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Die Althessische Ritterschaft und das Stift Kaufungen


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ausgliedern ließ, danach mit Stiftungen wie dem Bamberger Säkularkanonikerstift St. Stephan (1009) und dem Benediktinerkloster St. Michael (1015) stärkte und 1016 um den Nordteil der Diözese Eichstätt erweiterte.3

      Die nicht weniger langwierigen Pläne in der Kasseler Region, deren schrittweise Umsetzung sich bis 1023 hinzog, sollten der Königin den Ausgleich für ihren Bamberger Verzicht sichern. Nach der Übergabe des Kasseler Fronhofs an Kunigunde im Jahr 1008 bereisten der Herrscher und seine Gattin mehrmals Oberkaufungen, das sie anlässlich ihrer wiederkehrenden Aufenthalte umgestalteten und mit Pfalzfunktionen versahen. Im August 1011 wird Kaufungen der Überlieferung zufolge als Ausstellungsort zweier Königsurkunden erstmals erwähnt, im Dezember 1017 schloss sich die Kloster- oder Stiftsgründung an. In den sechs nachfolgenden Jahren erhielt die klösterliche Gemeinschaft eine reiche Ausstattung, die ihr Bestehen für mehr als 500 Jahre sicherte, bis Landgraf Philipp I., genannt der Großmütige, 1527 den Konvent im Zuge der Reformation auflöste und die Besitzungen gegen den Widerstand der Nonnen 1532 der Hessischen Ritterschaft übergab.

      Diese Entwicklung Kaufungens über fünf Jahrhunderte hinweg kann im Folgenden nur in groben Zügen wiedergegeben werden. Gerade die spätmittelalterlichen Zustände und Verflechtungen sind kaum erforscht, die zahlreichen Quellen wenig ausgewertet. Die Ausführungen müssen deshalb knapp bleiben. Sie richten sich erstens auf die Bedeutung der urkundlichen Ersterwähnung Kaufungens, zweitens auf den Standort und die Gründung der Kloster- oder Stiftsgemeinschaft, drittens auf die Besitzungen, Bauten und institutionelle Formierung des Stifts im Hochmittelalter, viertens auf das Bauen in widrigen Zeiten unter landgräflicher Vogtei nach 1297, fünftens auf das spätmittelalterliche Stiftsleben und sechstens auf die Umgestaltungen im Zuge der Visitation von 1509 bis hin zur Auflösung und Übergabe an die Hessische Ritterschaft im 16. Jahrhundert.

      Die ersten urkundlichen Erwähnungen Kaufungens 1011

      Den ersten Beleg für die Existenz von Kaufungen bilden zwei Diplome, die Heinrich II. am 10. und 20. August 1011 für das Reichskloster Hersfeld (Abb. 1) und das Erzbistum Magdeburg ausstellte.4 Darin gewährte Heinrich jeder der beiden kirchlichen Institutionen eine Schenkung, genauer gesagt: Er übertrug die Hörige Willicuma an Hersfeld und den Burgward Dretzel, eine Verwaltungseinheit samt Burg und zugehörigen Dörfern, an Magdeburg. Beide Privilegien sind, wie die abschließende Nennung der Beurkundungsstätte erkennen lässt, in Kaufungen entstanden, nämlich actum Coufungon. Offen ist jedoch die Frage, ob die Notare den jeweils ans Ende gestellten Ausstellungsort im Zuge des Verfassens beider Urkunden niedergeschrieben oder womöglich später nachgetragen haben.5 Auch ein Schrift- und Tintenvergleich am erhaltenen Original des Hersfelder Pergaments, das im Hessischen Staatsarchiv Marburg aufbewahrt wird,6 bringt hier keine endgültige Sicherheit. Die abweichende, dickere Strichstärke und die größere Oberlänge des f begründen zwar den Verdacht, dass das Wort nicht in einem Federzug mit der gesamten Zeile geschrieben wurde, aber der Zeitpunkt des Nachtrags ist damit nicht geklärt.

      1 Königsurkunde mit der Ersterwähnung von Kaufungen, 10. August 1011

      Für die Ortsgeschichte von Kaufungen besitzen beide Rechtsakte, unabhängig von der keineswegs banalen Frage des Ortnachtrags, eine doppelte Bedeutung: Erstens handelt es sich um die früheste bekannte Erwähnung der Ansiedlung. Zweitens scheint der dortige Herrenhof im August 1011, zumindest kurzfristig, als königliche Unterkunft gedient und den nahen Königshof Kassel in dieser Funktion ergänzt, wenn nicht sogar abgelöst zu haben. Jedenfalls stellten die Notare beide Urkunden im Abstand von zehn Tagen in oder auf Kaufungen aus, wobei verschiedene Führungskräfte des Reichs im Gefolge des Königs weilten:7 Am 10. August waren dies zunächst der Hersfelder Abt Godehard,8 ein erfolgreicher, vom König sechs Jahre zuvor in sein Amt eingesetzter Reformer,9 der mit Begleitung entweder zum König ins nahe Kaufungen gereist war oder eine Strecke zusammen mit dem König zurückgelegt hatte, um sein Gesuch mit dem gebührenden Nachdruck zu verfolgen, ferner der Kanzler Gunther, der beide Ausfertigungen in Vertretung des Erzkaplans Erkanbald beglaubigte und die wandernde königliche Kanzlei repräsentierte, und schließlich Königin Kunigunde, die als Fürsprecherin Godehards auftrat und so ihre Verbundenheit mit der Reichsabtei Hersfeld zum Ausdruck brachte.10 Anwesend war vermutlich auch der Geistliche, der die Urkunde verfasste und niederschrieb, ein Kleriker aus Abt Godehards Umfeld.11

