Daniel Siegel

MIND


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an die Vergangenheit und mit Vorstellungen über die Zukunft. Wahrnehmungen, Reflexionen über Erinnerungen und Vorstellungen über die Zukunft sind fundamentale Teile der geistigen Zeitreise, die zu erforschen Spaß machen kann – daher sind sie fun-da-mental1.

      Zwischen dem Beitrag zur Anfangsepoche und dem abschließenden Einladungsabschnitt zur Reflexion werden Sie einen zentralen Abschnitt eines jeden Kapitels finden, der sich vor allem auf die wissenschaftlichen Konzepte konzentriert, welche die Diskussion ausdehnen und vertiefen. In diesen mittleren Abschnitten unterbrechen wir die eher autobiografisch-erzählenden Reflexionen und fokussieren uns insbesondere auf einige Kernkonzepte oder Fragen, die sich auf die gerade vorgestellten erzählerischen Merkmale des Geistes beziehen; allein dieses Mal wird der Diskurs in erster Linie einen intellektuellen, konzeptuellen Rahmen erforschen. Wenn Sie diese eher wissenschaftlichen Abschnitte lesen, könnten Sie das Gefühl haben, dass diese Art und Weise der Kommunikation von mir mit Ihnen eine unterschiedliche mentale Erfahrung in Ihnen evoziert, vielleicht eine, die ein wenig abstrakter ist, sich distanzierter und sogar weniger engagiert anfühlt. Wenn dies oder irgendetwas anderes sich bei Ihnen einstellt, dann müssen Sie das hinnehmen. Ich entschuldige mich nun für den Wechsel, aber lassen Sie den Wechsel selbst Ihnen eine Erfahrung anbieten, die Sie möglicherweise etwas lehren kann. Jeder Augenblick ist wichtig, und was immer auch auftaucht, kann eine Entwicklung sein, die etwas anzubieten hat. Lassen Sie jede Erfahrung eine Gelegenheit sein, die uns zum Lernen einlädt. Ansel Adams wird oft zitiert: „In der im Laufe der Zeit gesammelten Weisheit habe ich gefunden, dass jede Erfahrung eine Form der Erkundung ist.“

      Wenn Sie mit diesen eher konzeptuellen mittleren Abschnitten anfangs Probleme haben, können Sie sie überspringen, wenn Sie möchten. Dies ist Ihre Reise. Aber ich lege Ihnen nahe, zu Beginn zumindest, die Erfahrung, sie zu lesen, einfach als eine Quelle des Lernens über den Geist zu betrachten, über Ihren Geist und darüber, wie wir durch Fakten oder Geschichten uns miteinander verbinden. Lassen Sie uns sehen, wie Sie sich fühlen, wenn Sie Ihren Geist auf der Reise überprüfen: Checken Sie ein mit Ihren Empfindungen, Bildern, Gefühlen und Gedanken. Lassen Sie jede Erfahrung eine Einladung sein, zu reflektieren, und eine Gelegenheit, unser Lernen über uns selbst und den Geist zu vertiefen. Dies ist Ihre Erkundungsreise.

      Wenn Sie stattdessen nach einer eher konzeptuellen Diskussion Ausschau halten, eine rein theoretisch angelegte, weniger subjektiv als distanzierte Diskussion über den Geist suchen, müssen Sie andere Bücher zu Rate ziehen, die dem Standard mehr entsprechen als dieses. Die Strategie und Struktur dieses Buches konzentriert sich auf das Definieren dessen, was der Geist sein könnte, indem es die Realität der Subjektivität umschließt und Sie dazu einlädt, die Natur Ihrer eigenen Erfahrung auf Ihrem Weg zu erforschen. Dabei wird versucht, die Natur des Geistes sowohl in den wissenschaftlichen Diskussionen als auch in den erfahrungsbezogenen Reflexionen zu beleuchten. Dieser interdisziplinäre Zugang, die Natur unseres Geistes zu erforschen, bleibt, so glaube ich, der Wissenschaft treu, auch wenn dies kein typisch wissenschaftliches Buch ist. Dieses Buch kann jedem nutzen, der auf den Geist neugierig ist und der sich dafür interessiert, einen gesünderen Geist zu schaffen. Den Geist tiefgehend zu erforschen erfordert mehr, als sich einfach auf faszinierende konzeptuelle Diskussionen und wissenschaftliche Entdeckungen zu fokussieren; es bedeutet, diese mit dem subjektiv empfundenen Leben zu kombinieren.

      Bereits mit diesen Worten, die wir gebrauchen, um uns zu verbinden – (ich mich mit Ihnen, Sie mit sich selbst in Ihren eigenen inneren Gedanken, Sie, die Sie mit einer anderen Person nachdenkliche Gespräche führen oder mit geschriebenen Worten als Selbstreflexionen in einem Tagebuch) –, haben wir tatsächlich damit begonnen, unser Verständnis des Geistes zu formen, aber auch zu begrenzen. Sobald ein Wort „dort draußen“ ist, das wir mit anderen teilen, und sogar dann, wenn es „hier drinnen“ ist, in uns selbst, unsere Gedanken und Ideen und Begriffe formt, begrenzt es unser Verständnis. Dies könnte der Grund dafür sein, dass einige Gelehrte, wie ich bereits erwähnte, mich dazu drängten, den Geist nicht zu definieren, da dies unser Verständnis begrenzen würde. Allein aus diesem Grund würden sie wahrscheinlich nicht glücklich über dieses Buch sein. Doch ohne Worte, ohne Sprache in oder zwischen uns, ist es eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Unmöglichkeit, Ideen miteinander auszutauschen, ja, sie nur zu erforschen, weder in konzeptueller Hinsicht in unserer Kommunikation noch in empirischer Hinsicht in der Wissenschaft. Als Arzt, Erzieher und Eltern ist der Versuch, eine wahrheitsgemäße Definition mit Hilfe von Worten die Anstrengung – (und das potenziell nützliche Ergebnis, das er zeitigen könnte) – wert, solange wir diese Begrenzungen der Worte wirklich anerkennen.

