elisabeth diese Attraktion bei ihren Reisen an die Riviera und den Genfer See nie entgehen. Im Laufe der Zeit hatte sie sich mit Baronin Julie angefreundet. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Rothschilds Elisabeths Schwester Marie, mit der die Kaiserin nach einem heftigen Streit gebrochen hatte, großzügige finanzielle Hilfe gewährten und mit ihr Kontakt pflegten. Die Bekanntschaft stammte aus der Zeit, als Marie und ihr Gatte, der Bourbone Franz II., noch als letzte Herrscher des Königreichs beider Sizilien in Neapel residierten, während Adolph Carl von Rothschild dort die Filiale des Bankhauses Rothschild leitete. Die gemeinsame Flucht zur Zeit des Risorgimento, der Einigung Italiens, im Jahr 1860 sollte ein verbindendes Band für die Zukunft darstellen.
Marie hatte persönlich am Kampf gegen die italienischen Nationalisten teilgenommen. Nach ihrer Vertreibung aus Italien führte die »Heldin von Gaeta« ein wildes, von Skandalen und Affären geprägtes, sehr kostspieliges Leben, das die Rothschilds finanzierten. Sie bekam ein uneheliches Kind, schwamm nackt im Meer und rauchte Zigarillos in der Öffentlichkeit. Das bereits angespannte Verhältnis der beiden Schwestern verschlechterte