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HUNDE JA-HR-BUCH ZWEI


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ist. Aus dem Einsatzgepäck nehme ich mir die beiden Schokonussriegel und lege mich ebenfalls ins Gras, wobei ich das Proviantpaket als Kopfkissen benutze. Genüsslich esse ich die Schokolade und es tut richtig gut, nach der langen Fahrt die Beine auszustrecken. Über mir ziehen die Schäfchenwolken dahin. Ich denke gerade daran, wie ich mit der Rettungshundearbeit begonnen habe, als Arry neben mir lauthals zu schnarchen anfängt. Der Auslöser war ein Artikel in einer Hundezeitschrift. Die Überschrift lautete „Fliegende Hunde“ oder so ähnlich. Der Artikel beschrieb die Ausbildung von Rettungshunden und ich las unter anderem, dass sie auch flugtauglich sein müssen, um schnell zur Einsatzstelle gebracht werden zu können. Irgendwann einmal während eines Ausbildungstages habe ich mit Max über dieses Thema diskutiert. „Das Fliegen selber ist eigentlich nicht das Schlimmste für den Hund, ist es wie Autofahren. Nur das Ein– und Aussteigen ist das Problem!“, erklärte mir Max damals.

      Neben mir im Gras beginnt eine Grille mit ihrem Abendlied. Von der Asphaltpiste der Autobahn ertönt monoton das Rauschen der vorbeifahrenden Autos. Wenn man etwas Fantasie hat, kann man in den Wolken, die immer noch über mir vorbeiziehen, Formen, Gebilde oder sogar Tiere erkennen. Gerade erkenne ich ein Huhn, da drüben sogar einen Schwan oder eine Katze und einen Hund. Einen fliegenden Hund sogar, ja richtig, dort ist ein fliegender Hund und hinter diesem folgen noch viele andere. In breiter Suchkette schwärmen sie über den blauen Himmel, von Westen nach Osten: fliegende Hunde im Flächeneinsatz, so weit das Auge reicht. Zeitweilig kann ich sogar ihr aufgeregtes Hecheln und Jaulen hören. Bestimmt sind sie auf der Suche nach einem Menschen, der sich in Not befindet. Aber komisch, ich sehe nirgendwo einen der Hundeführer. Urplötzlich höre ich dann den Standlaut, mit dem der Hund anzeigt, dass er den Vermissten gefunden hat. Aber wo denn nur? Immer noch ist keiner der Rettungshundeführer zu sehen. Die endlos lange Suchkette der fliegenden Hunde ist zum Stehen gekommen. Der Hund bellt immer noch, aber nicht freudig erregt, sondern böse und aggressiv. Das allerdings kenne ich überhaupt nicht von einem Rettungshund. Rettungshunde werden grundsätzlich menschenfreundlich erzogen und ausgebildet! Doch jetzt höre ich auch den Hundeführer sprechen: „Hallo, hallo Sie da, sind Sie in Ordnung, fühlen Sie sich gut?“

      Von einer Sekunde auf die andere werde ich wach und richte mich, noch etwas benommen, auf.

      Sofort erkenne ich die Situation, in der ich mich befinde, die Realität hat mich wieder. Etwa zwei Meter von mir entfernt steht Arry und bellt herausfordernd, als wollte er sagen: „Komm bloß nicht näher, ich warne dich, mein Herrchen macht gerade Siesta und möchte nicht gestört werden!“ Drei bis vier Meter hinter dem Hund steht ein Herr in einer khakifarbenen Uniform und mit einer weißen Mütze auf dem Kopf sowie einem Revolver am Gürtel. Es ist ein Beamter von der Autobahnpolizei, sein Kollege befindet sich neben dem Streifenwagen auf dem Parkplatz vor meinem Auto. Ich rufe Arry: „Aus und Platz!“ Arry legt sich sofort auf der Stelle hin und ist ruhig. Ich stehe, immer noch leicht benommen, auf und gehe an meinem Hund vorbei zu dem Polizisten. „Guten Abend!“, sagt dieser freundlich zu mir, „wir haben von einem Autofahrer einen Anruf bekommen, dass hier auf dem Parkplatz ein Mitarbeiter des ADAC verletzt liegen soll. Der Anrufer sagte, er hätte ihn an seinem orangefarbenen Overall erkannt!“

      Jetzt muss ich lachen. Ich erkläre den beiden Beamten, dass ich Rettungshundeführer und dieser orangefarbene Overall meine Dienstbekleidung sei. Ich würde mich auf dem Heimweg befinden und hier nur eine kurze Rast machen. Außerdem zeige ich noch meinen Personalausweis vor. Sichtlich beruhigt lassen sich die beiden Beamten von mir etwas über die Rettungshundearbeit erzählen. „Interessant“, meint der, der mich zuerst angesprochen hat, „und das machen Sie alles in Ihrer Freizeit?“ „Ja“, erwidere ich, „meistens am Wochenende, bloß heute war es ganz schön nervig auf der Autobahn und deshalb habe ich hier eine Pause gemacht.“ „OK“, meint nun der andere Polizist, der beim Fahrzeug geblieben war, „hier ist alles in Ordnung, wir wünschen noch eine angenehme Weiterfahrt und ein schönes Wochenende!“ Ich bedanke mich bei den beiden und schaue ihnen hinterher, während sie den Parkplatz verlassen.

