einer Sonate für die Violine. Dies war die einzige ihrer Produktionen, die die Forsytes beunruhigte. Sie fühlten sofort, daß sie sich nicht verkaufen würde.
Roger, der sich freute eine talentvolle Tochter zu haben und oft auf das Taschengeld anspielte, das sie sich selbst erworben hatte, war durch diese Violinsonate ganz aufgebracht.
»Solch ein Schund!« sagte er davon. Francie hatte den jungen Flageoletti, Euphemias Geiger, aufgefordert, sie bei ihr zu Haus, in Prince's Gardens zu spielen.
Was die Sache an sich betraf, so hatte Roger recht. Es war Schund, aber – sehr ärgerlich! Eine Art von Schund, der sich nicht verkaufte. Wie jeder Forsyte weiß, ist Schund, der sich verkauft, durchaus kein Schund – keineswegs.
Und doch, trotz des gesunden Menschenverstands, der den Wert der Kunst nach dem bestimmt, was sie einträgt, konnten die Forsytes, Tante Hester zum Beispiel, die sehr musikalisch war, nicht umhin zu bedauern, daß Francies Musik, ebenso wie ihre Gedichte nicht ›klassisch‹ waren. Aber wie Tante Hester sagte, gab es heutzutage gar keine Dichtkunst mehr, alle Gedichte wären ›kleine unbedeutende Dinger‹. Niemand konnte mehr ein Gedicht schreiben wie das ›Verlorene Paradies‹ oder ›Childe Harold‹, bei denen man wirklich das Gefühl hatte, etwas gelesen zu haben. Immerhin aber war es nett für Francie etwas zu haben, womit sie sich beschäftigen konnte. Während andere Mädchen mit Einkäufen Geld ausgaben, erwarb sie es! Und sowohl Tante Juley wie Tante Hester waren immer bereit zu hören, wie Francie es wieder angefangen ihre Preise zu steigern.
Sie hörten jetzt zusammen mit Swithin zu, der sich den Anschein gab es nicht zu tun, denn diese jungen Leute sprachen so schnell und verschluckten so viel, daß er nie verstehen konnte, was sie sagten!
»Und ich kann nicht begreifen,« sagte Mrs. Septimus, »wie du das machst. Ich hätte das nie gewagt!«
Francie lächelte leise. »Ich habe viel lieber mit einem Manne zu tun als mit einer Frau. Frauen sind so streng!«
»Mein Kind,« rief Mrs. Small, »wir sind es sicher nicht.«
Euphemia brach in ihr leises Lachen aus, das mit Quietschen endete, und sagte, als würgte sie jemand: »Ich sterbe noch vor Lachen, Tantchen.«
Swithin sah keine Veranlassung zum Lachen; er verabscheute Leute, die lachten, wenn er selbst keinen Scherz merkte. Übrigens verabscheute er Euphemia überhaupt und erwähnte sie nur als »Ricks Tochter, wie heißt sie doch, die Blasse?« Er wäre beinahe ihr Pathe geworden – ganz sicher, wenn er nicht energisch gegen diesen ausländischen Namen aufgetreten wäre. Er haßte es Pathe zu stehen. Jetzt sagte Swithin voll Würde zu Francie: »Schönes Wetter – hm – für diese Jahreszeit.« Aber Euphemia, die wohl wußte, daß er sich geweigert hatte ihr Pathe zu werden, wandte sich zu Tante Hester und fing an ihr zu erzählen, wie sie Irene, Soames' Frau, im Kaufhaus gesehen.
»Und Soames war mit ihr?« fragte Tante Hester, denn Mrs. Small hatte noch keine Gelegenheit gefunden ihr den Vorfall zu erzählen.
»Soames mit ihr? Natürlich nicht!«
»Aber war sie ganz allein in der Stadt?«
»O nein! Mr. Bosinney war mit ihr. Sie war wundervoll angezogen.«
Aber als Swithin den Namen Irenens hörte, blickte er Euphemia streng an, die allerdings nie gut in einem Kleide aussah, was sie auch tragen mochte, und sagte:
»Wie eine vornehme Dame sicher. Es ist ein Vergnügen sie zu sehen.«
In diesem Augenblick wurden James und seine Töchter gemeldet. Dartie, der sich nach einem Trunk sehnte, hatte eine Verabredung beim Zahnarzt vorgeschützt, sich, nachdem er am Marble Arch abgesetzt worden, eine Droschke genommen, und saß jetzt bereits in der Fenstertür seines Klubs in Piccadilly.
Seine Frau, erzählte er seinen Freunden, hatte einige Besuche mit ihm machen wollen. Das wäre aber nicht sein Fall – ganz und gar nicht!
Er rief nach dem Kellner und schickte ihn hinaus um nachzusehen, wer das 4.30 Rennen gewonnen hatte. Er sei hundemüde, sagte er, und das war Tatsache, denn er war mit seiner Frau den ganzen Nachmittag von einer ›Schau‹ zur andern herumgefahren. Schließlich hätte er sich aus dem Staube gemacht. Ein Mann müsse doch auch sein eigenes Leben leben.
