25 Jahre Reinickendorfer Kriminacht
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Krimifreunde,
in 25 Jahren hat sich Reinickendorf zu einem echten Krimi-Mekka entwickelt: Seit 1993 zieht die Reinickendorfer Kriminacht einmal im Jahr Autoren und Fans der Szene an. In den vergangenen 25 Jahren haben weit über 100 Krimischriftsteller, Gerichtsmediziner und Polizisten gelesen, aus ihrem Leben berichtet und das Publikum begeistert.
Die Reinickendorfer Kriminacht ist ein jährlicher Höhepunkt im vielfältigen literarischen und kulturellen Leben Reinickendorfs, der für den Bezirk Reinickendorf weit über Berlin hinaus im gesamten deutschsprachigen Raum wirbt. Sie zählt zu den erfolgreichsten Veranstaltungen um das Genre der Kriminalliteratur und ist darüber hinaus die älteste Kriminacht in Deutschland. Hier treffen sich Spitzenautoren und Newcomer, Filmemacher und Fans auf Augenhöhe. Mit den Reinickendorfer Sprach- und Lesetagen, den Veranstaltungsreihen um die Jubiläen der Tegeler Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, den Kunstausstellungen und den Reinickendorfer Classics zeigt sich, wie lebendig und vielseitig das künstlerische und intellektuelle Berlin jenseits der Innenstadt ist.
Natürlich hat sich die Kriminacht in 25 Jahren verändert. Anfangs fand sie im Sommer als Open-Air-Festival unweit der größten Justizvollzugsanstalt Europas auf der Humboldt-Insel statt und siedelte wetterbedingt schließlich in die Humboldt-Bibliothek um, wo sie vor nun fast 20 Jahren ihre Heimat gefunden hat. In seiner Kurzgeschichte »Das Theatermesser« in der vorliegenden Anthologie fängt Horst Bosetzky den besonderen Charme und das Begeisterungspotential dieses kriminalliterarischen Unterfangens ein. Übrigens verdanken wir ihm, -ky, viel, wie seine Kurzgeschichte beweist. Gemeinsam mit Helge Schätzel, dem Erfinder der Kriminacht und Leiter des Amtes für Weiterbildung und Kultur im Bezirksamt Reinickendorf, hat er die Kriminacht über viele Jahre organisiert. Für manche Kriminacht schrieb er szenische Lesungen, die von Schauspielern aufgeführt wurden und bei denen er – ein echter Clou! – selbst mitspielte.
Seit 1995 ehrt der Bezirk Reinickendorf mit dem »Krimifuchs« herausragende Leistungen von Autoren der Kriminalliteratur, und seit 2000 wird der Preis im jährlichen Wechsel mit der Kategorie »Autoren« auch in der Kategorie »Medien« verliehen. 2012 erhielt Horst Bosetzky den »Ehren-Fuchs« aus Anlass der 20. Ausgabe der Kriminacht.
Die Liste der Krimiautorinnen und -autoren, die in den 25 Jahren in Reinickendorf auftraten, liest sich wie das Who’s who der deutschsprachigen Kriminalliteratur. Und es erklärt sich bestimmt aus dem Genre heraus, in dem gemordet, gemeuchelt, verraten, ermittelt, verfolgt und erstochen wird, dass diese mörderische Autorengemeinschaft eine überaus menschenfreundliche, umgängliche und humorvolle Spezies ist. Sie jedes Jahr wiederzutreffen ist eine wahre Freude!
Wie mörderisch und hinterhältig, wie blutrünstig, perfide und durchtrieben hier ermittelt wird, erleben Sie dank dieser Anthologie. Manche Beiträge wurden extra für den 25. Geburtstag der Kriminacht geschrieben.
Ich wünsche unserer Kriminacht weitere mörderische Jahre am Tatort Reinickendorf und Ihnen viel Spaß bei der Lektüre des Buchs »Neues vom Tatort Tegel«, das mit 25 spannenden Geschichten von herausragenden Autorinnen und Autoren einen Überblick zur aktuellen deutschsprachigen Kriminalliteratur bietet.
