aus Brettern und davor eingeschlagenen Pflöcken hergestellt, der Tritt der Stufen war mit dunkler Schlacke geebnet.
Während der Heimleiter mit meinem Persil-Karton weiterging, bog ich ab zur Susi. Die lotste mich in den Vorraum der Baracke, in dem es erst an einer Brüstung entlang ging. In dem Vorraum stand in einer Ecke ein Schemel, auf den ich mich setzen sollte. Susi besah sich mein Knie und sagte dann, dass das halb so schlimm sei. Sie betupfte die Wunde mit Jod, wobei ich bald durch die Decke der Baracke gefahren wäre, denn so brannte das. Aber vor so einer schönen Frau biss ich die Zähne fest zusammen. Während Susi mich versorgte, ein Mullstück auf die Wunde legte und über kreuz zwei Pflasterstreifen, sagte sie: „Du bist nicht der erste, dem das passiert. Sind ja auch verrückte Stufen.“ Dann durfte ich gehen.
Als ich die schon erwähnte Treppe hochgegangen war, ging es an einer langen Baracke entlang, in deren Mitte ein Turm stand, der ebenfalls, wie die Baracken, aus Holz war. An der anderen Seite der Baracke waren nummerierte Türen. In die Nummer Eins sollte ich eintreten. Als ich durch die Tür trat, kam ich erst in einem kleinen Vorraum. Dann kam eine weitere Tür. In der nächsten Stube befanden sich der Heimleiter und ein anderer junger Mann, der eine Hitlerjugend-Uniform trug. Er hieß Robert Kleingünter und erwies sich als Stubenältester. Er war im zweiten Lehrjahr. In der Stube standen zwei große Tische mit Bänken und an den Stirnseiten je ein Schemel. In der Mitte des Raumes befand sich ein Stützbalken und neben diesem ein großer Kanonenofen, dessen Rohr durch das Dach ging. Vorn neben dem Eingang stand ein großer Schuhschrank. Der Heimleiter und der Stubenälteste zeigten mir mein Bett und wie es herzurichten sei. Während sie gerade demonstrierten, wie der Bezug über die Decke zu ziehen sei, kam ein weiterer Bewohner. Es war Waldemar Hüsing aus Göttingen. Er bekam das Bett unter mir und den Spind neben meinen, der gleich neben dem Bett stand. Hüsing sagte zu den beiden Bettenbauern, dass sie gleich mit seinem Bett weitermachen könnten. Das taten sie aber nicht. Waldemar Hüsing war schon 18 Jahre alt und kein regelrechter Lehrling. Er hatte das Abitur abgelegt und wollte studieren. Vorher sollte er ein Jahr als Volontär im Werk arbeiten. Was das war, wusste ich damals nicht. Er musste sich jedenfalls so verhalten wie wir Lehrlinge.
Die Stube hatte an jeder Seite zwei Fenster. Der vordere Tisch stand an der Türseite quer vor den beiden Fenstern, während der andere Tisch mit einer Stirnseite vor den anderen beiden Fenstern stand. So stand er auch an den Fußenden der Doppelbetten, man hatte aber noch genügend Platz zum Sitzen am Tisch. Die Baracken gehörten zum ehemaligen Arbeitsdienstlager von Suhl.
Der Heimleiter kam später mit weiteren Neuankömmlingen, von denen nur einer zu uns hereingeschickt wurde. Es war Hans Syndermann aus Lüneburg. Robert Kleingünter, der Stubenälteste wies ihn ein. Gegen 19.00 Uhr ertönte draußen ein langer Pfiff mit einer Trillerpfeife und der Pfeifer rief: „Raustreten zum Abendessen!“, was dann noch einige Male wiederholt wurde.
Robert Kleingünter führte uns herunter zum Speisesaal. Zu ihm gelangte man durch eine Mitteltür oder eine Tür neben der Küche, die praktisch über dem Wachhäuschen lag. Von der Küche her wurden die Tische, die mindestens für 16 Mann Platz boten, nach den Stubennummern besetzt, wodurch wir als erste an der Küche sitzen konnten. Der letzte und zwölfte Tisch befand sich in der Nähe einer kleinen Bühne.
Der Heimleiter stellte uns die Köchin vor. Sie war eine stramme, große Frau mit blonden Haaren, hatte ein ovales Gesicht, war freundlich, aber bestimmt. Sie ließ nichts durchgehen, wie wir später feststellten. Gundula war ihr Name. Ihr zur Seite stand eine etwas ältere Frau aus Dresden. Während Gundula noch keine vierzig war, hatte ihre Küchenhilfe die Fünfzig schon überschritten. Sie bedauerte uns immer, wenn wir schwere Stunden zu überstehen hatten. Dafür hatte uns Gundula fest im Griff. Das Geschirr war derb und nicht so leicht zerbrechlich. Vor allem die Tassen waren recht stabil. Die ganze Küchenausrüstung entsprach der vom Reichsarbeitsdienst, wie auch alles andere im Heim vom Reichsarbeitsdienst stammte. Gundulas Kakao schmeckte uns und das Essen ebenso. Ich war zufrieden.
