Paul Linden

Das Lächeln der Freiheit


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vorliegende Buch besteht größtenteils aus Achtsamkeitsexperimenten, die Ihr Körper- und Bewegungsbewusstsein betreffen. Sie werden experimentell lernen, d.h., die Übungen werden Sie vor gewisse Aufgaben stellen, und Sie werden die Gelegenheit bekommen, verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu erkunden und anhand ihrer Vorteile zu bewerten.

      Die meisten dieser Übungen sind kurz: Vier oder fünf Minuten genügen in der Regel. Indem Sie nur ein paar Minuten lang Ihre Aufmerksamkeit ununterbrochen Ihren Bewegungen zuwenden, werden sich sowohl Ihr Aufmerksamkeitsraum als auch Ihre Bewegungsfähigkeit überraschend erweitern und verfeinern.

      Sie werden diese Übungen nur einmal machen. Es sind Experimente, mit denen Sie einen Gedanken oder eine Bewegung testen. So schärfen Sie Ihre Achtsamkeit für die Art und Weise, mit der Sie in Ihrem Körper sind und der Welt begegnen. Nach einem solchen Experiment werden Sie etwas Neues gefühlt und wahrgenommen haben, das nun Teil Ihres Achtsamkeitshorizonts geworden ist. Es ist nicht nötig, diese Experimente zu wiederholen. Andere Übungen habe ich mit Praxis überschrieben. Sie dienen nicht nur der Informationsvermittlung, sondern können wie Exerzitien regelmäßig angewandt werden, um neu entdeckte Fähigkeiten und wachsende Bewusstheit für den eigenen – inneren wie äußeren – Wahrnehmungsraum zu vertiefen und zu stabilisieren. Die einzelnen Übungen und Anleitungen zu regelmäßiger Praxis erscheinen im Folgenden als separate, aus dem fortlaufenden Text hervorgehobene Blöcke.

      Für sich selbst sorgen

      Ich empfehle Ihnen eine gewisse Vorsicht im Umgang mit diesem Buch. Unterziehen Sie sich den einzelnen Übungen nur so weit und so lange, wie es sich für Sie richtig anfühlt.

      Missbrauchsüberlebende erschrecken oft, wenn sie ihre Achtsamkeit wieder dem eigenen Körper zuwenden. Einige Übungen können Erinnerungen an Ihre eigenen Missbrauchserfahrungen wecken. Sie werden, indem Sie mit diesem Buche arbeiten, eine Schärfung Ihrer Achtsamkeit und eine Zunahme Ihrer inneren und äußeren Stärke erfahren. Sie werden sich besser und sicherer fühlen. Gerade in der Anfangsphase ist es aber sehr wichtig, dass Sie sich selbst ernst nehmen, wenn Ihnen Übungen unangenehm sind. Respektieren Sie Ihre Gefühle und suchen Sie nach einer Möglichkeit, Übungen, bei denen Sie sich unwohl fühlen, so abzuändern, dass Sie Ihnen leichter fallen.

      Wenn Sie sich als Überlebender an das Selbstexperiment machen, dieses Buch durchzuarbeiten, ist es wichtig, jedes Gefühl von Kraftlosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust zu vermeiden. Deshalb gilt – wichtig: für jede Übung, die Sie machen! – eine Sicherheitsvereinbarung.

      Diese Sicherheitsvereinbarung beinhaltet, dass Sie die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Wenn Sie eine Übung abbrechen wollen, tun Sie dies unter allen Umständen. Wollen Sie eine Übung verlangsamen, tun Sie auch das. Sie brauchen nichts zu erklären. Teilen Sie dem Übungspartner Ihre Entscheidung mit und legen Sie gemeinsam vor Beginn des Experiments fest, dass dies immer respektiert und eine Übung Ihrem Wunsch entsprechend verlangsamt oder abgebrochen wird.

      2Kraft

      Der weiche Kern

      Es erscheint logisch, bei der Untersuchung eines Traumas mit dem Verlauf und den Auswirkungen der Traumatisierung zu beginnen. Die Überwindung der Traumatisierung wäre dann der nächste Schritt. Ein solches Vorgehen ist möglicherweise logisch, sicher ist es nicht.

      Um die eigene Machtlosigkeit sicher und produktiv untersuchen zu können, müssen Sie zuerst wenigstens ansatzweise Ihre eigene, wahre Stärke erlebt haben. Und um Einengung und Einschränkung als Ergebnis Ihres eigenen Verhaltens und Handelns zu verstehen, brauchen Sie die Erfahrung eigener Ausdehnung und Offenheit, um über ein Vergleichsgefühl zu verfügen.