Ihre Katrin Schultze-Berndt
Bezirksstadträtin für Bauen, Bildung und Kultur in Reinickendorf
UWE MADEL
Anzügliches zur Kriminacht
»Sie haben ja heute gar nicht Ihren roten Anzug an – das geht aber nicht!« Auch der Krimi-Fan in Reinickendorf ist wie die meisten Berliner: direkt, schnoddrig, aber im Herzen gut. Was wie ein Anranzer klingt, ist eigentlich ein liebevoller Hinweis. Der Wunsch nach etwas Beständigem in einer Zeit, in der so vieles unbeständig ist.
Den roten Kordanzug habe ich zum ersten Mal 2004 getragen, bei meiner Premiere in der Humboldt-Bibliothek. Es war die 12. Kriminacht – aus heutiger Sicht quasi die Halbzeit.
Ich dachte, das dunkle Rot würde gut zu Mord und Totschlag passen, zu atemloser Stille, wenn Friedrich Ani seinen Tabor Süden nach Vermissten suchen lässt, wenn Cora Stephan als Anne Chaplet ihre kriminellen Fantasien auslebt oder wenn Horst Bosetzky den Serienmörder Karl Großmann auf die Bühne bringt – in einer szenischen Lesung, einer Welturaufführung. Darunter geht’s nicht bei der Kriminacht.
Ich habe den Anzug immer getragen. Auch als ich 2010 selbst mit dem »Krimifuchs« geehrt wurde, dem wichtigsten und einzigen Krimi-Preis in Berlin.
Es war eine überraschende Auszeichnung. Niemand hatte vorher etwas verraten. Mir war gesagt worden, der Preisträger in diesem Jahr wisse noch nichts von seinem Glück. Es solle ein Geheimnis bleiben, erst gelüftet in der Laudatio von Jan Eik. Es dauerte eine Weile, bis mir auf der Bühne schwante, dass ich selbst gemeint war. Ein sehr besonderer Moment, denn plötzlich stand ich gedanklich in einer Reihe mit echten Krimifüchsen wie Günter Lamprecht, Felix Huby, Fred Breinersdorfer oder Jochen Senf – Autoren und Schauspielern, die ich noch immer sehr verehre. Bis heute hat die handgemalte Urkunde einen Ehrenplatz in meinem Arbeitszimmer.
Leider gibt es unter den vielen Preisträgern bislang nur zwei weibliche Krimifüchse. Thea Dorn und Pieke Biermann. Dabei haben die Frauen in Reinickendorf oft besonders raffiniert gemordet. Getreu der alten Ermittlerweisheit: Männer töten, um zu behalten, Frauen, um loszuwerden. Vielleicht wird sich hier bei aller Sehnsucht nach Beständigkeit in den nächsten 25 Jahren doch noch etwas ändern?
Was macht die älteste Kriminacht in Berlin so außergewöhnlich? Aus meiner Sicht ist das vor allem diese sehr besondere Drei-Komponenten-Mischung. Organisator Helge Schätzel ist es immer gelungen, herausragende Autorinnen und Autoren einzuladen mit wirklich spannenden Lebensläufen. Viele Lehrer, aber auch Juristen und Ärzte. Was zur Frage führt, ob bestimmte Berufe den Hang zum Verbrechen auf verhängnisvolle Weise fördern.
Zu jeder Kriminacht gehören aber auch brillante Musiker, die viel mehr liefern als nur Zwischentöne. Und der dritte Erfolgsgarant sind die Zuschauer im stets ausverkauften Saal, die von der ersten bis zur letzten Minute gespannt dabei sind. Mit Grusel in den Augen und Mitgefühl – oder mit Lachtränen, wenn literarisch gesehen ein Polizeieinsatz mal wieder komplett danebengeht.
Ja, und dann ist da noch die Sache mit dem Anzug. Ich verspreche, der Abend mit dem kleinen Schwarzen 2016 bleibt eine Ausnahme. Die Farbe der Kriminacht ist rot. Blutrot!
FRIEDRICH ANI
Kardigglding
Eine Kriminalgeschichte aus dem wahren Leben
Als Hauptkommissar Neidhard Kardigglding an den Tatort kam, brannten die Halogenscheinwerfer und tauchten den Hinterhof in ein hässliches Licht. Der Mann, der vor seinem silbergrauen Volvo lag, war enthauptet worden, vermutlich mit einer kolumbianischen Machete. Das war dieselbe Tatwaffe, mit der