Daniel Siegel

Das achtsame Gehirn


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Zustand mit sich, der sowohl kohärent als auch stabilisierend ist. Einstimmung bedeutet, Dinge im Gewahrsein so zu spüren, wie sie sind. Unser „gelebtes“ Selbst schwingt in unmittelbarer, klarer Weise mit unserem „sich gewahr seienden“ Selbst, und wir „fühlen uns“ von unserem eigenen Geist „gefühlt“. Wir fühlen diesen kohärenten Zustand von Einstimmung in unserem achten, beziehungsbezogenen Sinn.

      Man kann sagen, dass der flexible, anpassungsfähige, kohärente, energetisierte und stabile Fluss (FACES) des geistigen Wohlbefindens in Form von integrierten Systemen über die Zeit auftaucht. FACES ist der Begriff, mit dem wir uns auf diesen integrierten Zustand beziehen, einen Zustand, der dem Wohlbefinden zugrunde liegen könnte.

      Einstimmung ist der Prozess, durch den getrennte Elemente zu einem schwingenden Ganzen zusammengebracht werden. Wenn wir uns in unserem Gewahrsein Dingen so annähern, wie sie sind, mit einer COAL-Gemütsverfassung, dann sind wir auf dem Weg zu innerer Einstimmung. Dieser widerhallende Zustand befähigt das Selbst, einen FACES-Fluss zu erreichen und alles anzunehmen, was auftaucht. Einstimmung taucht auf, wenn Integration erzeugt wird.

      Mit einem Gewahrsein von Moment zu Moment, das sich nicht an Urteilen festhält, haben wir eine Formel für die innere Einstimmung, die den physischen, somatischen und mentalen Bereich der Realität einbezieht. Diese gegenseitige Einstimmung ist ein widerhallender FACES-Zustand, der das Bewusstsein erhellt und die Elemente, die im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen, stabilisiert. Das Leben wird dynamischer und klarer. Das achtsame Gewahrsein fühlt sich gut an, und es ist für das gesamte Wesen und seine Beziehung zur Welt und zu anderen Menschen gut.

      In dem Maße, wie unser reflektives Gewahrsein von oben nach unten eindringende Vorurteile über Bord wirft, verschmelzen die drei Ströme von Empfindung, Beobachtung und Begriffsbildung mit dem tieferen Strom des Wissens, und wir sind frei, um in den ausgeglichenen Fluss unseres Bewusstseins hineinzuströmen. Es erfolgt die Loslösung von den Objekten der Aufmerksamkeit im Sinne der definierenden Merkmale dessen, was wir sind, und dadurch kann ein Gefühl von achtsamem Wissen entstehen. Diese vom Beobachter geschaffene Fähigkeit der Unterscheidung ist es, die das achtsame Gewahrsein von der Vorstellung des „Flusses“ unterscheidet, in dem wir, ohne uns dessen bewusst zu sein, in die Empfindungen einer Erfahrung eintauchen (Czikszentmihalyi 1990). Im Fluss verlieren wir uns, weil das Eintauchen in die Empfindung oder den Gedanken uns „mitreißen“ kann und wir uns in den Automatismen jenes Stroms verlieren. Bisweilen kann das etwas Positives sein, zum Beispiel wenn wir essen, miteinander schlafen, einen Spaziergang machen oder über ein Problem nachsinnen. Doch im täglichen Leben kann der Kern eines achtsamen Lebens darin bestehen, alle vier Ströme in Balance zu halten. In unserer klinischen Arbeit mit dem Leiden könnte ein Bedürfnis danach bestehen, die Fähigkeit des Beobachters zu schulen, um die Automatismen, die den Prozess in Gang bringen, zu entkoppeln (YODA).

      Sich auf Schmerzen in den Gliedmaßen zu konzentrieren kann uns zum Beispiel helfen, uns weg von einer vorgefassten Idee (etwa „ich sollte keine Schmerzen haben“) und hin zur Empfindung zu bringen. Doch ohne einen stabilen Beobachter bleibt der Schmerz möglicherweise intensiv, selbst wenn die Gedanken weniger werden. Das Empfinden könnte für sich genommen keine Erleichterung bedeuten. Das achtsame Gewahrsein der Empfindung könnte hingegen alles verändern – richten wir unseren Fokus auf den Schmerz und die Aktivierung des Beobachters, so kann die Bewusstseinsqualität der rezeptiven Nabe das vorübergehende und vielleicht unvermeidliche Wesen des Schmerzes selbst anerkennen. Selbst der Gedanke „ich sollte schmerzfrei sein“ kann untersucht werden und wie eine Seifenblase im Badewasser zerplatzen.

      Stress und Leiden tauchen überall im Leben auf. Durch das achtsame Gewahrsein wird eine neue Möglichkeit geschaffen, das Leiden neu darzulegen, selbst wenn man der sensorischen Erfahrung nicht entkommen kann. Nichts wird vorsätzlich blockiert; vielmehr sind alle Gäste willkommen. Wenn ein vorgefasster Gedanke an die Tür klopft, dann kann er als das, was er ist, gesehen, beobachtet, gedacht und gekannt werden. In diesem Zustand des Gewahrseins in diesem Moment des Schreibens scheinen alle vier Ströme zu seiner Struktur beizutragen, zu jener rezeptiven Nabe im Zentrum unseres Geistes.

