Handelsorganisation mit Namen Sugar Research Foundation (Stiftung zur Erforschung des Zuckers, bekannt als Sugar Association/Zucker-Zweckverband) ausgezahlt worden – eine Tatsache, die bei der ursprünglichen Veröffentlichung des Artikels keine Erwähnung fand. Schlimmer noch, die Stiftung hatte sogar die Studien ausgewählt, die von den Wissenschaftlern für den Artikel in Betracht gezogen werden sollten. „Es war ihnen jahrzehntelang möglich, die Debatte über Zucker zu behindern“, sagte Stanton Glantz, Professor für Medizin an der University of California, San Francisco, in einem Interview der New York Times. Glantz veröffentlichte diese Resultate im Journal of the American Medical Association im Jahr 2016.3 (Falls Sie glauben, wir hätten derart ruchlose Methoden hinter uns gelassen, denken Sie noch mal genau nach. Die Zuckerindustrie vernebelt die Wissenschaft weiterhin, indem sie Studien finanziert, bei denen sich praktischerweise herausstellt, dass die Vorwürfe gegen den Zucker übertrieben sind.)4
AUFTRITT: FRANKENSTEIN-FOOD
Wie stark können Lebensmittel manipuliert werden, bis man sie nicht mehr Lebensmittel nennen kann? Lange Zeit mussten in den USA Produkte, die den strengen Definitionen für Grundnahrungsmittel nicht entsprachen, als „Imitation“ gekennzeichnet werden. Ein Etikett mit dem I-Wort bedeutete aus Marketing-Sicht aber den Untergang für das Produkt, also lobbyierte die Lebensmittelindustrie für die Deregulierung dieser Vorgabe. Im Jahr 1973 bekamen sie dann, was sie wollten. In seinem Buch Lebens-Mittel: Eine Verteidigung gegen die industrielle Nahrung und den Diäten- Wahn schreibt der Journalist Michael Pollan,
dass damit das regulatorische Tor für alle möglichen fingierten Low-Fat-Produkte geöffnet worden sei: So habe man etwa natürliches Fett in Sour Cream, Joghurt und ähnlichen Produkten durch gehärtete Fette, Guaran oder Carrageen ersetzt, Speckstückchen durch Sojaproteine, die Sahne in „Schlagsahne“ und „Kaffeesahne“ durch Maisstärke und das Eigelb in Flüssigei durch was auch immer sich die Lebensmitteltechniker ausdenken konnten, denn nun war alles möglich. Pollan betont, dass all dies möglich geworden sei, solange die neuen fingierten Lebensmittel so aufgebaut waren, dass sie ernährungstechnisch dem echten Artikel entsprachen und damit nicht länger als Fälschung galten.
Plötzlich waren dem „ Frankenstein-Food ” die Schleusentore geöffnet worden und der Markt wurde von gefälschten Lebensmitteln überschwemmt. So ähnlich wie im Film Gate – Die Unterirdischen aus dem Jahr 1987 war das Tor zur Hölle geöffnet worden, doch statt eines Ansturms gräulicher Kreaturen wurden die industriell verarbeiteten Doppelgänger echter Lebensmittel heraufbeschworen, ausgestattet mit einem fettarmen oder fettfreien Heiligenschein.
Eines der absurderen Produkte dieser Schar kam in den späten 90ern heraus: Kartoffelchips, deren Rezeptur das Molekül Olestra enthielt. Ein Traum wurde wahr – ein im Labor geschaffener Fettersatzstoff, der den Verdauungstrakt auf wundersame Art und Weise passierte, ohne absorbiert zu werden. Der einzige Nachteil? Die Krämpfe, Blähungen und das „anale Leck“, die in arglosen Unterhosen überall zum Äquivalent der Exxon-Valdez Ölpest wurden.
Doch wie vermeidet man „Frankenstein-Food”, wenn der Besuch im modernen Supermarkt dem Weg über ein vermintes Feld gleicht? Halten Sie sich beim Einkauf im Supermarkt im Randbereich auf, wo in der Regel die verderblichen, frischen Lebensmittel zu finden sind. Das „Frankenstein-Food” lauert meistens in den Regalen in der Mitte des Marktes. Und noch ein Tipp: Halten Sie sich an die Genius Foods. Im Genius-Plan in Kapitel 11 schlage ich außerdem eine Einkaufsliste vor.
Schließlich veröffentlichte Keys die Seven Countries Study (Sieben-Länder-Studie), eine wegweisende Forschungsarbeit, die allerdings ähnliche Mängel aufwies wie seine frühere Arbeit. Darin verlegte Keys den Fokus vom Fettkonsum insgesamt auf gesättigte Fettsäuren. Gesättigte Fettsäuren sind bei Raumtemperatur fest und kommen zum Beispiel in Lebensmitteln wie Rindfleisch, Schweinefleisch und Milchprodukten vor. Wie jeder weiß, der jemals Fett in den Abfluss gegossen hat, kann diese Art Fett die Abflussrohre verstopfen – und in einem Amerika, in dem die Ernährungswissenschaften gerade erst ihren Anfang nahmen, machte es Sinn, dass das Gleiche auch im Körper passieren könnte (Spoiler-Alarm: das tut es nicht).