      Bevor ich damit beginne, mit meinen Klienten ihre gewohnheitsmäßigen Reaktionsmuster zu bearbeiten, verwenden wir erst einmal viel Zeit auf die Entwicklung und Pflege neuer Fähigkeiten, von Kraft und Liebe. Kraft und Liebe sind expansiv und symmetrisch, sie sind das Gegenteil und das Antidot von Kleinheit und Verbiegung. Wir werden deshalb die somatische Arbeit in diesem Buch mit einigen Übungen beginnen, die Ihnen eine Erfahrung Ihrer eigenen Kraft verschaffen.

      Die Natur von Macht und Ohnmacht

      Machtlosigkeit bedeutet Einschränken der Atmung, Anspannen der Muskeln, Schrumpfen der Haltung. Machtlosigkeit beinhaltet Muster der Körperempfindung, Haltung und Bewegung, die verkleinernd und unregelmäßig sind. Diese Muster sind beengt oder kollabiert, schief oder verdreht. Der Zustand der Stärke hingegen ist ein Zustand der Ausdehnung und der Symmetrie.

      Der souveräne, zentrierte Zustand ist offen, strahlend, kraftvoll, weich, stabil, fließend, massiv, leicht, balanciert und gleichmäßig. Dieser Zustand ist gleichermaßen physisch, emotional und spirituell. Körperliche Lernprozesse führen zur Erfassung der emotionalen und spirituellen Aspekte der Souveränität.

      Macht ist die Fähigkeit, die eigene Umgebung so zu kontrollieren, dass die eigene Sicherheit gewährleistet ist und eigene Wünsche und Bedürfnisse gesichert sind. Macht beinhaltet die Elemente Zwang und Kontrolle. Souveränität hat mit körperlichen Qualitäten wie Solidität, Gewicht, Erdung, Entschlossenheit und Spannkraft zu tun. Diejenige Organisiertheit des Körpers, die physische Stärke hervorbringt, ist ebenso die Quelle emotionaler und personaler Stärke und damit des Vermögens, im Leben kraftvoll zu handeln.

      Viele Menschen glauben, Macht sei etwas wesentlich Schlechtes. Wir alle haben schon einmal den Satz gehört: „Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut“. In Wahrheit sind der Missbrauch und die Rücksichtslosigkeit, die oft als Merkmale von Machtausübung gelten, lediglich ein Ausdruck von Angst und Schwäche. Echte Macht, echte Stärke ist nicht schlecht, sie ist liebevoll und nährend.

      Es ist wichtig, dass die Stärke, die Sie aufbauen, eine Verbindung mit Ihrer Fähigkeit, zu lieben, eingeht. Macht ohne Liebe kann sich nur brutal äußern, Stärke, die in Liebe wurzelt, heilt. Wenn Sie brutal werden, verletzen Sie sich selbst. Missbrauchsüberlebende werden oft jede Form der Machtausübung ablehnen, weil sie Macht und Stärke nur in Verbindung mit Brutalität kennen gelernt haben und sich den Tätern nicht gleichmachen wollen. Es gibt aber eine warmherzige, liebevolle Stärke, die Grundlage jeder Humanität ist. Sie können – wenn Sie sich beispielsweise verteidigen müssen – jemandem respektvoll und mit offenem Herzen, sagen wir, den Arm brechen. Es wird in diesem Buch oft darum gehen, wie Sie Stärke und Liebe integrieren können.

      Solange Sie schwach und machtlos bleiben, kann der Schmerz nicht verheilen. Was für Gefühle, welches Verhalten auch immer Ergebnis des Ihnen zugefügten Missbrauchs sind: Die Verhaltensweisen, die Sie entwickelt haben, waren für Sie der vermeintlich beste oder einzige Weg, um die Schmerzen zu ertragen und zu überleben. In der Empowerment-Arbeit lernen Sie, in sich einen zentrierten Zustand der Selbstmächtigkeit zu schaffen, aus dem heraus Sie anders handeln können, als es Ihre alten Gewohnheiten, Ihre Angst und Ihre Schwäche erlaubten.

      Viele Überlebensstrategien sind in Wirklichkeit Ausdruck von Machtlosigkeit. Dissoziieren oder tagträumen, die eigenen Körperempfindungen nicht wahrnehmen, zu viel essen, rauchen, Alkohol trinken, zu viel üben oder trainieren, alle diese Verhaltensweisen können als Betäubungsmittel fungieren und dabei helfen, zu überleben. Diese Strategien sind ihrerseits schmerzhaft und zerstörerisch, obwohl die Missbrauchsfolgen