Laura Markham

Gelassene Eltern - zufriedene Kinder


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sie es sich versehen, selbst einen Tobsuchtsanfall bekommen. Aber jedes Mal, wenn es Ihnen gelingt, die eigene Schimpfkanonade zu unterbrechen, zu merken, dass Sie ärgerlich werden – dann aber dem Handlungsimpuls widerstehen – werden neue neuronale Bahnen aufgebaut. Bald wird der präfrontale Kortex (der rationale Teil des Gehirns) automatisch folgende beruhigende Botschaft an die Amygdala (das Alarmsystem des Gehirns) senden: »Wenn dieses Kind aufmüpfig wird, sieht das zwar wie ein Notfall aus, ist aber keiner.« Mit der Zeit werden Sie merken, wie Sie ruhiger werden, nicht mehr so vorschnell reagieren.

      Ich möchte betonen, dass dies auf keinen Fall heißt, dass Sie Ihre ärgerlichen Gefühle ignorieren sollten. Wenn Sie sich einreden: »Ich sollte mich nicht ärgerlich fühlen« und Ihre Wut nur aus dem Gewahrsein schieben, dann versuchen Sie Ihren Ärger zu unterdrücken. Unterdrückte Gefühle verschwinden nicht einfach. Zwar werden Sie aus unserem bewussten Gewahrsein gedrängt, bleiben aber trotzdem im Körper. Wir schleppen sie weiter mit uns herum und sie melden sich immer wieder an der Pforte unseres Bewusstseins: »Hey, beachte mich!« Früher oder später brechen jene ärgerlichen Gefühle ohne bewusste Verstandeskontrolle hervor und wir explodieren. Und was, wenn wir Meister darin sind, jene ärgerlichen Gefühle weiterhin zu vergraben? Das ist noch schlimmer, denn unterdrückter Ärger bleibt einfach im Körper und macht Sie depressiv oder körperlich krank.

      DAS KLEINE EINMALEINS DER EMOTIONSREGULATION

      Was ist Emotionsregulation:

      • Das Wahrnehmen der Gefühle und Empfindungen im Körper, das heißt, Sie werden sich Ihrer Emotionen bewusst. Das ermöglicht es dem Gehirn, die Botschaft zu integrieren und eine weise Reaktionsentscheidung zu treffen, anstatt zuzulassen, dass Ihre Handlungen durch unbewusste Emotionen regiert werden.

      • Die Verantwortung dafür zu übernehmen, sich selbst zu beruhigen, damit Sie in der entsprechenden Situation wie ein verantwortungsbewusster, freundlicher Erwachsener handeln können, anstatt Ihrem eigenen Tobsuchtsanfall nachzugeben.

      • Die eigene Stimmung zu beobachten und sich selbst jede nötige Unterstützung zu geben, um Ihr allgemeines Wohlbefinden aufrechtzuerhalten, was beinhaltet, dass Sie intensive Emotionen bereits beim Entstehen oder möglichst kurz danach durcharbeiten.

      Was Emotionsregulation nicht ist:

      • Selbstbetäubung oder Unterdrückung Ihrer Emotionen. Das schlägt deswegen fehl, weil unterdrückte Emotionen nicht länger unter bewusster Kontrolle stehen und Sie entweder krank machen oder ungesteuert herausplatzen.

      • Dem Kind die Schuld für Ihre Emotionen zuschieben.

      • Gefühle vortäuschen, die Sie nicht haben, oder vorhandene Gefühle verleugnen. Kinder werden immer spüren, wie Sie sich wirklich fühlen. Entscheidend ist, dass Sie Ihre Gefühle anerkennen und die Verantwortung dafür übernehmen.

      Wozu ich Sie ermutige, ist wirklich viel schwerer, als Ihre Gefühle wegzupacken. Nehmen Sie Ihren Ärger und andere Emotionen bewusst wahr, geben jedoch nicht dem daraus entstehenden Handlungsimpuls nach. Das bewusste Wahrnehmen Ihrer Erfahrung, ohne sofort unmittelbar zu reagieren, nennt man »Achtsamkeit«.