      2 Königssiegel Heinrichs II., bis zum 1. Dezember 1013 in Gebrauch, Durchmesser 73 mm, Umschrift + HEINRICHVS D[E]I GRATIA REX (Heinrich von Gottes Gnaden König)

      Spätestens zehn Tage später war auch Erzbischof Tagino von Magdeburg, Heinrichs enger Vertrauter seit Regensburger Zeiten,12 eingetroffen, falls er, wie zu vermuten ist, die Schenkung des Burgwards Dretzel an seine Kirche persönlich erbat und entgegennahm. Der treu Ergebene, der oft am Hof weilte, hatte den Herrscher immer nach Kräften unterstützt. So soll er 1007 auf der Frankfurter Allerheiligensynode als Erster für die Bistumsgründung in Bamberg votiert und damit die schwierige Entscheidungsfindung im Sinne seines Herrn und der Kaufunger Folgegründung beeinflusst haben.13 Unbekannt ist, ob sich damals noch andere führende Amtsträger in Kaufungen aufhielten, denn die Beglaubigungen solch einfacher Vorgänge listen keine Zeugen auf, nur die eigenhändige Bekräftigung, das Monogramm und den waagerechten Vollziehungsstrich des Königs samt seinem Siegelbefehl.

      Präsent dürften noch die beiden Notare gewesen sein, die sich dem Aufsetzen der Texte und den Reinschriften widmeten. Der namentlich nicht bekannte Verfasser der Hersfelder Schenkung, wohl ein langjähriger Vertrauter Abt Godehards aus dessen Gefolge, hatte seit 1009 schon mehrere Königsdiplome für bayerische Benediktinerklöster aufgezeichnet;14 auch in den Folgejahren bis 1019 mundierte er noch Königsurkunden für Abteien im erweiterten Umfeld Godehards. Der von 1009 bis 1012 verbürgte Notar der Magdeburger Schenkung gilt als jener Trierer Kleriker und königliche Kapellan Walker, der an Weihnachten 1012 in Pöhlde erkrankte und dort, von Heinrich II. notgedrungen zurückgelassen, am 11. Januar 1013 starb.15 Für einige Jahre war er der meistbeschäftigte Amtsträger der Kanzlei, der den König auf vielen Reisen begleitete. Die Forschung bezeichnet ihn als GA, den ersten neu fassbaren Schreiber (A) unter Kanzler Gunther (G).

      Die königliche Kanzlei war auch für die Besiegelung zuständig. Auch wenn das Wachssiegel auf anderen Diplomen (Abb. 2) besser erhalten ist als in unserer Ausfertigung, folgte die Ausgestaltung festen Vorgaben. Das sog. Majestätssiegel zeigt den bärtigen Herrscher frontal auf seinem Thron sitzend, im Schmuck seiner Insignien, mit der Königskrone auf dem Haupt, dem Zepter in der rechten Hand und dem Reichsapfel oder Weltglobus in der linken Hand. Seine Füße ruhen auf einem Schemel; er selbst sitzt, mit einer Tunika und einem von einer Fibel auf der rechten Schulter zusammengehaltenen Mantel bekleidet, aufrecht auf einem gepolsterten Thron mit Armlehnen. Aus dieser idealisierten Darstellung ist freilich nicht auf sein Auftreten im Alltag, etwa in Kaufungen, zu schließen, aber das Typar genannte Prägewerkzeug für dieses Königssiegel aus Wachs, das bis zum 1. Dezember 1013 in Gebrauch war und die Siegelumschrift + HEINRICVS D[E]I GRATIA REX (Heinrich von Gottes Gnaden König) trug, begleitete ihn auf allen Reisen durch sein Reich.16

      Zu beachten ist zudem, dass die Formulierung und die Ausstellung eines Rechtsgeschäfts durchaus nicht immer am gleichen Tag mit der Vollziehung erfolgen mussten; vereinzelt ist der Vollziehungsstrich auf dem Pergament sogar nie erfolgt. Ein Auseinandergehen beider Handlungen könnte also vielleicht erklären, dass die zuletzt aufgeführten Worte actum Coufungon womöglich in beiden Fällen nachgetragen wurden.

      Folgenschwer ist freilich die Vermutung, dass sowohl der Empfänger- als auch der Kanzleinotar oder sogar ein weiterer Schreiber den Ortsnamen in beiden Diplomen erst später hinzugefügt haben. Da nur noch das Hersfelder Original erhalten ist, können wir die verschiedenen Schreiberhände nicht mehr miteinander vergleichen. Die Verfasser, die den jeweiligen Rechtsakt zweifellos vorbereitet hatten, könnten den Ort der Ausstellung jeweils selbst in Kaufungen nachgetragen