Mit dem neuen Fokus auf die „Arterien verstopfenden Fette“ gelang es Keys, eine (damals) relativ unbekannte Organisation zu beeinflussen, die American Heart Association. Mit Geld vom riesigen Konzern Procter & Gamble, der unter anderem Öl mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren produzierte (das stark industriell verarbeitet und im Gegensatz zu gesättigten Fettsäuren auch bei Raumtemperatur flüssig ist), war es der Organisation möglich, zu einer nationalen Triebkraft aufzusteigen. Die American Heart Association schaltete Anzeigen im Fernsehen und in Magazinen, in denen die Amerikaner vor dem Bösen gewarnt wurden, das sich in ihrer Butter verbarg. Als auch die US-Regierung im Jahr 1977 diese Idee aufnahm, wurde der „Low-Fat“-Mythos zum Glaubensgrundsatz.
Schnell wurden die Amerikaner zum Ziel von Lebensmittelproduzenten, welche die Gelegenheit nutzten, „gesunde“ fettarme Lebensmittel (mit hohem Zuckergehalt) und Aufstriche, die auf mehrfach ungesättigten Fettsäuren basierten („cholesterinfrei!“), in Massen auf den Markt zu bringen. Chemische und hitzeextrahierte Öle wie Raps- und Maiskeimöl wurden als gesund angepriesen, während Lebensmittel mit natürlichem Fettgehalt – selbst Avocados – gemieden wurden. Über Nacht wurde Margarine – eine reichhaltige Quelle für ein synthetisches Fett namens Transfett – zu einem „buttrigen Brotaufstrich, gut fürs Herz“.
Industrielle Schnellverfahren, wissenschaftliche Überheblichkeit und Unfähigkeit der Regierung führten dazu, dass natürliche Lebensmittel verworfen wurden und man sich stattdessen in ein chemisches Minenfeld der „Nährstoffe“ stürzte. Das erste Opfer dieses Fett-Fiaskos? Unser Gehirn, das zum Großteil aus Fett besteht. Sechzig Prozent des empfindlichen, schadensanfälligen menschlichen Gehirns setzt sich aus Fettsäuren zusammen und – wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden – die Sorte Fett, die man konsumiert, beeinflusst nicht nur die Qualität unserer Gehirnfunktion in jedem einzelnen Moment, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für die Verwüstungen neurodegenerativer Erkrankungen.
Fette spielen eine bedeutende Rolle in jedem Aspekt unseres Lebens – vom Entscheidungsfindungsprozess über die Fähigkeit zum Abnehmen zum Krebsrisiko – und wirken sich sogar auf die Geschwindigkeit aus, in der wir altern. Am Ende dieses Kapitels werden Sie in der Lage sein, die Lebensmittel mit Fettgehalt auszuwählen, die nicht nur Ihre kognitive Leistungsfähigkeit, exekutiven Funktionen, Laune und langfristige Gesundheit Ihres Gehirns positiv beeinflussen werden, sondern auch Ihre Gesundheit insgesamt. Eine wichtige Lehre aus diesem Abschnitt ist, dass es nicht darauf ankommt, wie viel Fett man zu sich nimmt, sondern welche Art.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren: Das zweischneidige Schwert
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind eine Art Nahrungsfett, das in unserem Gehirn und unserem Körper allgegenwärtig ist. Die bekanntesten mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die als essenziell gelten, da unser Körper sie benötigt und nicht selbst synthetisieren kann. Daher müssen wir diese Fette über unsere Nahrung aufnehmen.
Zwei der bedeutendsten Omega-3-Fettsäuren sind die Eicosapentaensäure (EPA, von engl. eicosapentaenoic acid) und Docosahexaensäure (DHA, von engl. docosahexaenoic acid). Diese Verbindungen sind gut für das Gehirn und kommen im Fett von Fisch wie Wildlachs, Makrele und Sardine, Krill und bestimmten Algen vor. In kleineren Mengen sind sie auch im Rindfleisch von Tieren aus Weidehaltung und den Eiern von Freilandhühnern zu finden. Während EPA im gesamten Körper entzündungshemmend wirkt, ist DHA die wichtigste und ergiebigste strukturelle Komponente gesunder Gehirnzellen. Eine weitere Omega-3-Fettsäure, die in Pflanzen zu finden ist, heißt Alpha-Linolensäure (ALA). ALA muss in EPA und DHA umgewandelt werden, damit sie von den Zellen genutzt werden kann, der Körper ist dazu jedoch nur stark begrenzt in der Lage und wie effektiv er dabei sein kann, ist von Mensch zu Mensch verschieden (mehr dazu später).
Auf der zweiten Seite der mehrfach ungesättigten Medaille haben wir die Omega-6-Fettsäuren. Diese sind für ein gesundes Gehirn ebenfalls essenziell. Heutzutage enthält die