      Achtsamkeit hilft Ihnen dabei, Ihre Tobsuchtsanfälle bereits vor dem Entstehen zu entschärfen. Vielleicht werden Sie sich sagen hören: »Wenn mein Kind aufmüpfig ist und sagt: ›Ich hasse dich, Mami!‹, dann macht mich das verrückt– das bringt mich auf die Palme.« Wenn Sie das einfach nur beobachten können, dann haben Sie bereits die Fähigkeit, sich nicht zu vorschnellen Reaktionen hinreißen zu lassen, da Sie sich jetzt im Beobachtermodus befinden. Dieser verhilft Ihnen dazu, eine bewusste Reaktion zu wählen.

      Ärger ist immer eine Botschaft, dass etwas nicht stimmt, dass etwas verändert werden muss – entweder außerhalb oder (öfter als wir es uns eingestehen) in uns selbst. Also müssen wir auf unseren Ärger hören, statt ihn einfach zu ignorieren. Doch wenn wir ärgerlich sind, interpretieren wir die Bedeutung des Ärgers oft so, als sollten wir dessen Überbringerin angreifen. Überdenken wir die Botschaft dagegen, nachdem wir uns beruhigt haben, merken wir normalerweise, dass unsere Wut auf Erschöpfung, Angst, oder einem Gefühl der Machtlosigkeit beruht. Da gibt es wohl etwas, das wir in unserem Leben ändern müssen, aber vielleicht nicht unser Kind. Und selbst wenn doch, können wir kein menschliches Wesen kontrollieren, also können wir auch unser Kind nicht unmittelbar verändern. Wenn wir hart mit Strafen durchgreifen, wird sich unser Kind zwar ändern – aber auf eine Weise, die sich ganz sicher als Bumerang erweist. Stattdessen überlegen gelassene Eltern, von welchen Bedürfnissen und Emotionen das Verhalten ihres Kindes gesteuert wird und wie sie diese angehen können, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Etwas in der Umgebung oder in uns selbst zu verändern, wird immer auch unser Kind verändern.

      Wir alle verlieren die Beherrschung, wenn man uns bis zum Äußersten reizt, egal wie sehr wir uns um Friedfertigkeit bemühen. Das Streben nach gelassener Elternschaft wird aus Ihnen keine perfekten Eltern machen. Es wird Ihnen nur helfen, sich daran zu erinnern, dass es immer in Ihrer Verantwortung als Erwachsenem liegt, sich nicht bis zum Äußersten reizen zu lassen.

       Wo liegt die Ausgangsbasis Ihrer emotionalen Reaktivität?

      Auf einer Skala von 1 bis 10, wie erfolgreich haben Sie kürzlich Ihre Emotionen reguliert?

      Seien Sie ehrlich. Nach dem Durcharbeiten des Übungsbuches werden Sie Ihre emotionale Regulationsfähigkeit erneut einschätzen, also ist die Zahl, die Sie hier aufzeichnen, Ihre Ausgangsbasis. Sie können eigentlich nur besser werden!

      ÜBUNG

       Erfolge bei der Selbstregulation

      Wir alle haben Situationen erlebt, in denen wir wütend reagierten und Dinge sagten, die wir später bereuten. Aber ich wette, es gibt auch solche Momente, in denen Sie ruhig bleiben konnten, obwohl Sie von allem und jedem um Sie herum bis zum Äußersten gereizt wurden, Ihr Kind eingeschlossen. Denken Sie über die Situationen nach, in denen Ihnen die Selbstregulation gelang. Wir werden darauf aufbauen. Zählen Sie im Folgenden einige Situationen auf. Überlegen Sie bei jedem Beispiel, was Sie Hilfreiches getan haben, um ruhig zu bleiben.

       Da war die Situation als ich:

      Was habe ich getan, dass dieser Augenblick zustande kam und wie kann ich das in Zukunft öfter tun:

       Da war die Situation als ich:

      Was habe ich getan, dass dieser Augenblick zustande kam und wie kann ich das in Zukunft öfter tun:

       Da war die Situation als ich:

      Was habe ich getan, dass dieser Augenblick zustande kam und wie kann ich das in Zukunft öfter tun:

      ÜBUNG

       Ihre Pausentaste: Stopp-lass-los-atme

      Ich beobachtete bedeutende Veränderungen, als ich mit »Stopplass-los-atme« anfing. Die Pausentaste bewahrt mich davor, Dinge zu sagen, die ich bereuen werde und lässt mich in einer Weise reden, bei der mir meine Kinder eher zuhören. Ich glaube, es hilft auch meinen Kindern Atem