auf die Form des Marktes zurück (auf die Universalität des Akkumulationsprozesses), den Rassismus auf die unterschiedliche Bewertung der Arbeitskraft im Zentrum und in der Peripherie und den Sexismus auf den Gegensatz zwischen maskuliner »Arbeit« und femininer »Nicht-Arbeit« im Haushalt, aus der er eine grundlegende Einrichtung des historischen Kapitalismus macht. Ich bin dagegen der Meinung, dass die spezifische Artikulation des Rassismus mit dem Nationalismus zusammenhängt, und ich glaube zeigen zu können, dass die Universalität paradoxerweise im Rassismus selbst vorhanden ist. Hier wird die zeitliche Dimension entscheidend: die wesentliche Frage ist, wie die Erinnerung an die Ausgrenzungen der Vergangenheit auf die der Gegenwart übertragen wird bzw. wie die Internationalisierung der Bevölkerungsbewegungen und die veränderte politische Rolle der Nationalstaaten in einen »Neo-Rassismus«, ja in einen »Post-Rassismus« einmünden können.
In einem zweiten Teil mit dem Titel »Die historische Nation« versuchen wir, die Kategorien »Volk« und »Nation« neu zur Diskussion zu stellen. Unsere Methoden sind recht unterschiedlich: ich gehe diachronisch vor, indem ich der Entwicklungslinie der Nation-Form nachgehe; Wallerstein geht synchronisch vor, indem er den funktionellen Stellenwert ausmacht, den der nationale Überbau unter anderen politischen Institutionen in der Weltwirtschaft hat. Daher sehen wir auch den Klassenkampf und die nationale Formation unterschiedlich. Extrem vereinfacht könnte man sagen, dass meine Position darin besteht, die historischen Klassenkämpfe in die nationale Form einzuordnen (obwohl sie deren Antithese darstellen), während Wallerstein die Nation zusammen mit anderen Formen in den Bereich der Klassenkämpfe einordnet (obwohl diese nur unter außergewöhnlichen Bedingungen Klassen »für sich« werden: ein Punkt, auf den wir später eingehen werden).
Zweifellos liegt hier die Bedeutung des Begriffs »Gesellschaftsformation«. Wallerstein schlägt vor, drei große historische Entstehungsformen des »Volkes« zu unterscheiden: die Rasse, die Nation und die Ethnizität, die auf unterschiedliche Strukturen der Weltwirtschaft verweisen; er hebt besonders den historischen Einschnitt zwischen dem »bürgerlichen« Staat (Nationalstaat) und den früheren Formen des Staates hervor (für ihn ist der Begriff »Staat« bereits mehrdeutig). Bei meinem Versuch, den Übergang des »vornationalen« Staates zum »nationalen« Staat zu kennzeichnen, messe ich dagegen einer anderen Idee von ihm (die hier nicht behandelt wird) große Bedeutung bei, nämlich der Pluralität der politischen Formen in der Phase der Konstituierung der Weltwirtschaft. Ich stelle das Problem der Konstituierung des Volkes (das ich als fiktive Ethnizität bezeichne) als ein Problem der Hegemonie im Inneren dar und versuche, die Rolle zu analysieren, die dabei die Institutionen spielen, die zur Herausbildung der sprachlichen und der rassischen Gemeinschaft führen. Infolge dieser verschiedenen Ansätze scheint Wallerstein mehr über die Ethnisierung der Minderheiten aussagen zu können, während es mir mehr um die Ethnisierung der Mehrheiten geht; vielleicht ist er zu »amerikanisch« und ich zu »französisch« … Sicher ist indessen, dass es uns beiden gleichermaßen wichtig erscheint, die Nation und das Volk als historische Konstruktionen zu denken, dank derer die heutigen Institutionen und Antagonismen in die Vergangenheit projiziert werden können, um den »Gemeinschaften« eine relative Stabilität zu verleihen, von denen das Gefühl der individuellen »Identität« abhängt.
Mit dem dritten Teil, der »Die Klassen: Polarisierung und Überdeterminierung« betitelt ist, fragen wir nach den radikalen Veränderungen, denen die Schemata der marxistischen Orthodoxie zu unterziehen sind (d. h. kurz gesagt, der Evolutionismus der »Produktionsweise« in seinen verschiedenen Varianten), damit der Kapitalismus wirklich als historisches System (oder Struktur) entsprechend den authentischen Ausführungen von Marx analysiert werden kann. Es wäre unangebracht, im Voraus unsere Thesen zusammenzufassen. Der boshafte Leser wird sich ein Vergnügen daraus machen, die zwischen unseren jeweiligen »Rekonstruktionen« auftretenden Widersprüche aufzulisten. Weichen doch auch wir nicht von der Regel ab, dass zwei »Marxisten« unfähig sind, den gleichen Begriffen die gleiche Bedeutung zu geben … Daraus sollte man jedoch nicht vorschnell schließen, dass es sich um eine scholastische Spielerei handelt. Was mir bei einer erneuten Lektüre im Gegenteil überaus wichtig erscheint, das ist der Grad an Übereinstimmung bei den Schlussfolgerungen, zu denen wir ausgehend von so unterschiedlichen Prämissen gelangen.
