Max Lugavere

Geniales Essen


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über wenige Jahrzehnte entwickelten sie sich jedoch zu einem bedeutenden kalorischen Anteil in der amerikanischen Ernährung. Sie sind die vorwiegende Art von Fettsäuren, die in Öl auf Getreide- oder Kernbasis vorkommen und die wir heutzutage im Übermaß genießen: Färberdistel-, Sonnenblumenkern-, Raps-, Maiskeim- und Sojaöl.

      Die Nacht der lipiden Toten

      So sehr mehrfach ungesättigte Fettsäuren auch vom Gehirn begehrt werden, sie sind empfindlich und sehr anfällig für den Prozess der Oxidation. Oxidation tritt auf, wenn eine chemische Reaktion zwischen Sauerstoff (davon haben Sie vielleicht schon gehört) und bestimmten Molekülen stattfindet, bei der ein „Zombie“-Molekül mit einem extrem reaktiven extra Elektron, einem sogenannten freien Radikal eine Verbindung eingeht. Wie reaktiv ist „extrem reaktiv“? Sagen wir so, diese Radikale lassen die White Walkers aus Game of Thrones wie eine pazifistische Hippie-Kommune aussehen.

      Das extra Elektron kann mit einem weiteren Molekül in der Nähe reagieren, es in ein zweites freies Radikal umwandeln und damit eine unendliche Kettenreaktion auslösen, die ein heilloses Chaos zurücklässt. Das biochemische Äquivalent zur Zombie-Apokalypse: Ein Molekül beißt und infiziert seinen Nachbarn, sodass eine Horde Untoter entsteht. Der österreichische Naturstoff-Chemiker Gerhard Spiteller, ein Pionier auf seinem Gebiet, beschäftigte sich in seinen Forschungsarbeiten viel mit den Gefahren oxidierter mehrfach ungesättigter Fettsäuren und wies darauf hin,

      dass Radikale in der Regel vier Zehnerpotenzen (10 4 = 10.000) reaktiver sind als nicht-radikale Moleküle und dass ihre Aktionen keiner genetischen Kontrolle unterliegen, sondern dass sie fast alle biologischen Moleküle angreifen – Lipide, Proteine, Nukleinsäure (DNA), Hormone und Enzyme – bis die Radikale von Radikalfängern gestoppt werden.

      Jede organische Masse ist von dieser Art chemischer Schäden betroffen, siehe z. B. der Rost auf Eisen (Eisen ist auch der Katalysator für den gleichen Prozess im menschlichen Körper, was erklären könnte, warum Männer häufiger und früher Herzerkrankungen bekommen als Frauen, denn sie haben mehr rote Blutzellen und mehr Eisen im Blutkreislauf) oder die Tatsache, dass ein angeschnittener Apfel braun anläuft. Lassen Sie eine Apfelspalte mal ein paar Minuten auf der Küchenanrichte liegen, dann werden Sie sehen, wie schnell diese chemische Reaktion abläuft. Im Körper bedeutet übermäßige Oxidation, dass Entzündungen und Schäden an der Zellstruktur der DNA entstehen. Und man geht davon aus, dass es sich um einen Hauptmechanismus der Alterung handelt.

      Der Kampf gegen die Oxidation ist für alle Lebewesen ein ständiges Tauziehen. Unser Körper verfügt, wenn gesund, über eingebaute antioxidative Verteidigungsmöglichkeiten und im Idealfall produzieren wir Antioxidantien – die zuvor erwähnten Radikalfänger – ebenso schnell wie freie Radikale entstehen – oder sogar schneller. (Viele Genius Foods sind unter anderem daher gut für uns, da sie die körpereigene Produktion der Radikalfänger anregen.) Chronische Entzündungen oder Krankheiten wie Diabetes Typ 2 beeinträchtigen unsere Fähigkeit, gegen die Anhäufung von oxidativem Stress anzugehen. Das wird verschlimmert, wenn wir übermäßig Prooxidantien über unser Essen konsumieren. Bereits ein klein wenig oxidativer Stress setzt eine nukleare Kettenreaktion biochemischer Zerstörung in Gang und die Balance ist sehr empfindlich.

      Das bringt das Gehirn in eine einzigartige und brenzlige Lage. Verantwortlich für 20 – 25 % des Sauerstoffmetabolismus des Körpers, zum Großteil zusammengesetzt aus diesen empfindlichen mehrfach ungesättigten Fettsäuren und in ein Behältnis gezwängt, das ungefähr die Größe einer Grapefruit hat, könnte es ein größerer Magnet für Oxidation nicht sein. Wenn oxidativer Stress unsere natürlichen antioxidativen Systeme überwältigt, kann das zur Verneblung des Gehirns, Gedächtnisverlust, DNA-Schäden und dem Entstehen bzw. Verschlimmern der Symptome von Alzheimer, Parkinson, Multipler Sklerose (MS), Lewy-Körper-Demenz und Autismus führen.

