Monika Geier

Müllers Morde


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Der alte Steenbergen war ja fast noch zu beglückwünschen, dass er so ein – ja: vernünftiges Hobby gehabt hatte, das ihn vom Gebrauch seiner vielfältigen Reichenmöglichkeiten abhielt.

      Und dann fragte Richard sich, weshalb er einfach automatisch annahm, dass Steenbergen sich wirklich hatte abhalten lassen. Das konnte man doch gar nicht wissen. Der Typ war zwanzig Tage im Monat auf Reisen gewesen, da konnte gut und gern eine kleine Safari dabei gewesen sein. Vielflieger wie er packten so was vielleicht in ein verlängertes Wochenende. Und wenn man der Theorie folgte, dass sich im Leben alles irgendwie ausglich, dann musste Steenbergen in der Tat irgendwas angestellt haben. So ein Tod wie seiner, das sah mächtig nach Strafe aus. Nach Schicksal. Nach einem Strippenzieher ganz weit oben, der sauer war wegen der Bären und noch so einigem anderen und der sich jetzt auch mal – ein Mal – amüsieren wollte. Ha, ha.

      Eine Viertelstunde vor Mitternacht rief Richard schließlich bei Fred an. Fred war so was wie sein freier Mitarbeiter, ein Lehramtsstudent, der keine Arbeit ablehnte, weil er seinen vierjährigen Sohn irgendwie mit durchbringen musste. Richard dachte kurz an Steenbergen, während er wählte: Auch der hatte in sehr jungen Jahren ein Kind gezeugt, doch offensichtlich hatte das seine Karriere nicht behindert.

      Irgendwer hob ab und meldete sich nicht, das machte Fred immer so: Er lauschte gespannt ins Telefon wie ein ganz kleiner Junge.

      »Fred?«

      »Richard?«

      »Genau. Du, Fred –«

      »Mann, ich hab gerade an dich gedacht.« Freds müde Stimme gewann rasch an Kraft. »Sag mir, dass du Arbeit hast.«

      »Na ja«, sagte Richard mit Blick auf Steenbergens Laptop, mit dem er zuletzt versucht hatte, sich eine Bahnverbindung zu dem ominösen Totenmaar herauszusuchen. »So was in der Art schon.«

      Fred kaute nun hörbar, das tat er oft beim Telefonieren. Vermutlich legte er sich extra Knabbereien neben den Apparat, um immer gerüstet zu sein, wie für eine Bahnfahrt. »Krass. Dachte schon müsste in diesen befeuerten – mhm – Pfeudo-Veggie-Laden zurück.« Er schluckte. »Ich hab ja rausgekriegt, dass die mit Tiefkühlgemüse aus Spanien kochen und das ist so was von verlogen, echt, und das hab ich Markus auch gesagt, wenn du verstehst, und jetzt zurückmüssen ist voll Kacke.« Er machte eine Pause und raschelte dabei mit irgendeiner Tüte. »Na ja, ­immerhin nehmen sie kein Fleif.«

      »Fred«, sagte Richard, »hast du eigentlich ein Auto?«

      Nun blieb es still. Für Freds Verhältnisse sehr lange still. »Rick«, sagte er dann völlig klar.

      »Also ja.«

      »Mann, du, Rick, ich weiß, ich weiß, aber wir brauchen das. Ich muss Simon morgens in die Kita bringen, echt, und das schaffen wir mit der Bahn nicht. Und setz du mal so einen kleinen Knopp bei Regen aufs Fahrrad, und dann muss ich ja über die Zoobrücke, und du weißt, was da für ein Verkehr ist, also das ist mir auch einfach zu gefährlich, Rick, denk nur mal an all die Laster, die da morgens –

      »Halt«, sagte Richard. »Fred, ich brauche dein Auto. Und dich, zum Fahren.«

      »Oh«, sagte Fred.

      »Hast du morgen Zeit?«

      »Oh«, sagte Fred wieder. Und: »Na klar, für dich doch immer.«

      »Wir müssen ans Totenmaar«, sagte Richard. »Das ist in der Eifel, da kommt man von hier aus schlecht hin. Zu wenig öffentliche Verkehrsmittel. Liegt ein bisschen einsam, dieses Maar –«

      »Ich hab davon gehört«, sagte Fred heiter. »Da ist dieser ENERGIE-Typ gestorben, an Kohlendioxidvergiftung, ich hab am Boden gelegen, echt …!«

      »Fred!«, sagte Richard streng.

      »Du etwa nicht?«

      Richard seufzte. »Morgen früh um zehn bei mir.«

      »Okay. Ricky?«

      »Was?«

      »Ich muss es dann in bar haben.«

      »Na klar, Fred.«

      Fred lachte. »Gibt es da wirklich keinen Bus hin, ans Totenmaar? Oder werden wir jetzt alt?«

      »Keinen Bus, den ich erreichen würde«, sagte Richard steif.

      Fred lachte wieder. »Also gut, Rick, bis dann.«

      Eine alte Frau.

      Ja, das war schlimm.

      Ach, die hat Sie also gerührt?

      Natürlich. Ich bin doch kein Unmensch.

      Sie hätten sie leben lassen können.

      Soll ich Ihnen mal was sagen: Das da in Steenbergens Haus, das war ein Superjob. Das war der Hammer, ich bin da rein und hab diesen Ökoheini voll abgezockt, und der hat es noch nicht mal gemerkt! Der hat mir alles geglaubt, der hat mich vergessen, als ich aus der Tür raus war! Das ist es, was ich meine mit: Hackersein.

      Die alte Dame hatte Sie sofort durchschaut.

      Die hätte mir auch geglaubt. Ich war bloß in dem Moment zu vernagelt. Ich habe falsch reagiert. Als sie mich beschuldigt hat, ich wär nicht von Kabel Deutschland, da haben meine Nerven versagt, weil ich einfach nicht damit gerechnet habe. Die alten Damen glauben mir sonst immer! Und die hier, die war auch nicht anders, die hatte nur Langeweile und wollte diskutieren. Ich hätte einfach cool bleiben müssen und ihr eine Geschichte erzählen. Das wär’s gewesen. Aber ich war nervös … Andererseits: Ohne sie wäre ich nie rüber in Steenbergens Haus gekommen, also hatte die Sache dann doch ihr Gutes.

      Sagen Sie mal: Was ist das eigentlich für ein Gefühl, wenn ein Mensch unter Ihren Händen stirbt?

      Wollen Sie mir jetzt ein schlechtes Gewissen machen?

      Nein, es interessiert mich. Ehrlich.

      Essen Sie eigentlich Fleisch? Und Eier? Trinken Sie Milch?

      Was hat das damit zu tun?

      Dann sagen Sie doch mal: Was ist das eigentlich für ein Gefühl, ein Wesen zu essen, das Ihretwegen ein Scheißleben hatte und elend gestorben ist? Was ist das für ein Gefühl, zu wissen, dass tausende Kälbchen in dunklen Ställen an Gumminippeln zutzeln müssen, damit Sie ­Ihren Joghurt zum Frühstück kriegen? Und wie die Hühner gehalten werden, das wissen wir ja alle. Glauben Sie, ich bin grausamer als ein normaler Durchschnittsbauer?

      Sie haben doch ein ökologisches Motiv.

      Nein. Ich habe das fürs Geld gemacht. Übrigens esse ich auch Fleisch. Ich wollte Ihnen nur mal die Verhältnisse geraderücken.

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