Es geht um die Darstellung des »ökonomischen« und des »politischen« Aspekts des Klassenkampfes, Wallerstein hält an der Problematik von »Klasse an sich« und »Klasse für sich« fest, die ich ablehne, kombiniert sie jedoch mit den zumindest provokativen Thesen bezüglich des Hauptaspekts der Proletarisierung (die seiner Ansicht nach nicht mit der allgemeinen Durchsetzung der Lohnarbeit gleichbedeutend ist). Seiner Argumentation zufolge dehnt sich die Lohnarbeit trotz des unmittelbaren Interesses der Kapitalisten aus, und zwar unter der doppelten Wirkung der Realisationskrisen und der Arbeiterkämpfe gegen die Überausbeutung in den Ländern der Peripherie (die absolute Unterbezahlung). Ich werde dem entgegenhalten, dass diese Überlegung voraussetzt, dass jede Ausbeutung »extensiv« ist, d. h. dass es keine Form der Überausbeutung gibt, die an die Intensivierung der Lohnarbeit infolge von technologischen Revolutionen gebunden ist (was Marx die »reelle Subsumtion«, die Produktion des »relativen Mehrwerts« nennt). Aber diese Divergenzen in der Analyse – man könnte meinen, hier stünden sich ein Standpunkt der Peripherie und ein Standpunkt des Zentrums gegenüber – sind drei gemeinsamen Ideen untergeordnet:
1. Die These von Marx über die Polarisierung der Klassen im Kapitalismus ist kein fataler Fehler, sondern die Stärke seiner Theorie. Sie ist auf jeden Fall sorgfältig von der ideologischen Vorstellung einer »Vereinfachung der Klassenverhältnisse« im Zuge der Entwicklung des Kapitalismus zu unterscheiden, die mit der historischen Zusammenbruchstheorie verknüpft ist.
2. Es gibt keinen »Idealtypus« der Klassen (Proletariat und Bourgeoisie), sondern Prozesse der Proletarisierung und der Verbürgerlichung4, von denen jeder seinen eigenen inneren Konflikte hat (was ich in Anlehnung an Althusser die »Überdetermination« des Antagonismus nenne): so erklärt sich, dass die Geschichte der kapitalistischen Ökonomie von den politischen Kämpfen im nationalen und transnationalen Rahmen abhängt.
3. Die »Bourgeoisie« definiert sich nicht nur durch die Akkumulation des Profits (oder durch die produktive Investition): diese Bedingung ist notwendig, aber nicht hinreichend. Man wird im Text Ausführungen Wallersteins finden, in denen er darlegt, dass die Bourgeoisie in jeweils unterschiedlichen historischen Formen nach Monopolpositionen strebt und darauf aus ist, den Profit in eine vom Staat garantierte »Rente« umzuwandeln. Die Historisierung (und damit die Dialektisierung) des Klassenbegriffs in der »marxistischen Soziologie« stehen erst am Anfang (was bedeutet, dass noch große Anstrengungen erforderlich sind, um die Ideologie auszuhebeln, die sich bislang als marxistische Soziologie verstanden hat). Auch hier reagieren wir auf unsere nationalen Traditionen: entgegen einem hartnäckigen Vorurteil in Frankreich (das allerdings auf Engels zurückgeht), versuche ich zu zeigen, dass der Bourgeois-Kapitalist kein Parasit ist; Wallerstein dagegen, der aus dem Land kommt, wo sich der »Manager«-Mythos gebildet hat, versucht zu zeigen, dass der Bourgeois keineswegs das Gegenteil des Aristokraten ist (weder in der Vergangenheit noch heute).
Aus verschiedenen Gründen bin ich ebenfalls der Auffassung, dass der allgemeine Schulbesuch die Klassenunterschiede nicht nur »reproduziert«, sondern auch produziert. Nur glaube ich nicht, und darin bin ich weniger »optimistisch« als er, dass dieser »meritokratische« Mechanismus politischer anfälliger ist als die früheren historischen Mechanismen der Erlangung eines privilegierten sozialen Status. Das liegt meines Erachtens daran, dass die allgemeine Schulpflicht – zumindest in den »entwickelten« Ländern ein Mittel zur Selektion der Kader und einen ideologischen Apparat darstellt, der die sozialen Trennungen mit »technischen« und »wissenschaftlichen« Mitteln gleichsam naturalisiert, wobei es vorwiegend um die Trennung von Hand- und Kopfarbeit bzw. von ausführender und leitender Arbeit in ihren sukzessiven Formen geht. Wie man sehen wird, ist diese Form der Naturalisierung, die eng mit dem Rassismus verbunden ist, nicht weniger effizient als andere historische Legitimationen des Privilegs.
Was uns direkt zu unserem letzten Punkt führt: Verschiebungen des sozialen Konflikts? In diesem vierten Teil kommen wir auf die eingangs gestellte Frage zurück (die des Rassismus oder, allgemeiner gesagt, des »Status« und der Identität der »Gemeinschaft«),