Max Lugavere

Geniales Essen


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haben alle eine Meinung, doch diese wird bewusst oder unbewusst von Mächten beeinflusst, die dem bloßen Auge verborgen bleiben. Woher soll man wissen, wem und auf was man vertrauen kann, wenn so viel auf dem Spiel steht?

      Meine Nachforschungen

      In den ersten Monaten nach der Diagnose meiner Mutter machte ich, was jeder gute Sohn tun würde: Ich begleitete sie zu Arztbesuchen, ein Notizbuch voller Fragen in der Hand, im verzweifelten Versuch, wenigstens ein klein wenig Klarheit zu gewinnen, um unsere Sorgen zu verringern. Wenn wir in einer Stadt keine Antworten erhielten, flogen wir in die nächste. Von New York City nach Cleveland, von Ohio nach Baltimore, Maryland. Obwohl wir das Glück hatten, Termine in einigen der bestbewerteten Neurologie-Abteilungen der USA zu bekommen, erlebten wir dort immer das, was ich inzwischen „Diagnose und Adios!“ nenne: Nach einer ganzen Reihe körperlicher und kognitiver Tests wurden wir unseres Weges geschickt, häufig mit einem Rezept für irgendein neues biochemisches Pflaster und nicht viel mehr. Mit jedem Arzttermin wuchs meine Besessenheit, eine bessere Herangehensweise zu finden. Ich verbrachte zahllose schlaflose Nächte mit Recherche, wollte so viel wie möglich über die Mechanismen hinter der nebulösen Erkrankung lernen, die das Gehirn meiner Mutter langsam verkümmern ließen.

      Da sie scheinbar in ihrer Blüte war, als die Symptome erstmals auftraten, konnte ich, was ich sah, nicht dem hohen Alter zuschreiben. Als jugendliche, modische und charismatische Frau in ihren Fünfzigern entsprach meine Mutter nicht dem Bild einer Person, die sich den verheerenden Auswirkungen des Alters geschlagen geben musste. In unserer Familie gab es keine Vorgeschichte irgendeiner neurodegenerativen Erkrankung, also schien es ganz so, als könnten ihre Gene nicht ganz alleine verantwortlich sein. Es musste einen externen Auslöser gegeben haben, und ich hatte die Vermutung, dass es etwas mit ihrer Ernährung zu tun haben musste.

      Das Vorhaben, dieser Vermutung nachzugehen, führte dazu, dass ich mich fast ein Jahrzehnt intensiv damit beschäftigte, welche Rolle das Essen – sowie Faktoren des Lebenswandels wie Sport, Schlaf, und Stress – für die Gehirnfunktion spielen. Ich fand heraus, dass einige Avantgarde-Kliniker ihren Fokus auf die Zusammenhänge zwischen der Gesundheit des Gehirns und dem Metabolismus ausgerichtet haben, also auf die Frage, wie der Körper Energie aus essenziellen Zutaten wie Essen und Sauerstoff gewinnt. Und obwohl meine Mutter niemals unter Diabetes gelitten hatte, tauchte ich tief in die Recherche zu Diabetes Typ 2 ein und lernte mehr über Hormone wie Insulin und Leptin, die wenig bekannten Signale, welche den metabolischen Hauptschalter des Körpers kontrollieren. Ich entwickelte ein Interesse an den neuesten Forschungsergebnissen zum Zusammenhang zwischen der Ernährung und einem gesunden Herz-Kreislauf-System, in der Hoffnung, mehr über die Instandhaltung des Netzwerks winziger Blutgefäße, welche Sauerstoff und andere Nährstoffe an das Gehirn liefern, zu erfahren. Ich erfuhr, wie die alten Bakterienkulturen, die unseren Darm bevölkern, als stille Wächter für unser Gehirn dienen und wie sie durch unsere moderne Ernährung buchstäblich verhungern.

      Während ich immer mehr darüber lernte, welche Rolle Essen für das Risiko spielt, dass wir Krankheiten wie Alzheimer entwickeln, konnte ich nicht anders, als das, was ich neu erfahren hatte, für mich persönlich umzusetzen. Mir fiel auf, dass meine Energiespeicher bereits innerhalb weniger Tage besser angefüllt waren, und es fühlte sich so an, als wäre ich den ganzen Tag über konsistenter mit Energie versorgt. Meine Gedanken schienen müheloser zu fließen und ich stellte fest, dass ich immer häufiger gut gelaunt war. Außerdem fiel mir auf, dass ich mich besser konzentrieren konnte und mich nicht so leicht ablenken ließ. Mit der Zeit gelang es mir sogar, ein paar störrische Fettpolster zu verlieren und körperlich so gut in Form zu sein, wie noch nie zuvor in meinem Leben – ein willkommener Bonus. Und obwohl meine Nachforschungen anfänglich durch das, was mit meiner Mutter passierte, motiviert wurden, war ich nun von meiner neuen, für die Gesundheit des Gehirns förderlichen Ernährung begeistert.

      Unbeabsichtigt war ich auf eine versteckte Einsicht gestoßen: Die gleichen Lebensmittel, die unser Gehirn vor und Alterung schützen können, helfen auch dabei, dass es besser funktioniert.1 Indem wir etwas für unser zukünftiges Ich tun, können wir auch unser Leben heute verbessern, im Hier und Jetzt.

