John Galsworthy

Die Forsyte-Saga


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Lage ihrer Häuser war für die Forsytes eine Lebensfrage, kein Wunder übrigens, denn die ganze Seele ihres Erfolges war darin verkörpert.

      Ihr Vater, der einem Bauerngeschlecht entstammte, war im Anfang des Jahrhunderts von Dorsetshire gekommen.

      Von Beruf Steinmetz, hatte er sich zum Baumeister emporgearbeitet. Gegen Ende seines Lebens war er nach London gezogen, wo er in Highgate begraben wurde, nachdem er bis an seinen Tod gebaut hatte. Er hinterließ seinen zehn Kindern über dreißigtausend Pfund. Wenn der alte Jolyon ihn überhaupt einmal erwähnte, beschrieb er ihn als einen ›Mann von kräftig derbem Schlag – nicht sonderlich fein‹. Die zweite Generation hatte allerdings das Gefühl, daß nicht viel Staat mit ihm zu machen war. Der einzige aristokratische Zug, den sie in seinem Wesen entdecken konnten, war seine Gewohnheit Madeira zu trinken.

      Tante Hester, eine Autorität auf dem Gebiet der Familiengeschichte, schilderte ihn in folgender Weise:

      »Ich erinnere mich nicht, daß er je etwas tat, wenigstens nicht zu meiner Zeit. Er war eben – Hausbesitzer, weißt du. Sein Haar war etwa von der Farbe wie das von Onkel Swithin; ziemlich vierschrötig war er. Groß? N–nicht sehr (er war fünf einen halben Fuß hoch gewesen, mit roten Flecken im Gesicht), er hatte frische Farben. Trank sehr gern Madeira, das weiß ich noch, fragt nur Tante Ann. Was sein Vater war? Der, hm – der hatte mit dem Land da unten in Dorsetshire, an der See, zu tun.«

      James war einmal hingefahren um selbst zu sehen, aus was für einer Gegend sie eigentlich stammten. Er fand zwei alte Pachthöfe vor, von wo aus eine Wagenspur, die die rote Erde durchfurchte, zu einer Mühle unten am Strande führte, eine kleine graue Kirche innerhalb einer Pfeilermauer und eine noch kleinere und grauere Kapelle. Der Strom, der die Mühle trieb, kam in einem Dutzend kleiner Bäche plätschernd herab, und an der Bucht trieben sich Schweine umher. Ein leichter Nebel verhüllte die Aussicht. Die Vorfahren der Forsytes waren es augenscheinlich zufrieden gewesen, hunderte von Jahren Sonntag für Sonntag, die Füße tief im Morast und den Blick aufs Meer gerichtet, durch diesen Hohlweg zu wandern.

      Ob James im stillen auf ein Erbe gerechnet, oder sonst etwas ganz Außergewöhnliches zu finden gehofft hatte oder nicht, er kam jedenfalls ganz kleinlaut nach der Stadt zurück und war aufs äußerste bemüht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

      »Da ist nicht viel zu holen,« sagte er, »ein richtiges kleines Landnest, und uralt.«

      Das Alter war noch ein Trost. Der alte Jolyon, bei dem mitunter eine unverfrorene Offenherzigkeit hervorsprudelte, sprach von seinen Vorfahren zuweilen als von »Freisassen – kleine Verhältnisse vermutlich.« Doch wiederholte er das Wort »Freisassen«, als gewähre es ihm eine besondere Genugtuung.

      Die Forsytes hatten es alle so weit gebracht, daß sie nun als »gutsituierte Leute«, wie man es nennt, eine gewisse Stellung einnahmen. Sie hatten ihr Vermögen in allen möglichen Aktien angelegt, nur – Timothy ausgenommen – nicht in Konsols, denn sie fürchteten nichts auf der Welt so sehr, wie drei Prozent für ihr Geld. Sie sammelten Bilder und unterstützten Wohltätigkeitsanstalten, die ihren kranken Dienstboten einmal zugute kommen konnten. Von ihrem Vater, dem Steinmetz, hatten sie Verständnis für Ziegel und Mörtel geerbt. Wenn sie ursprünglich vielleicht auch einer schlichten Sekte angehört hatten, waren sie nach dem natürlichen Lauf der Dinge jetzt Mitglieder der Staatskirche und hielten darauf, daß ihre Frauen und Kinder ziemlich regelmäßig die vornehmeren Kirchen der Hauptstadt besuchten. Zweifel an ihrer Christlichkeit hätten sie überrascht und verletzt. Einige von ihnen bezahlten sogar ihre Kirchenstühle und brachten so in der praktischsten Weise ihre Sympathie für die Lehren Christi zum Ausdruck.

      Ihre Häuser lagen in bestimmten Abständen rings um den Park und paßten wie die Schildwachen auf, daß das reiche Herz Londons, an dem ihre Wünsche hingen, nicht ihren Händen entschlüpfte und sie dadurch in der eigenen Achtung sinken ließ.