      Als die beiden fort sind, drehe mich zu meinem Hund um, der die ganze Zeit brav im Platz liegen geblieben ist. Ich knie mich hin, nehme seinen Kopf in beide Hände und schaue ihm in die bernsteinfarbenen Augen. „Danke, dass du mich wach gemacht hast. Brav war das, es hätte ja auch jemand anderes sein können!“ Mein Einsatzgepäck hebe ich auf und gehe zu meinem Auto zurück.

      Dort nehme ich noch einen langen Schluck aus der Mineralwasserflasche, während der Hund den erneut gefüllten Wassernapf leer macht. Kurze Zeit später rolle ich wieder mit meiner Reisegeschwindigkeit von einhundertdreißig Stundenkilometern über die immer noch heiße Asphaltbahn Richtung Norden. Arry hat sich wieder auf der Rückbank zusammengerollt. Es sind noch etwa zweihundert Kilometer bis nach Hause. Der kurze Schlaf hat mich wieder einigermaßen fit gemacht. Bei der nächsten Raststelle werde ich zu Hause anrufen, damit meine Familie weiß, wo ich mich im Augenblick befinde. Vor mir sehe ich das endlose Band der Autobahn, schnurgerade, und am Horizont den blauen Himmel mit den Schönwetterwolken. Ich lächele den Schäfchenwolken oder den „fliegenden Hunden“ zu.

      Diese Geschichte ist mir wirklich passiert. Damals gab es in meinem Bundesland noch keine Rettungshunde. So fuhr ich fast drei Jahre regelmäßig jeden Monat sechshundert Kilometer bis zu meiner Ausbildungsstaffel! Arry war der erste Rettungshund in Niedersachsen. Er wurde am 3. Juni 1984 nach den Richtlinien des Bundesverbandes für Rettungshunde geprüft.

       Petra Braig

      Pflegestelle wollte ich nie sein. Ich habe große Achtung vor allen Menschen, die einen Hund bei sich aufnehmen, ihm Zuneigung und Geborgenheit schenken und ihn dann wieder gehen lassen können, um Platz zu haben für die nächste arme Seele. Aber mir selbst traute ich das nicht zu. Und zwei Hunde waren genug. Obwohl – da war immer noch das hübsche kleine rote Halsband, das ich schon vor längerer Zeit auf einer Messe gekauft hatte und das keinem unserer beiden passte. Im Scherz hatte ich damals zu meinem Mann gesagt: „Wer da reinpasst, wird unser dritter Hund …“ Aber wir waren uns einig, dass drei Hunde einer zu viel seien.

      Unverhofft kam ich dann doch zu einem Pflegehund: Eine der über unseren Verein zur Adoption stehenden Hündinnen fand einfach keine Interessenten. Woche um Woche stand ihr Foto im Internet. Acht Jahre alt, schwarz, geduckt und ängstlich – so einen Hund wollte niemand. Also machte ich meinem Mann den Vorschlag, die Kleine aufzunehmen, sie aufzupäppeln, mit ihr zu arbeiten und sie dann in ein gutes Zuhause weiterzuvermitteln.

      Von Raya, die damals noch Mina hieß, war nur bekannt, dass sie die gesamten acht Jahre ihres bisherigen Lebens unter verschiedenen Jägern als Gebärmaschine herumgereicht worden war. Es hieß, dass sie fast nur eingesperrt gewesen sei und wenig Umwelterfahrung hätte. Gejagt habe sie nicht. Eine spanische Tierschützerin holte sie gerade noch rechtzeitig aus einer Tötungsstation, in der sie in erbärmlichem Zustand abgegeben worden war, und unser Verein übernahm sie zur Vermittlung.

      Als Raya bei uns ankam, war sie sehr verängstigt und scheu, völlig passiv und ließ alles mit sich geschehen, als ob sie einfach aufgegeben hätte. Ihr zierlicher Körper war voller alter Verletzungen, das Fell glanzlos und struppig. Vorne fehlten ihr zwei Zähne, und zu mager war sie auch. Vertrauen zum Menschen war ihr fremd, auf jede rasche Bewegung reagierte sie mit Panik. Unsere beiden Hunde akzeptierten die Kleine sofort, wobei Morenita, eine Galga, anfangs ziemlich zickte.

      Schon in den ersten Tagen zeigte sich, dass unter Rayas Angstpanzer ein entschlossener Hund steckte. Sie wollte fast von Beginn an mitgenommen werden, wenn es zum Laufen ging, und wischte sämtliche Bedenken hinsichtlich fehlender Kondition beiseite, indem sie, wurde sie allein gelassen, sofort zerstörte, was ihr gerade vor den Fang kam.

      Unsere Spaziergänge gestalteten sich zunächst ziemlich schwierig. Raya dabei zu haben, hieß abseits bisher gewohnter Strecken laufen. Sie hatte Angst vor fast allem, was einem draußen begegnen kann: Fahrräder, Kinderwagen, Autos, landwirtschaftliche Fahrzeuge … Ganz besonders ängstlich war sie, wenn wir Menschen begegneten. In Angstsituationen erstarrte sie und begann zu zittern; wurde die Panik zu groß, fiel sie einfach auf den Boden und krallte sich dort förmlich fest.

      Also