Neal Barnard

Dr. Barnards Kochbuch gegen Diabetes


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Forschungsteam am Physicians Committee for Responsible Medicine Kontakt auf, weil er an einer Studie über Typ-2-Diabetes teilnehmen wollte. Seine gesamte Familie litt unter der Krankheit, und er selbst erhielt die Diagnose mit nur 31 Jahren. Zu Beginn der Studie war nicht nur sein Blutzuckerwert erhöht – er musste auch einiges an Gewicht abnehmen. Doch als er unter unserer Anleitung mit einem fettarmen und pflanzenbasierten Ernährungsprogramm begann, änderte sich alles. Sein Übergewicht schmolz förmlich dahin, und sein Blutzuckerwert sank von Tag zu Tag. Je mehr Wochen vergingen, umso besser ging es ihm. Sein Hausarzt war von seinen Fortschritten stark beeindruckt und setzte seine Diabetesmedikamente ab. Der Mann brauchte sie einfach nicht mehr. Irgendwann verbesserten sich seine Blutwerte so stark, dass sich nicht einmal die geringsten Anzeichen für einen Diabetes finden ließen. Er nahm überhaupt keine Diabetesmedikamente mehr, und sein Blutzuckerwert befand sich im völlig normalen Bereich.

      Also stellte sich die Frage: Was sollen wir ihm erzählen? Auch ich hatte, so wie Sie vielleicht auch, noch gelernt, dass Diabetes unheilbar ist. Früher hieß es einfach »Einmal Diabetes, immer Diabetes«. Und trotzdem stand hier ein Mann, der jahrelang an dieser Krankheit gelitten hatte, jetzt aber keine Medikamente mehr bekam und trotzdem völlig normale Blutzuckerwerte hatte. Er hätte in jedes Krankenhaus dieser Welt marschieren können, und niemand wäre auch nur auf den Gedanken gekommen, dass er jemals Diabetes hatte. Sollten wir ihm also sagen, dass sein Diabetes verschwunden war?

      Mittlerweile lässt sich diese Frage dank unserer Kollegen aus dem chirurgischen Bereich leichter beantworten. Bei Patienten, die nach adipositas-chirurgischen Eingriffen Hunderte Pfund verlieren, verschwindet der Diabetes oft. Deshalb kann sich die Ärzteschaft inzwischen besser mit der Idee anfreunden, dass sich Typ-2-Diabetes rückgängig machen lässt. Viele Ärzte haben bemerkt, dass die Bluttests von Menschen, die sehr viel Gewicht verloren oder ihre Ernährung grundlegend umgestellt haben, wieder Ergebnisse im normalen Bereich zeigen.

      Doch »umkehren« ist kein medizinischer Begriff. Wenn ich von der »Umkehr von Typ-2-Diabetes« spreche, meine ich damit, dass sich der Erkrankungsprozess rückgängig machen lässt. Ein sich bisher ständig erhöhendes Körpergewicht verringert sich immer mehr. Cholesterin- und Blutdruckwerte, die sich immer weiter verschlechterten, verbessern sich wieder. Blutzuckerwerte, die sich nur sehr schwer kontrollieren ließen, beginnen ebenfalls zu sinken – oftmals so stark, dass die Medikation verringert oder ganz abgesetzt werden muss. Manchmal verbessert sich ein Typ-2-Diabetes so sehr, dass er gar nicht mehr nachweisbar ist, und auch Beschwerden wie eine schmerzhafte Neuropathie können abklingen.

      Beachten Sie aber Folgendes: Typ-1-Diabetes ist etwas völlig anderes und muss kontinuierlich mit Insulin behandelt werden, egal, wie stark Sie Ihre Ernährungsgewohnheiten auch verbessern. Trotzdem kann eine Ernährungsumstellung auch bei Typ-1-Diabetes hilfreich sein, wie wir später noch sehen werden.

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      Bei Einzelpersonen lässt sich im Vorhinein nicht voraussagen, wie stark sich ihr jeweiliger Diabetes verbessern kann. Aber Sie können damit beginnen, indem Sie es anpacken. Ich wünsche Ihnen mit diesem wirkungsvollen Programm den größtmöglichen Erfolg!

       KAPITEL 1

       DIABETES RÜCKGÄNGIG MACHEN

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      Schauen wir uns kurz einige grundlegende Dinge an: Diabetes bedeutet, dass wir zu viel Zucker in unserem Blut haben. Dieser Zucker – auch Glukose genannt – ist der Treibstoff unseres Körpers. Das ist jedenfalls seine angedachte Aufgabe. Glukose liefert uns die Energie, die wir brauchen, um unsere Muskeln zu bewegen, unser Gehirn denken und den ganzen Rest von uns die Dinge tun zu lassen, für die unser Körper geschaffen ist. Wie Benzin für Autos ist Glukose für uns der Kraftstoff, den unsere Zellen zum Funktionieren brauchen.