      Das kognitive Geburtsrecht zurückgewinnen

      Seit dem Aufkommen der modernen Medizin waren die Ärzte der Meinung, dass die Anatomie des Gehirns mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter fixiert sei. Veränderungen schienen unmöglich – unabhängig davon, ob es sich um eine Person mit angeborener Lernschwäche, das Opfer einer Gehirnverletzung, einen Demenzpatienten oder einfach jemanden handelte, der seine Gehirnleistung verbessern wollte. Das kognitive Leben, laut Wissenschaft, würde folgendermaßen ablaufen: Das Gehirn, und damit das für das Bewusstsein verantwortliche Organ, erlebt zunächst eine Periode heftigen Wachstums bis zum Alter von etwa 25 Jahren – dem Höhepunkt des Zustands der mentalen Hardware –, um dann bis zum Lebensende einen langen, allmählichen Abbau zu erfahren. Das galt unter der Voraussetzung, dass man nichts tat, um diesen Prozess zu beschleunigen. (Hallo, Kollege!)

      Mitte der Neunzigerjahre wurde dann eine Entdeckung gemacht, welche die Sichtweise von Wissenschaftlern und Ärzten auf das Gehirn für immer verändern sollte: Man fand heraus, dass auch während des gesamten Erwachsenenalters eines Menschen neue Hirnzellen entstehen können. Willkommene Nachrichten für eine Spezies, die auf das Spitzenprodukt der Darwinschen Evolution setzt: das menschliche Gehirn. Bis zu diesem Zeitpunkt war man davon ausgegangen, dass das Entstehen neuer Gehirnzellen – genannt Neurogenese – nur während der Entwicklungsphase möglich war.2 Auf einen Schlag waren die Tage des „neurologischen Nihilismus“ (der Begriff wurde vom Neurologen Norman Doidge geprägt) vorbei. Das Konzept der lebenslangen neuronalen Plastizität – der Fähigkeit des Gehirns, sich bis zum Tode zu verändern – war geboren und damit die einzigartige Möglichkeit, diese wegweisende Entdeckung für bessere Gesundheit und Leistung zu nutzen.

      Innerhalb weniger Dekaden – bis zur heutigen Zeit – wurden große Fortschritte hin zum Verständnis des menschlichen Gehirns gemacht, sowohl was den Schutz, als auch was die Leistungssteigerung angeht. Schauen wir uns zum Beispiel die Entwicklungen im Bereich der Alzheimer-Forschung an, einer verheerenden neurodegenerativen Erkrankung, von der alleine in den USA mehr als 5 Millionen Menschen betroffen sind (und man geht davon aus, dass sich diese Zahl in den kommenden Jahren verdreifachen wird) – erst vor Kurzem erkannte man, dass sich die Ernährung auf die Erkrankung auswirken kann. Im Jahr 1906 wurde die Erkrankung erstmals vom deutschen Mediziner Alois Alzheimer beschrieben, doch 90 Prozent dessen, was wir heute über das Leiden wissen, wurde erst in den vergangenen 15 Jahren entdeckt.

      DER DEMENZ DEN F.I.N.G.E.R. ZEIGEN

      Ich hatte das Privileg, Miia Kivipelto treffen zu dürfen, Neurobiologin am Karolinska Institutet in Stockholm und eine der führenden Wissenschaftlerinnen, wenn es um das Erforschen der Auswirkung von Ernährung und Lebenswandel auf das Risiko für Demenzerkrankungen geht. Sie leitet die bahnbrechende Finnish Geriatric Intervention Study to Prevent Cognitive Impairment and Disability (F.I.N.G.E.R.), die erste aktuelle, umfassende randomisierte Langzeitkontrollstudie, die den Einfluss untersucht, den Ernährung und Lebenswandel auf unsere kognitive Gesundheit haben. Über zwei Jahre hinweg wurde die Hälfte von fast 1200 teilnehmenden kognitiv normalen älteren Erwachsenen, die das Risiko hatten, Demenz zu entwickeln, einem Interventionsprogramm unterzogen, das Ernährungsberatung und Sportprogramme beinhaltete sowie soziale Unterstützung zur Reduktion von Einsamkeit, Depressionen und Stress – alles bedeutende psychosoziale Risikofaktoren für die Entwicklung dieser Erkrankung.

      Verglichen mit der Kontrollgruppe steigerten die Teilnehmer in der Interventionsgruppe ihre kognitive Funktion um durchschnittlich 25 %, wie in einer umfangreichen Reihe neuropsychologischer Tests gemessen wurde.3 Selbst die exekutiven Funktionen steigerten sich um beeindruckende 83 %. Die exekutiven Funktionen sind für viele Aspekte eines gesunden Lebens von entscheidender Bedeutung. Zum Planen, um Entscheidungen zu treffen und sogar für soziale Interaktionen sind gesunde exekutive Funktionen notwendig. (Wenn die exekutiven Funktionen nicht reibungslos ablaufen, können die Betroffenen in der Regel nicht klar denken oder „bekommen nichts auf die Reihe“.) Außerdem verbesserte sich die Verarbeitungsgeschwindigkeit