      Unser Schweigen während dieses Retreats dauerte nur sechsunddreißig Stunden. Ich erinnerte mich immer wieder daran, nicht zu vergleichen und nicht so viel über den Retreat zu Anfang des Monats nachzudenken. Aber der Lernprozess aus jener Zeit prägte mein Erleben – YODAs SOCKe drang immer wieder in mein momentanes Bewusstsein ein, und ich konnte nicht dagegen ankämpfen, sondern ließ die Vorstellung einfach da sein. Ich versuchte zu sagen, „nicht jetzt“, aber es schien nicht viel zu nützen. Also versuchte ich, die Gedanken einfach da sein zu lassen.

      Am ersten Morgen der Schweigeperiode saßen wir fünfundvierzig Minuten zusammen, die mir recht kurz erschienen. Ich trat in irgendeine Bewusstseinsqualität ein, in der nicht nur die Zeit zu verschwinden schien, sondern auch das Gefühl meiner Verbindung zu meinem Körper und den Empfindungen der Außenwelt – Geräusche, Licht durch meine geschlossenen Augen –, alles schien weit entfernt zu sein, zu schweben, als habe man es vorübergehend außer Kraft gesetzt, schwerelos, ohne zu irgendetwas oder irgendjemandem im Besonderen zu gehören. Die Glocken wurden geschlagen, und es wurde angekündigt, dass es Zeit für die Gehmeditation sei. Ich konnte mich nicht bewegen oder bewegte mich einfach nicht. Ich hatte Angst, die anderen könnten meinen, ich sei arrogant, weil ich die Anweisungen nicht befolgte. Doch ich spürte auch, dass sie irgendwie wissen würden, dass ich mich in einer Art von „wahllosem Gewahrsein“ befand, in dem mein normales Selbstgefühl verschwunden war, weggeschmolzen, unwichtig, nicht vorhanden. Ich nahm meine Sorge um den Neid der anderen zur Kenntnis, und wie ein Lehrer in einem früheren Retreat vorgeschlagen hatte, notierte ich ihn im Geiste sanft als „Sorgegedanke Nummer eins“, und er schwebte irgendwo in die Ferne, wo er zwar nicht ganz verschwunden, aber nicht mehr so wichtig war.

      Ich beobachtete diese Empfindung des „Nicht-Ich“ in meinem Empfinden. Ich weiß, dass das seltsam klingt, und vielleicht klingt die ganze Sache grotesk, wie sie „mir“, glaube ich, auch erscheinen wäre, bevor ich diesen Weg betreten hatte. Das war passiert, als ich vor fast dreißig Jahren in Mexiko von einem Pferd mitgeschleift worden war und ich, wenn auch nur einen Tag lang, meine Identität verloren hatte und in eine andere Art des Wissens versunken war, die unterhalb des normalen Gefühls von „mir“ lag. Einen Tag lang erlebte ich eine „vorübergehende globale Amnesie“: vollständige Empfindungen, keinerlei Identität. Die Identität kehrte zwar zurück, aber ich vergaß nie, wie „licht“ unsere Identitäten in Wirklichkeit sind. Ein Tag intensiver Empfindungen ohne den hierarchischen Rahmen der persönlichen Identität veränderte meinen Blickwinkel grundlegend.

      Aber das hatte eine etwas andere Beschaffenheit, bei der sogar die Empfindungen nicht mit einem „Ich“ behaftet waren. In Mexiko hatte ich das Gefühl eines „Ich“, aber nur in der Gegenwart, nichts Vergangenes schien an jenem Tag verfügbar zu sein. Jetzt und hier stellte sich das Empfinden ein, dass die Dinge, die geschahen, einfach Präsenspartizipien waren, Mittelwörter der Gegenwart: klingend, sitzend, atmend, gewahr seiend. Ich saß, bis die anderen vom Gehen zurückkamen, mir des Sorgegedankens Nummer zwei bewusst, der zur Kenntnis genommen und zerstreut wurde. Wir saßen eine weitere Periode lang und als die Glocken ein paar Sekunden später erneut geschlagen wurden, waren weitere dreißig Minuten vergangen. Ich saß über eineinhalb Stunden, ohne mich auch nur ein paar Zentimeter zu bewegen. Ich hatte mich zu dem Empfinden von Unendlichkeit hinbewegt.

      Im Retreat nannten sie diesen Zustand des „Nicht-Ich“ eine Form von wahllosem Gewahrsein. Es fühlte sich meinem Erleben nach eher wie ein selbstloses Gewahrsein an, in dem Erfahrungen ausnahmslos Geschehnisse waren, jene Präsenspartizipien, über die Jon Kabat-Zinn spricht, die einfach „passieren“, im Sein begriffen sind, am Auftauchen sind. „Dieses Menschsein“ fühlte sich in diesem Raum tatsächlich wie ein Gasthaus an, in das ich all das einladen konnte, aufzutauchen, wie es wollte – alles war willkommen, jedes mit seiner eigenen wundersamen Struktur, sogar die Sorgen.

      Nach dem Sitzen und dem Frühstück stellte ich fest, dass ich mir für den Rest des Tages meiner Gedanken bewusst war: konstruierter Konzepte und logischer Ausflüge in den Unterschied zwischen Beobachterstrom