In diesem Augenblick sah er durch die Glastür – er liebte diesen Platz, wo er jeden Vorübergehenden sehen konnte – und erblickte unglücklicherweise oder vielleicht glücklicherweise Soames, der mit der offenbaren Absicht hereinzukommen, von der Parkseite her langsam die Straße kreuzte, denn er gehörte auch zu dem ›Iseeum‹.
Dartie sprang auf, ergriff sein Glas, stammelte etwas über ›das Rennen‹ und zog sich schnell ins Spielzimmer zurück, wohin Soames niemals kam. Hier lebte er in vollkommener Einsamkeit, bei trübem Licht sein eigenes Leben bis halb acht, zu welcher Zeit Soames, wie er wußte, den Klub sicher verlassen haben mußte.
Es war nicht ratsam, so wiederholte er sich jedesmal, wenn der Drang an den Unterhaltungen in der Fenstertür teilzunehmen zu stark in ihm wurde – es war absolut nicht ratsam, mit so geringen Einkünften wie er sie hatte, und wo der ›Alte‹ (James) seit der Geschichte mit den Öl-Aktien, an der er gar keine Schuld hatte, noch immer so muffig war, einen Streit mit Winifred zu riskieren.
Wenn Soames ihn im Klub sah, würde sie sicher erfahren, daß er gar nicht beim Zahnarzt gewesen war. Er kannte keine einzige Familie, in der alles immer so ›herum kam‹. Mit einem mürrischen Blick in dem olivenfarbenen Gesicht, die Beine in den karierten Hosen gekreuzt, mit Lackschuhen, die in der Dämmerung blinkten, saß er ungemütlich zwischen den grünen Billardtischen, kaute an seinem Zeigefinger und überlegte, wo zum Teufel er das Geld hernehmen sollte, wenn Erotic den Lancaster Cup nicht gewann.
Seine Gedanken wandten sich mißmutig den Forsytes zu. Was das für eine Gesellschaft war! Nichts war aus ihnen herauszubekommen, wenigstens machte es die größten Schwierigkeiten. Sie waren so verd–t genau in Geldangelegenheiten; nicht ein Sportsmann in der ganzen Sippe, wenn nicht George gewesen wäre. Dieser Soames zum Beispiel, bekäme einen Ohnmachtsanfall, wenn man einen Zehner von ihm borgen wollte, oder wenn nicht das, so sähe er einen mit dem verwünschten überlegenen Lächeln an, als wäre man eine verlorene Seele, weil man Geld brauchte.
Und seine Frau (Dartie wässerte unwillkürlich der Mund), mit der er versucht hatte auf gutem Fuß zu stehen, wie man es mit einer hübschen Schwägerin natürlich gern wollte, ob diese – (er gebrauchte wirklich ein grobes Wort) – wohl einen Blick für ihn hatte – sie sah ihn ja an, als wäre er Auswurf – und doch konnte sie es weit genug treiben, darauf wollte er eine Wette eingehen. Er kannte die Frauen; sie waren nicht umsonst mit so sanften Augen und solchen Figuren geschaffen, dahinter würde dieser Soames wohl bald genug kommen, wenn irgend etwas daran war, was er über den guten ›Bukanier‹ gehört hatte.
Dartie erhob sich von seinem Stuhl, machte einen Gang durchs Zimmer, und hielt vor dem Spiegel über dem Kaminsims an, wo er lange in Betrachtung seines Gesichts versunken stehen blieb. Mit dem gewichsten dunklen Schnurrbart und dem kleinen vornehmen Ansatz von Backenbart hatte es das für manche Gesichter eigentümliche Aussehen, als wäre es in Leinöl getaucht; und beunruhigt fühlte er das Entstehen eines Pickels an der Seite der leicht gebogenen fettigen Nase.
Inzwischen hatte der alte Jolyon den übrig gebliebenen Stuhl in Timothys behaglichem Wohnzimmer entdeckt. Seine Ankunft hatte die Unterhaltung offenbar unterbrochen, und es war ein verlegenes Schweigen eingetreten. In ihrer wohlbekannten Gutherzigkeit beeilte sich Tante Juley die Gemütlichkeit wiederherzustellen.
»Ja, Jolyon,« begann sie, »wir sprachen eben davon, daß du lange Zeit nicht hier gewesen bist; aber es darf uns nicht überraschen. Du bist natürlich sehr beschäftigt? James sagte gerade, wie viel es jetzt zu tun gibt –«
»Sagte er das?« erwiderte der alte Jolyon und blickte James fest an. »Es gäbe nicht halb so viel zu tun, wenn jeder sich nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte.«
James, der nachdenklich in einem kleinen Sessel saß, von dem seine Kniee in die Höhe ragten, schob unruhig die Füße vor und trat dabei mit dem