      Intakte (nennen wir sie frische) mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind oxidationsanfällig, wenn sie jedoch in ihrem Naturzustand auftreten, enthalten in vollwertigen Lebensmitteln, sind sie mit schützenden Antioxidantien wie z. B. Vitamin E verbunden. Dies ist nicht der Fall, wenn mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Öl auftreten, das hitze- und chemisch behandelt wurde. Wenn solche Öle mit Hitze extrahiert und für die Produktion abgepackter Nahrungsmittel verwendet werden, werden sie zu einem der größten Giftstoffe in unserer Nahrungsversorgung.5 Manchmal befinden sich diese Öle dort, wo man sie erwarten würde, z. B. in industriell gefertigten Salatdressings und Margarine. Manchmal sind sie aber auch versteckt. Süßigkeiten auf Getreidebasis wie Kekse, Kuchen und Müsliriegel, Kartoffelchips, Pizza, Nudelgerichte, Brot und sogar Eiscreme gehören zu den größten Quellen oxidierter Öle in unserer Ernährung.6 Unsere Frühstücksflocken sind damit überzogen, geröstete Nüsse damit bedeckt (außer sie wurden explizit ohne Fett geröstet). Und diese Öle werden uns regelmäßig in Restaurants serviert, wo die Verarbeitung, schlechte Lagerungsbedingungen (monatelanges Aufbewahren in einer warmen Küche) und wiederholtes Erhitzen dazu führen, dass diese hochempfindlichen Fette schlecht werden. Die meisten Restaurants heutzutage frittieren und sautieren Lebensmittel darin, verwenden das gleiche Öl immer wieder und beschädigen es damit jedes Mal mehr – und damit auch uns. Pommes? Tempura-Garnelen? Das köstliche Hähnchenfleisch in Bierteig? Alles Vehikel für diese biochemisch mutierten Öle und für massive Mengen gefährlicher chemischer Verbindungen – die Aldehyde.

      Aldehyde sind Nebenprodukte der Fettoxidation und wurden in gesteigerten Mengen in mit Alzheimer durchzogenen Gehirnen gefunden. Im Gehirn führen sie dazu, dass Proteine stärker dafür anfällig sind, Querverbindungen zu bilden und zusammenzuklumpen, sodass sich Ablagerungen bilden, die das Gehirn „verkleben“ und charakteristisch für die Erkrankung sind.7 Auf die energieerzeugenden Mitochondrien im Gehirn und in der Wirbelsäule wirken diese Verbindungen wie starke Giftstoffe.8 Aldehyd-Kontakt (durch den Konsum ranzigen Öls) wirkt sich direkt auf die Fähigkeit dieser Zellen aus, Energie zu erzeugen. Das sind ziemlich schlechte Nachrichten für unser Gehirn, den hauptsächlichen Energieverbraucher unseres Körpers.

      Schon nach einer Mahlzeit, reich an Öl mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren, steigen die zirkulierenden Biomarker der Fett-Oxidation bei jungen Leuten um rasante 50 % an, während ein fünfzehnfacher Anstieg der Biomarker für ranziges Öl bei älteren Versuchspersonen beobachtet wurde.9 In einer weiteren Studie stellte man fest, dass die Arterien nach einer ähnlichen Mahlzeit sofort steifer werden und bei Bewegung weniger auf die Beanspruchung reagieren. Diese Fette, weit weg von ihrer natürlichen Form, befeuern die Mechanismen, die chronischen Erkrankungen zugrunde liegen, beschädigen unsere DNA, verursachen Entzündungen in unseren Blutgefäßen und steigern das Risiko für mehrere Krebsarten.

      Vor diesen bedenklichen Ölen sollte man sich in Acht nehmen:

Raffiniertes Rapsöl Traubenkernöl
Maiskeimöl Färberdistelöl
Sojaöl Sonnenblumenkernöl
Erdnussöl Reis(keim)öl

      Die Suche der Lebensmittelindustrie nach einem billigen Öl, das man den Amerikanern andrehen kann, resultierte in einer regelrechten Aneinanderreihung verabscheuungswürdiger Schurken. Klar, irgendwann fanden wir heraus, dass Transfette schlimmer für unsere Gesundheit sind, als es echte Butter es jemals sein könnte, doch das Echo unserer Ignoranz wird immer noch ausgenutzt, auf buttergelben Behältern mit dem Aufdruck „keine gehärteten Fette“, „ohne Gentechnik“ und – selbstverständlich – „Bio“. In Wahrheit dienen diese Wellness-Modeworte nur dazu, die billigen, mutierten, ranzigen und hitzegeschädigten Frankenstein-Fette zu verschleiern, die in eine Packung gequetscht wurden und nun für € 4,50 im Regal mit der Premium-Reformkost zu finden sind.

      Raffiniertes Baumwollsamen-, Raps-, Färberdistel-, Sonnenblumenkern- und Sojaöl – sie alle sind schlechte Nachrichten und praktisch überall dort versteckt, wo die Hersteller sie einschmuggeln können.