Fall zu Fall unterschiedlich und kann sich im Laufe des weiteren Lebens auch verändern.
Für Begleiter ist es zumeist sehr entlastend, wenn sie merken, dass die trauernde Person sich und die Welt nun mit anderen Augen sieht und sich trotz allem für ihr Leben entschieden hat. Der Weg dorthin hat Veränderungen mit sich gebracht. Am Ende des Trauertals ist der Wanderer nicht mehr derselbe Mensch, der er zu Beginn war. Wir sollten diese Veränderungen als Außenstehende akzeptieren und müssen uns zunächst daran gewöhnen. Der vom Selbstmord seines Kindes betroffene Mensch wird diesen Verlust und die Zeit des Leidens nie vergessen können. Bestimmte Ereignisse wie Geburtstag oder Todestag werden alte Erinnerungen zunächst wieder wachrufen. Das innere Abgestorbensein der Schockphase sowie die schmerzhafte Sinnlosigkeit des eigenen Lebens sind zu diesem Zeitpunkt zu größten Teilen dem Willen und der Fähigkeit, das eigene Leben wieder in der Hand zu haben, gewichen.
Gott kümmert sich um die Trauernden
Menschen, die sich mit der Bibel auseinandersetzen, haben unterschiedliche Meinungen darüber, ob sie die Bibel wortwörtlich nehmen. Das Antwortspektrum reicht dabei von einem entschiedenen »Ja« bis hin zu Aussagen wie: »Entweder man nimmt die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst.« Es ist jedem Menschen selbst überlassen, wie wörtlich er die Bibel nimmt und welche Bibelübersetzung ihn am meisten anspricht. Manche Menschen empfinden es nach einem harten Schicksalsschlag so, dass die Bibel sie gerade durch diese schwere Zeit ihres Lebens getragen hat. Sie sagen, dass, als ihnen der Druck, die Not und die
Verzweiflung am stärksten und unerträglich vorkamen, die Bibel ihnen beides gab: Rat und Hoffnung. Manchmal kann es einem im Umgang mit Hinterbliebenen so vorkommen, als gebe es für sie keine Antwort auf die Frage, wozu, mit welchem Ziel und Zweck Gott ihnen bestimmte Lebenssituationen zumutet. Ein Perspektivenwechsel mag hier weiterführen: Könnte es sein, dass Gott nicht selbst aktiv Leid und Not in die Welt schickt, aber dass er es bisweilen zulassen und selbst mit aushalten muss, dass seine Kinder leiden, weil sie ihren freien Willen in zerstörerischer Weise gegen sich und andere einsetzen?! Manche Prüfungen oder Lektionen des Lebens würde sich niemand selbst aussuchen. Doch lässt sich manchmal später noch erkennen, wozu es nötig war, durch diesen Tunnel zu gehen. In solchen Tunnelzeiten brauchen Hinterbliebene Unterstützung durch Freunde und Verwandte, die sie ermutigen. Ermutigung kann für Christen auch bedeuten, Gott zu vertrauen, und zwar gerade dann, wenn sie ihn nicht verstehen. Auch gläubige Menschen werden immer wieder an die Grenzen ihrer Gedanken und Wege kommen (s. a. Jesaja 55, 8 - 9) und brauchen dann mitmenschliche Unterstützung, um daran festzuhalten, dass Gottes Gedanken und Wege höher (und besser) sind als die eigenen und dass jede Erfahrung zum Guten mitwirken kann (vgl. Römer 8, 28).
Bei der Betrachtung der Biografie Jesu findet sich fast alles, was auch Menschen der Postmoderne an Schwierigkeiten bewältigen müssen. Somit kann es Christen helfen, sich zu fragen, ob Jesus Christus sie verstehen kann bei allem, was sie durchleiden und worüber sie sich Sorgen machen. Die Bibel macht viele Aussagen darüber, dass Gott Menschen trösten will und immer bei ihnen ist, dass er ihre Tränen sieht und für sie streitet. Gott sagt den Menschen zu, dass er sie hört. Wenn gläubigen Hinterbliebenen die Worte fehlen, um ihren Schmerz oder ihre Fassungslosigkeit auszudrücken, finden sich z. B. in den Psalmen Anregungen, wie der Verzweiflung Ausdruck verliehen werden kann. In anderen Psalmen stecken Trost, Zuversicht und Schutz.