      Wenn wir Diabetes haben, gelangt die Glukose nur schwer in unsere Zellen, wo sie eigentlich hingehört. Stattdessen sammelt sie sich in unserer Blutbahn an. Das Problem dabei ist das Insulin, ein Hormon, das in unserer Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Insulin funktioniert normalerweise wie ein Schlüssel, der die äußere Zellmembran öffnet, um die Glukose hineinzulassen. Bei Diabetes versagt das Insulin aber. Es leitet die Glukose nicht mehr so gut in die Zellen, also fehlt unserem Körper auch die Energiequelle, die er benötigt. Wir fühlen uns müde und schlapp. Noch schlimmer ist, dass die Glukose, die sich in unserer Blutbahn angesammelt hat, durch die feinen Blutgefäße unseres Herzens, unserer Augen, unserer Nieren und anderer Organe wandert und dort großen Schaden anrichten kann.

      Wenn das Benzin nicht in Ihren Tank fließen kann, bleibt Ihr Auto stehen. Wenn es sich stattdessen über den Boden Ihrer ganzen Garage ergießt, kann es diesen zersetzen. Wir brauchen das Benzin aber in unserem Tank, und die Glukose in unseren Zellen. Wenn das Benzin und die Glukose nicht dort landen, wo sie hingehören, haben wir ein Problem.

      DREI HAUPTTYPEN

      Es gibt drei Haupttypen von Diabetes: Typ 1, Typ 2 und Schwangerschaftsdiabetes.

      TYP-1-DIABETES wurde früher auch als Kinder- und Jugend- oder insulinabhängiger Diabetes bezeichnet. Bei diesem Krankheitsbild werden die insulinproduzierenden Zellen durch eine Autoimmunreaktion zerstört. Das bedeutet, dass Antikörper in der Blutbahn die Bauchspeicheldrüse angreifen und die Betazellen zerstören, die das Insulin bilden.

      TYP-2-DIABETES ist wesentlich häufiger als Typ-1-Diabetes. Dieser Krankheitstyp wurde früher Erwachsenendiabetes oder nicht-insulinabhängiger Diabetes genannt. Allerdings tritt er in Ländern, in denen Ernährungsweisen mit viel Fleisch und Milchprodukten zu Fettleibigkeit und zur Ablagerung von Fettpartikeln in Muskel- und Leberzellen führen, auch bei vielen Jugendlichen auf.

      Bei diesem Diabetestyp bildet die Bauchspeicheldrüse zwar Insulin, aber die Zellen der Betroffenen reagieren nicht normal darauf, wie wir bereits weiter oben besprochen haben. Zur Überwindung dieser Insulinresistenz produziert die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin, um die Glukose in die Zellen hineinzudrängen. Doch irgendwann geht diese Fähigkeit zur Insulinproduktion verloren, und der Blutzuckerspiegel steigt.

      Der SCHWANGERSCHAFTSDIABETES ähnelt dem Typ-2-Diabetes, tritt aber, wie sein Name schon verrät, während der Schwangerschaft auf. Auch wenn er danach wieder verschwindet, ist er ein Anzeichen dafür, dass sich bald ein Typ-2-Diabetes entwickeln könnte. Wie Typ-2 ist auch er durch eine Insulinresistenz charakterisiert. Dieselben Verbesserungen der Ernährungsgewohnheiten, die bei der Prävention von Typ-2-Diabetes hilfreich sind, können auch das Auftreten eines Schwangerschaftsdiabetes verhindern.

      ESSEN UND TYP-2-DIABETES

      Typ-2-Diabetes ist vor allem unter Fleischessern weit verbreitet, während er bei Menschen, die auf Fleisch verzichten, weniger häufig, und bei Menschen, die ganz auf Tierprodukte verzichten, nur selten auftritt. Wie ich bereits in der Einführung erwähnt habe, hat unser Forschungsteam am Physicians Committee for Responsible Medicine Pionierarbeit bei der Untersuchung ernährungsbasierter Ansätze zur Bekämpfung von Diabetes geleistet. In den 1990er-Jahren testeten wir im Rahmen einer kleinen Pilotstudie in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen der Georgetown University eine fettarme vegane Diät, also eine Ernährungsweise ganz ohne Tierprodukte. Die Studiendauer war nur sehr kurz – gerade einmal 12 Wochen –, und wir hatten auch nur 13 Teilnehmer. Dennoch waren die Ergebnisse so aufsehenerregend, dass nicht nur unser, sondern auch andere Forschungsteams weitere Studien entwickelten, um diesen wirkungsstarken neuen Ernährungsansatz weiter zu erforschen. Den größten Bekanntheitsgrad erreichte unsere NIH-Studie, deren Ergebnisse 2006 von der American Diabetes Association in der Fachzeitschrift Diabetes Care veröffentlicht wurden. Bei dieser Studie war die Verbesserung des A1C – des Bluttests, der normalerweise zur Blutzuckerkontrolle durchgeführt wird – bei Testpersonen, die weiterhin wie gewohnt ihre Medikamente nahmen