Adalbert Ludwig Balling

In Dankbarkeit und Freude


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– da waren meine frühen Erfahrungen zu Hause auf dem Land sehr viel wertvoller und wichtiger!

      Als Missionar wirken wollen, heißt heute mehr denn je: Für vieles mitverantwortlich sein, was nicht unmittelbar mit der Glaubensverkündigung zu tun hat, aber sehr wohl mit einer richtig verstandenen Entwicklungshilfe, nämlich nicht zuletzt als Hilfe zur Selbsthilfe. Ich war damals der erste Missionar im ganzen Land, der mit dem eben erst (1958/1959) gegründeten Misereor-Hilfswerk in Aachen eng und intensiv zusammenarbeitete. Somit verdankten wir auf Embakwe der Großzügigkeit der deutschen Katholiken zum Beispiel die Finanzierung mehrerer wichtiger Projekte: Eine großangelegte künstliche Bewässerungsanlage, einen robusten Traktor für die schwarzen Farmer der Umgebung, eine riesige Werkhalle, mehrere Erd-Dämme zur Speicherung von Regenwasser sowie zirka 30 Kilometer Material zur Einzäunung einer ergiebigen Weide für die benachbarten schwarzen Viehzüchter.

      Wir hatten auch die ersten zwei Misereor-Helfer auf unserer Station, Franz und Dieter; beide Landwirtschafts-Experten. Ein Dritter, Windfried, kam später hinzu; er war Schreinermeister und bildete junge Afrikaner in diesem Metier aus.

      Leider weiß man hierzulande auch heute immer noch nicht die große Bedeutung und Wichtigkeit der deutschen Hilfswerke (Misereor, Adveniat, Renovabis, Brot für die Welt u. a.) richtig zu schätzen. Das millionenfach Gute, das über Jahrzehnte für Menschen in den Drittweltländern Afrikas, Asiens, Süd- und Mittelamerikas sowie auf den Inseln der Südsee geleistet werden konnte, übersteigt bei weitem unsere Vorstellungen. Tausende von Projekten wurden seit Ende der 1950er Jahre von diesen Organisationen geplant, durchgeführt und finanziert. Ihr Geldwert kann zwar in Zahlen erfasst werden, nicht jedoch der ideelle. Und der ist meines Erachtens der hundertmal wichtigere. Sowohl die weltweit wirkende katholische Kirche (parallel dazu die evangelische) als auch die Deutschen als Nation haben über diese WERKE gewaltig an Ansehen in der Welt gewonnen.

      Gerade wir Deutschen (und Österreicher), die wir mit Hitler und dem Dritten Reich so viel Unheil, Bosheit und Ärgernis in die Welt gebracht haben, gewannen über unsere großen christlichen Hilfswerke sehr stark an Respekt und Ansehen. Und damit etwas, was mittels Politik und zwischenstaatlicher Abkommen allein niemals so schnell und so nachhaltig hätte erreicht werden können.

      II

      Heimat ist hier und dort ist überall wo Menschen uns mögen Wo man Heimat hat da weiß man sich geborgen da ist man auch in der Einsamkeit nie ganz allein

      Heimat bietet in erster Linie die Familie, in der man geboren wurde. Die Menschen, die wir mögen, die uns viel bedeuten oder einmal bedeutet haben, verlieren wir nie mehr. Sie bleiben in unserer Erinnerung; sie begleiten uns ein Leben lang.

      Mit großer Dankbarkeit denke ich an meine Angehörigen; an meine Eltern und Geschwister, an die Onkel und Tanten der großen Verwandtschaft, aber auch an die vielen guten Leute im Dorf bzw. in der näheren Umgebung meiner Heimatgemeinde Gaurettersheim7.

      Einer alten Sage zufolge soll einst ein Riese drei schwere Schmiedehämmer hoch durch die Lüfte geworfen haben, um seine Kräfte zu demonstrieren. Einer kam in Oberwittighausen (im badischen Franken) wieder herunter, ein anderer in Grünsfeld bei Tauberbischofsheim und der dritte in Gaurettersheim, wo heute noch eine riesige Rippe im Vorraum des Gotteshauses, direkt unter dem Kirchturm, an den früheren Zu-Namen cum costa erinnert. Dort wird seit alters her eine von einem Mammut stammende Rippe aufbewahrt. Im Volksmund hieß es noch in meiner Kindheit, das sei eine Rippe jenes Riesen, der mit Schmiedehämmern zu spielen pflegte.

      Mein Patenonkel Ludwig, Schmiedemeister von Beruf, hat uns Kindern gerne alte Sagen erzählt, die er wieder von seinen Eltern und Großeltern gehört hatte; darunter eben auch die Sage vom Riesen von Rattersche.

      Etwas unterhalb der heutigen neugotischen Pfarrkirche, die aus vor Ort gehauenen gelbgrünen Sandsteinen errichtet wurde, stand bis ins 19. Jahrhundert ein kleines kostbares oktogonales (achteckiges) Kirchlein aus der Zeit der Karolinger. Leider wurde es völlig abgebrochen. Heute erinnern nur noch ein paar wenige Steinbrocken an dieses Kleinod.