Insbesondere als Menschen der Postmoderne haben wir uns jedoch bisweilen eine Art Instant-Denken angewöhnt, d. h. wir sind z. B. Kaffeeautomaten gewöhnt, in die wir oben eine Münze einwerfen und nach wenigen Momenten unten den heißen Kaffee entnehmen können. Diese komfortable Einrichtung findet sich in vergleichbarer Weise auch in anderen Lebensbereichen. Sie verführt allerdings zu dem meist unbewussten Wunsch, dass es mit Gebeten genauso funktionieren sollte. Der Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird, ist allerdings nicht dem Zeitgeist mit dieser Instant-Mentalität zum Opfer gefallen, sondern bestimmt der Bibel zufolge autonom und souverän, wann der göttliche Zeitpunkt (gr. Kairos) für sein Eingreifen gekommen ist. Die Bibel ermutigt dazu, die Gebete keinesfalls zu unterlassen, weil man annehme, sie hätten keinen Einfluss auf Gottes Handeln. Ein typisches Instant-Gebet ist ja: »Herr, schenk mir Geduld – aber sofort.« Diese humorvolle Beschreibung von Ungeduld bei Gebetserhörungen kontrastiert mit mehreren Bibelstellen, die beschreiben, dass Gott Gutes für seine Kinder vorsieht und vor allem möchte, dass sie in einer lebendigen Beziehung mit ihm leben und ihn nicht als himmlischen Gebetserfüllungsgehilfen zu missbrauchen versuchen. Bei näherer Betrachtung des »Prinzips« vieler Psalmverse lässt sich feststellen, dass sich aus der Freundschaft mit Gott Kraft, Trost, Freude und Hilfe beziehen lassen können (vgl. Psalm 37, 4 – 5). Manchmal dauern Veränderungen im Leben eines Menschen länger als erwünscht. Mag dieser Mensch diese Entwicklung nun als Gebetserhörung ansehen oder eher als menschlichen Wachstumsprozess. Gemeinsam haben diese beiden Ansichten, dass Seele und Geist sich an Veränderungen anpassen müssen. Mit anderen Worten: Ein Siebenmeilenschritt, der wie durch Zauberhand über Nacht völlig neue Lebensverhältnisse schafft, wäre für die menschliche Seele eine Überforderung.
Post an Gott
Gibt es etwas, was ich Gott (oder einer höheren Macht, wie ich sie mir vorstelle) mitteilen möchte zum Selbstmord von …? Z. B. Verzweiflung, Fragen, Vorwürfe, Bitten, Hoffnungen?
Möchte ich mit einer Vertrauensperson darüber sprechen? Falls ja, mit wem und wann?
(Sie finden dieses Arbeitsblatt Nr. 2 auch im Internet unter www.acmess.de.)
Der folgende »Segen der Trauernden« veranschaulicht, was die Trauer und den Schmerz von Hinterbliebenen lindern kann:
Der Segen der Trauernden
Gesegnet seien alle,
die mir jetzt nicht ausweichen.
Dankbar bin ich für jeden,
der mir einmal zulächelt
und mir seine Hand reicht,
wenn ich mich verlassen fühle.
Gesegnet seien die,
die mich immer noch besuchen,
obwohl sie Angst haben,
etwas Falsches zu sagen.
Gesegnet seien alle,
die mir erlauben
von dem Verstorbenen zu sprechen.
Ich möchte meine Erinnerungen
nicht totschweigen.
Ich suche Menschen,
denen ich mitteilen kann,
was mich bewegt.
Gesegnet seien alle,
die mir zuhören, auch wenn das,
was ich zu sagen habe,
sehr schwer zu ertragen ist.
Gesegnet seien alle,
die mich nicht ändern wollen,
sondern geduldig so annehmen,
wie ich jetzt bin.
Gesegnet seien alle,
die mich trösten und mir zusichern,
dass Gott mich nicht verlassen hat.
Oh Gott, berge Du uns alle