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HUNDE JA-HR-BUCH ZWEI


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die später ergänzt wurden durch jeweils ausgetestete Einzelblüten. Gerieten wir in eine Stresssituation, hockte ich mich zu ihr auf den Boden und hielt sie einfach sanft, um ihr Sicherheit zu geben, oder versuchte, sie mit der Tellington-Touch-Methode aus ihrer Starre zu lösen. Die beiden anderen Hunde standen dann jeweils da wie Denkmäler, als wüssten sie, worauf es ankam.

      Als Raya etwas lockerer geworden war, begannen wir richtig zu arbeiten: Begegnungen mit Menschen, Laufen an der Straße (anfangs nur, wenn wenig Verkehr war), Besuche daheim von eingewiesenen „Statisten“, die Raya nicht bedrängten. Raya lernte sehr schnell, sich in Situationen, die ihr nicht geheuer waren, hinter mir oder den beiden anderen Hunden zu verstecken, und konnte sich auf diese Weise darauf verlassen, dass niemand an sie herankam. Mit der Zeit zeigte sich, dass sie sehr wohl gejagt haben muss. Sie hat großes Interesse an Wild und reagiert entsprechend. Aber das ist eine andere Geschichte.

      Da Raya sehr verfressen ist, war Futter die ideale Belohnung bei unseren Übungen und zugleich ein Indikator für den Stresslevel. Nahm sie kein Futter mehr an, war es an der Zeit, die Situation, in der wir uns gerade befanden, aufzulösen. Ich hatte das Clickertraining mit ihr begonnen, und sie war begeistert dabei. Um sie mental auszulasten und eine Bindung zwischen uns aufzubauen, machte ich Futtersuchspiele und auch interaktive Spiele mit ihr. Besonders geschickt stellte sich die Kleine bei „Dog Fighter“ an, einem Spiel, bei dem Leckerlis unter Hütchen und Klötzchen aus Holz gefunden werden müssen.

      Raya entwickelte sich zu einem hübschen Hund, und wir stellten neue Fotos von ihr ins Internet und warteten auf Anfragen. Lange Zeit meldete sich niemand, bis eines Tages eine Frau anrief und mitteilte, sie interessiere sich für die Hündin. Bei mir schrillten sämtliche Alarmglocken – meine Raya wollte die? Ich bemühte mich um Sachlichkeit, wollte ich doch die Interessentin nicht vergraulen. Und so beschrieb ich die Kleine sehr präzise: ihren ausgeprägten Jagdtrieb, ihre Panikattacken (die aber schon viel seltener geworden seien) und ihre Angewohnheit, in die Hundebetten zu pinkeln, wenn ich das Haus verließ. Die Interessentin wiederum schoss sich selbst ins Off, als sie erklärte, sie werde dem Hund das Jagen halt mithilfe eines Stromreizgeräts abgewöhnen. Nein, so jemand bekam meine Raya auf keinen Fall!

      Die beiden Galgas waren mittlerweile enge Freundinnen und veranstalteten Rennspiele im Garten. Unser Pit Bull Terrier Tyson musste für Raya stets als Sofakissen herhalten. Sie kuschelte sich auf ihn und hakte einen Vorderlauf so über seinen Hinterschenkel, dass er nicht wegkam. Fremden Menschen gegenüber war Raya immer noch scheu, lief aber draußen inzwischen lässig an ihnen vorbei. Auf den einen oder anderen Besucher ging sie sogar schon zu. Und sie pinkelte nur noch ganz, ganz selten ins Haus …

      Also bekam sie niemand. Wir mussten sie einfach behalten, zu sehr war sie uns allen ans Herz gewachsen, diese kleine alte Galga, die mitunter im Garten tobte wie ein junger Hund, auf jedem Spaziergang am intensivsten von allen dreien herumschnüffelte, ihre Knopfaugen begehrlich leuchten ließ, um Leckerbissen zu schnorren, und mit ihrer Zahnlücke im Oberkiefer einfach nur niedlich aussah.

      Und überhaupt hatte ihr das kleine rote Halsband sofort gepasst …

       Kerstin Brose

      Meine fünfjährige Tochter Julia kam zu mir in die Küche. Mit kindlicher Sorgfalt legte sie zwei ihrer Barbiepuppen auf unseren runden Küchentisch und schob sich danach auf den Stuhl, was nicht ganz unkompliziert ist, wenn man noch ein Barbiepferd und eine kleine Haarbürste bei sich hat. Daraufhin begann sie liebevoll, die Mähne und den Schweif des stolzen Plastiktieres zu kämmen.

      Ich stand am Herd und kochte, während sie mir Gesellschaft leistete, und miteinander redeten wir über dies und jenes. Plötzlich hörte ich ihre bittenden Worte: „Du, Mami, ich möchte einen kleinen Hund haben, den ich dann auch so bürsten und pflegen kann. Solch einen gaaanz Kleinen, mit dem ich auch alleine spazieren gehen darf.“

      „Meinst du solch einen Spielzeughund mit Batterie?“

      „Keinen elektrischen Hund, Mama!“, kam es aus tiefster Seele zurück. „Ich meine einen echten!