      Als Mama und Papa noch lebten

      Unsere Mama war immer Heimat für uns Kinder; ein Leben lang. Bei ihr wussten wir uns geborgen und verstanden, auch als wir schon längst erwachsen waren. Sie blieb uns zeitlebens verbunden, sorgte sich um uns, betete viel für uns. Ohne ihre Fürsorge, auch und gerade in der Zeit meines Aufenthaltes in Afrika, wäre mir manches sehr viel schwerer gefallen. Sie begleitete mich betender Weise auf meinen unzähligen Foto- und Informationsreisen rings um den Erdball und bangte jedes Mal neu, wenn ich ihr den nächsten Trip ankündigte: Muss das denn sein? Warum so weit weg? Kennst du dort Leute, denen du vertrauen kannst? Wann kommst du wieder? Schickst du mir eine Postkarte aus Sibirien. Wo befindet sich denn der Baikalsee? Wo liegt Honolulu? Und warum musst du überhaupt so oft verreisen? Du hast doch schon so viel gesehen und erlebt! Fliegst du, oder kann man da auch mit der Bahn hinfahren?

      Als sie schon die 80 überschritten hatte und es ihr gesundheitlich gar nicht mehr gut ging, plante ich eine vierwöchige Rundreise durch China; ein Jahr später durch die Sowjetunion. Damals, Mitte der 1980er Jahre, gab es noch keine verlässlichen Handys, und das normale Telefonieren aus diesen Ländern war noch sehr beschwerlich; fast unmöglich, wenn man in einer Gruppe reiste. Daher sagte ich Mama, ehe ich mich verabschiedete: In vier Wochen komme ich wieder. Und ich wusste, sie würde das Sterben entsprechend hinausschieben. So war es denn auch, und sie freute sich sehr, wenn ich ihr nach meiner Rückkehr erstmals wieder ein Grußwort sandte. Meine Postkarten kamen ja meistens erst Wochen später an, wenn überhaupt. An ein anderes zwischenzeitliches Lebenszeichen war damals und aus weit entlegenen Regionen nicht zu denken.

      Natürlich fühlte sich unsere Mama in den langen Jahren nach Papas Tod (er starb 1949, als sie gerade 45 geworden war, und später, nachdem meine Geschwister ihre eigenen Familien gegründet hatten) nicht nur bei meinem Bruder Georg zu Hause, sondern auch bei meinen Schwestern Rita und Irene, die sich immer sehr um sie sorgten. Aber schon nach ein paar Wochen bei ihren Töchtern und deren Familien drängelte sie: Sie müsse wieder heim, in die altgewohnte Umgebung, wohin sie 1929 geheiratet hatte; zu den anderen Leuten im Dorf; vor allem zu Papas Grab. Dort, auf dem Dorffriedhof, fühlte sie sich ihm am nächsten; dort betete sie für alle, die ihr vorausgegangen waren; dort fand sie auch, viel später, selber ihre letzte Ruhe.

      Unser Papa stammte aus einer alteingesessenen Schmiedefamilie. Er war der erste und älteste von fünf Buben (in einer langen Reihe von Schmieden), der das ehrenwerte Handwerk nicht erlernte, sondern stattdessen eine Landwirtschafts-Schule im benachbarten Tauberbischofsheim besuchte. Er mühte sich sehr, den kleinen ererbten Bauernhof zu modernisieren und auszubauen. Das Schmiede-Handwerk übernahm sein jüngerer Bruder Ludwig, mein Patenonkel, der sich am anderen Ende der Ortschaft eine neue Schmiede baute.

      Unsere alte Schmiede stand noch bis in die 1960er Jahre. Wir Kinder hießen im Dorf immer nur die Schmieds-Rita, der Schmieds-Ludwig, der Schmieds-Georg und die Schmieds-Irene. – In der alten Schmiede versuchten wir Buben gelegentlich, den verbliebenen kleinen Amboss zu bearbeiten. Das war Musik für unsere Ohren; es hallte weithin übers Dorf. Vielleicht war das auch eine versteckt-ererbte Vorliebe für dieses Handwerk, das ich bei Onkel Ludwig immer wieder bewunderte. Er beherrschte es meisterhaft; es war damals weithin noch harte Knochenarbeit.

      Schmiede schienen schier Alleskönner zu sein: Es galt, Pferde zu beschlagen, auf hölzerne Wagenräder eiserne Reifen aufzuziehen, handgeschmiedete Tore, Gitter und Zäune herzustellen, in der Lage zu sein, diverse landwirtschaftliche Maschinen zu reparieren, die Rohre für neue Wasserleitungen miteinander zu verbinden und vieles mehr.

      Die Schmiede wurden auch oft gebraucht, wenn die Dreschmaschine im Dorf war oder wenn irgendwo gebaut wurde. Weil so vielseitig gefragt und verwendbar, wurden auch allerlei neue Kenntnisse von ihnen abverlangt, weit über das Pferdebeschlagen und Wagenräder-Aufziehen hinaus!

      Der erste Schmied in unserem Dorf stammte aus Eichelsee bei Ochsenfurt; ein eingeheirateter Meister namens Balling. Seine Auserwählte war