      Der alte Jolyon wohnte in Stanhope Place; James in Park Lane; Swithin in der einsamen Pracht orangefarbener und blauer Gemächer in Hyde Park Mansions – er hatte nie geheiratet – Gott bewahre! – Soames mit seiner Frau in ihrem Heim bei Knightsbridge; Roger in Prince's Gardens (Roger war dadurch merkwürdig unter den Forsytes, daß er sich vorgenommen und es durchgesetzt hatte, seine vier Söhne zu einem neuen Beruf zu erziehen. »Legt euer Geld in Häusern an – darüber geht nichts!« pflegte er zu sagen. »Ich hab's nie anders gemacht!«)

      Dann Haymans – Mrs. Hayman war die einzige verheiratete Schwester der Forsytes – in einem Haus oben in Campden Hill, wie eine Giraffe anzusehen und so hoch, daß wer es betrachtete, einen steifen Nacken bekam. Nicholas wohnte in Ladbroke Grove in einer geräumigen Wohnung und billig dazu; und endlich Timothy am Bayswater Road, wo Ann, Hester und Juley unter seinem Schutze lebten.

      James hatte die ganze Zeit nachdenklich dagestanden und fragte endlich seinen Gastgeber und Bruder was er für das Haus am Montpellier Square gegeben hatte. Er selber habe seit Jahren dort ein Haus im Auge, aber sie forderten einen zu hohen Preis dafür.

      Der alte Jolyon berichtete über die Einzelheiten seines Kaufes.

      »Auf zweiundzwanzig Jahre?« wiederholte James, »gerade das Haus, das ich wollte – du hast zu viel dafür bezahlt!«

      Der alte Jolyon runzelte die Stirn.

      »Ich will es nicht etwa für mich haben,« sagte James hastig, »zu dem Preis paßt es nicht für meine Zwecke. Soames kennt das Haus sehr gut, na – er wird dir sagen, daß es zu teuer ist – auf sein Urteil kann man etwas geben.«

      »Ich gebe keinen Pfifferling dafür,« sagte der alte Jolyon.

      »Meinetwegen,« brummte James, »du mußt ja immer deinen Willen haben – aber sein Urteil ist gut. Adieu! Wir wollen nach Hurlington hinausfahren. Ich höre, June geht nach Wales. Du wirst morgen allein sein. Was hast du vor? Du solltest zum Essen lieber zu uns kommen!«

      Jolyon lehnte ab. Er ging mit an die Haustür, half ihnen in den Wagen und winkte ihnen zu, denn er hatte seinen Unmut schon vergessen. Im Fond saß groß und majestätisch James' Frau mit kastanienbraunem Haar, ihr zur Linken Irene – die beiden Gatten, Vater und Sohn, nahmen eifrig, fast erwartungsvoll, ihren Frauen gegenüber Platz. Auf ihren Sprungfederpolstern hin und her geworfen, gaben sie schwankend jeder Bewegung des Wagens nach und fuhren, von den Blicken des alten Jolyon begleitet, schweigend im Sonnenschein davon.

      Während der Fahrt unterbrach James' Frau das Schweigen.

      »Ist euch jemals eine solche Gesellschaft schnurriger Leute vorgekommen?«

      Soames, der sie unter seinen Lidern hervor flüchtig ansah, nickte und bemerkte, wie Irene ihm einen ihrer unergründlichen Blicke zuwarf.

      Höchst wahrscheinlich hatte jeder Zweig der Familie Forsyte auf der Heimfahrt von dem Empfang beim alten Jolyon diese Bemerkung gemacht.

      Unter den letzten der aufbrechenden Gäste gingen der vierte und fünfte Bruder, Nicholas und Roger zusammen fort und schlugen die Richtung am Hyde Park entlang nach einer Station der Untergrundbahn ein. Wie alle andern Forsytes in einem gewissen Alter, hielten sie sich eigenes Fuhrwerk und vermieden, wenn es sich irgend tun ließ, eine Droschke zu nehmen.

      Es war ein schöner Tag, die Bäume des Parks standen in der vollen Pracht ihres Junilaubes, aber die Brüder schienen nicht auf die Natur zu achten, die nichtsdestoweniger zur Lebhaftigkeit ihres Ganges und der Unterhaltung beitrug.

      »Ja,« sagte Roger, »ein schönes Weib, diese Frau von Soames. Ich höre, es stimmt da nicht alles.«

      Dieser Bruder hatte eine hohe Stirn und von allen Forsytes die frischeste Farbe. Seine hellgrauen Augen musterten die Häuser der Straßenfront am Wege, und dann und wann hob er seinen Schirm, um die verschiedenen Höhen abzumessen.

      »Geld hatte sie nicht,« erwiderte Nicholas.

      Er selbst hatte sehr reich geheiratet, und da es noch in der goldenen Zeit vor Einführung des Vermögensrechts der Ehefrauen war, glücklicherweise einen vorteilhaften Gebrauch von dem Gelde machen können.

      »Was