Nachdem wir abgeräumt hatten – es wurde auch gleich ein Tischdienst für jeden Tisch bis zur nächsten Woche eingeteilt –, erklärte uns der Heimleiter wie der weitere Ablauf unseres Wohnens im Heim vonstatten gehen sollte. Um 21.00 Uhr war Zapfenstreich. Jeder hat dann im Bett zu liegen. Der Stubenälteste hat dem „Führer vom Dienst“ bei dessen Erscheinen in der Stube eine Meldung zu machen, in der besondere Probleme wie Krankheiten oder das Fehlen einer Person, auch Schäden in der Stube, in die Meldung einzubeziehen waren. Die Meldung habe in Ausführung des „Deutschen Grußes“ zu erfolgen. Am Morgen würde gegen 4.30 Uhr geweckt. Daran anschließend erfolge in Turnhemd und Turnhose Frühsport. Nach dem Frühsport sei Waschen, Bettenbau und Stubendienst dran. Gegen 5.30 Uhr sei Frühstück, wozu jeder seine Brotbüchse für drei Doppelstullen mitbringen und füllen müsse. Fragen würden die Stubenältesten sicher beantworten können. Der Heimleiter wünschte uns eine gute Nacht und entließ uns auf die Stuben.
Kurz vor 21.00 Uhr ging Robert Kleingünter als Stubenältester an seinen Spind und holte ein Horn heraus, mit dem er zum Zapfenstreich blasen wollte. Wir betrachteten der Reihe nach das Horn und dann ging Robert los. Kurz darauf hörten wir ihn blasen. Er blies die Melodie vier mal hintereinander. In jede Himmelsrichtung ein mal. Bald darauf kam Robert wieder und scheuchte uns ins Bett. Für viele von uns war das neu, so hoch in einem Bett zu liegen und man fragte sich, ob man da nicht heraus und herunterfallen könne. Oben schliefen auf unserer Stube Hans Syndermann und ich. Unter mir lag Hüsing und unter Syndermann lag Franke. Die beiden voll belegten Betten standen an der Fensterwand, von wo man durch die Fenster noch besser als im Speisesaal ins Tal oder nach Suhl schauen konnte. Nun aber nicht mehr, denn die Fensterläden waren zugeklappt, weil verdunkelt werden musste. Das war der Schutz vor feindlichen Flugzeugen, die in der Nacht kommen könnten.
Der erste Arbeitstag
Wir bemerkten, wie Robert Kleingünter kurz vor halb fünf geweckt wurde. Nun ging der Ernst des Lebens los. Er tutete vier mal und kam dann zurück. Wir waren schon eifrig dabei, unsere Betten zu machen. Kurz nach Robert kam der „Führer vom Dienst“, der Heimleiter. Robert machte Meldung: „Stube eins alles auf und gesund. Keine besonderen Vorkommnisse.“ – „Danke“, entgegnete der Heimleiter und wünschte uns einen guten Morgen, was wir gemeinsam erwiderten. Kurze Zeit darauf ertönte ein Trillerpfiff und es wurde zum Frühsport herausgerufen. Trapp, trapp ging es los. Danach ging es zurück in die Stube und zum Waschraum. Viel Ruß wurde nicht gemacht. Im Laufschritt ging es zurück in die Stube.
Ich hatte gleich am ersten Tag und in der ersten Woche Stubendienst und musste mich ganz schön sputen, um bis zum Frühstück angezogen und fertig zu sein. Ich schaffte es, weil Hüsing mir zur Hand ging. Ich stellte den Besen gerade in die Ecke, da hieß es: „Raus treten!“ Wir strömten nach draußen und es ging in schnellen Schritten zum Speisesaal. Am Vorabend hatten wir die Order bekommen, die Hitlerjugend-Winteruniform anzuziehen. Dazu hatte ich nun sogar ein Mütze, eine Skimütze, wie sie zur Uniform getragen wurde.
Zum Frühstück gab es „Lorke“, das heißt Malzkaffee, und Marmeladenbrot. Nach dem Essen traten wir am Essenschalter an und nahmen die Frühstücksration in Empfang. Dann mussten wir die Treppen bis ins Tal überwinden. Im Tal angekommen, hatten wir in Marschkolonne anzutreten und los ging es. Kurz nach dem Abmarsch hieß es: „Ein Lied!“ – und vorn wurde angestimmt. Ich weiß nicht mehr, was wir damals sangen, aber ich weiß noch, dass ich mich ärgerte, weil für mich zu tief gesungen wurde.
Der Marsch führte Richtung Heinrichs und die große Esse des Betriebes kam uns näher und näher. Links von uns sahen wir den Sprungturm eines Sommerbades und ich freute mich schon auf das Baden gehen im Sommer. Bald darauf kamen wir auf die Hauptstraße. Einige meckerten wegen des weiten Weges. Auf beiden Seiten der Straße liefen Frauen und Männer in die gleiche Richtung wie wir. Die Mehrzahl bog aber dann zum Haupttor ab. Unser Marsch ging an einem weiteren Tor vorbei, wo man aber nur wenig Leute sah. Alle, die dort hinein wollten, führten ein Fahrrad mit. Später erfuhren wir, dass man dort nur mit einem Fahrrad durchgehen konnte, wofür auf dem Betriebsausweis eine zusätzliche Marke aufgeklebt sein musste. Links von uns bemerkten wir, wie von der Eisenbahn die Züge fuhren. Es musste gerade ein Zug gehalten haben, oder auch zwei, denn es kamen uns große Menschentrauben entgegen. Auch Omnibusse hatten uns überholt und bogen