      „Aber Julia“, entgegnete ich, „wir haben doch Charlie. Der ist so lieb und bürsten kannst du ihn auch.“

      Unseren Hund Charlie hatten wir aus dem Berliner Tierheim geholt, als unsere Tochter drei Monate alt war. Ich konnte den Tod meines Collie-Mischlings Pit nicht anders überwinden, als mir eine Woche später dieses schlaksige schwarze Etwas in unsere Familie zu holen. Es war eine höchst anstrengende Zeit, denn einen sechs Monate alten Setter-Schäferhund-Mischling zu erziehen und ausreichend zu bewegen, wenn man dazu noch ein eigenes Baby hat und sich mitten im Studium befindet, ist eine Herausforderung, die ich nicht empfehlen möchte. Den Tennisball in der einen Hand, den Kinderwagen in der anderen, versuchte ich auf langen Spaziergängen – vergeblich –, Charly müde zu spielen. Und ich erinnere mich noch gut an die Bemerkung einer älteren Frau, deren liebevolles Mitgefühl rauszuhören war, als sie sagte: „Wenn man nicht genug Arbeit hat, schafft man sich einen jungen Hund an.“

      Unser Charly entwickelte sich prächtig wie unsere Tochter auch und eines Tages übte sie sogar ihr erstes Stehen an Charlie, indem sie sich an seinem seidigen Fell festhielt und sich auszubalancieren versuchte. Mein Stolz auf Julias Können vermischte sich bei mir mit dem Mitleid für Charlie, der mich Hilfe suchend ansah und die „Zieperei“ heroisch ertrug, bis ich ihn von Julia befreit hatte.

      Charlie war unser Familienhund und ich war doch sehr verwundert über Julias Anliegen, einen kleinen Hund haben zu wollen.

      „Mit Charlie kann ich nicht alleine spazieren gehen, der ist mir zu groß. Ich möchte einen kleinen Hund für mich alleine, mit langen Haaren, damit ich ihn kämmen kann. Er soll Flöckchen heißen“, erklärte mir Julia voller Überzeugung.

      Nun hatten wir in der Zwischenzeit noch einen kleinen Sohn bekommen und deshalb hatte ich wirklich genug zu tun. Auch waren die Erinnerungen an Charlies erste Zeit bei uns noch sehr lebendig. Also brachte ich mein mühsam anstudiertes pädagogisches Geschick auf, um Julia klar zu machen, dass ein zweiter Hund für unsere Familie zu viel sei, zumal wir auch noch unsere alte Katze Sina hatten. Verständnisvoll sah Julia die Situation ein, aber das Gespräch rührte mich doch sehr, sodass ich abends meinem Mann davon erzählte. Wir sind beide große Tierfreunde und der Wunsch unserer Tochter löste eine gewisse Ambivalenz in uns aus, wenngleich uns meine getroffene Entscheidung gegen einen Zweithund als durchaus vernünftig erschien.

      Mein Mann ist Tierarzt und behandelte in dieser Zeit schwerpunktmäßig Pferde. Viele Pferdehalter haben noch weitere Tiere, sodass es keine Seltenheit war, wenn er ein paar Hunde medizinisch mitversorgte. So hatte er auch von einer sechzehnjährigen Hündin berichtet, die noch mal Welpen bekommen hatte – ganz niedliche Dinger! Das war monatelang her und untergegangen in unserem Alltag, der immer – berufsbedingt – voller tierischen Geschichten ist.

      Eines Tages rief mein Mann von unterwegs an und fragte mich, ob ich mir vielleicht doch einen kleinen Zweithund vorstellen könnte. Der Besitzer der sechzehnjährigen Hündin hatte ihm sein Leid geklagt: Die Leute wollten die Welpen nur geschenkt haben, aber keiner wäre bereit, wenigstens die Kosten für Impfungen und Entwurmung zu übernehmen. Von solchen zukünftigen Haltern hätte man nichts Gutes zu erwarten und ob mein Mann nicht jemanden wüsste, der einen kleinen Hund haben wollte. Die Welpen wären jetzt schon vier Monate alt.

      Völlig überrumpelt, wenn auch freudig gab ich zu bedenken, ob der neue Hund denn auch ins Auto passen würde bei der nächsten Fahrt in den Urlaub. Man stelle sich vor: zwei Kinder, Gepäck, ein Setter-Schäferhund-Mischling und …

      „Keine Sorge“, hörte ich durchs Telefon, „der Hund hat Handtaschenformat!“ Mein Mann machte eine bedeutungsvolle Pause. „Und wolltest du nicht auch schon immer solch einen kleinen Hund?“

      Natürlich wollte ich! Mein Herz machte Freudensprünge, als mir die Ernsthaftigkeit der Situation langsam bewusst wurde.

      „Wie sieht er denn aus?“, wollte ich aufgeregt wissen.

      „Na gefleckt,