      Aber nehmen wir uns einen Moment Zeit, um Worte und ihre Grenzen zu respektieren und zu inspizieren – die Wege, auf denen wir uns, Sie und ich, bei unserem Vorgehen verbinden. Ganz gleich, was wir tun, sobald wir sprechen oder schreiben – selbst wenn die Worte, die wir sorgfältig ausgesucht haben, genau sind –, sind sie von Natur aus begrenzende und selbst begrenzt. Dies ist eine große Herausforderung für jedes Projekt, das wortgebunden ist, und vielleicht für das Leben selbst ein Diskussionsstoff, und zwar nicht nur dann, wenn wir uns auf den Geist fokussieren. Wenn ich ein Musiker oder Maler wäre, würde ich vielleicht ein Stück ohne Worte aufführen oder eine Leinwand lediglich mit Farben und Kontrasten gestalten. Wäre ich ein Tänzer oder Choreograf, würde ich vielleicht eine Bewegung schaffen, welche die Natur des Geistes unmittelbarer offenbart. Aber ich bin eine Person des Wortes, und dies ist ein Format des Wortes, so dass es für den Augenblick das Einzige ist, über das ich verfüge, um mit Ihnen eine Verbindung einzugehen. Ich fühle mich gedrängt, diese Eigenschaft des Geistes, der uns miteinander verbindet, zu erkunden, um andere darüber zu unterrichten, dass Worte das sind, was wir aus ihnen machen, so begrenzt und begrenzend sie auch sein mögen. Lassen Sie uns untereinander und mit uns selbst Geduld haben, wenn wir diese Worte miteinander teilen. Wir müssen uns daran erinnern, dass Worte sowohl bildend als auch beschränkend sind. Dies zu beachten, wird uns eine Hilfe sein, unser Verständnis des Erforschungsprozesses und der konzeptuellen Merkmale, die sich zeigen, zu vertiefen. Lassen Sie uns ein wenig Musik machen, ein Bild malen und an einem Tanz des Geistes teilnehmen, so gut wir es mit diesen Worten, die uns miteinander verbinden, tun können.

      Wenn wir die Bedeutung sprachlicher Symbole als eine Informationsform, die wir teilen, nicht vergessen, dann kann die Natur der Worte selbst dazu verwendet werden, Aspekte der Natur des Geistes zu offenbaren.

      Wenn ich beispielsweise sagen müsste, wie wir die Idee des Geistes „begreifen“, würden wir auch erkennen, wie verkörpert unsere Sichtweisen sind, die Worte, die auf der verkörperten Sprache, die wir wählen, basieren. Wir strecken unsere Hände aus, um etwas zu begreifen; wir strecken unseren Geist aus, um etwas zu verstehen. Wir verstehen, „be-greifen“. Wir verstehen einander sogar, wenn wir „miteinander stehen“. Das ist die verkörperte sprachliche Natur des Geistes. Worte sind Informationen, wie sie Symbole für etwas anderes sind als die Energiemuster, aus denen sie zusammengesetzt sind. Aber selbst als Repräsentationen, als Symbole aus Klang oder Licht, erfassen Begriffe wie begreifen und verstehen nicht völlig das Wesen tiefen Verständnisses, des Bei-der-Wahrheit-Verweilens, des Klar-Sehens und vielleicht nichts Geringeres als die innere Empfindung des Willens zur Klarheit.

      Und auch bei der Verwendung des Begriffes teilen – sogar bei Worten in Ihnen selbst – gibt es ein Zwischen-Sein, eine relationale Seite zum Geist, die sich selbst in unserer Versprachlichung, im Akt des In-Worte-Fassens, in der inneren Natur des Geistes selbst widerspiegelt. Als Blinde und Taube notierte Helen Keller in ihrer Autobiografie, dass sie sich fühlte, als ob ihr Geist geboren würde, als sie ein Wort für Wasser mit ihrer Lehrerin, Anne Sullivan, teilte (Keller, 1903). Warum löst Teilen die Geburt des Geistes aus? Und ist dies der Grund dafür, dass wir mit der inneren Privatheit unserer eigenen inneren Stimme zu uns selbst sprechen? Diese Worte, die wir im Geiste teilen, werden zu den Worten, die wir im Geist behalten, wenn wir über uns selbst etwas lernen und über unser Leben nachdenken. Wir haben in der Tat ebenso ein Verhältnis zu uns selbst wie zu anderen. Wir müssen uns auf dieser Reise daran inneren, dass die Sprache, die wir verwenden, und die Sprache, die uns umgibt, sich auch miteinander verbinden, beleuchten und gefangen nehmen, und wir müssen dieser Verknüpfung, der Befreiung und Begrenzung, welche die Worte in unserem Leben schaffen, so gut wir können,