Jan-A. Bühner

Arztgeschichten der Bibel


Скачать книгу

in Menschengestalt? – Paulus und Barnabas in Lystra

       Unübertragbare Heilkraft – Die sieben Söhne des Skevas

       Einfach magisch? – Heilungen durch Paulus’ Taschentücher

       Gegen den Größenwahn – Paulus’ Stärke liegt in Christus

       Ärzte zwischen den Fronten

       Berufsverbot wegen Heilung – Petrus heilt einen Gelähmten

       Geschäftsschädigende Gesundheit – Paulus treibt einen Wahrsagegeist aus

       Konkurrenz auf dem Gesundheitsmarkt – Der Magier Simon wird zurechtgewiesen

       Ein biblischer Arztroman: Das Buch Tobit

       »Ich, der Herr, bin euer Arzt« – Nachwort

       Reihe Biblische Taschenbücher

       Impressum

      Der Nächste bitte!

       Vorwort

      Wer geht schon gerne zum Arzt? Selbst die Zeit im Wartezimmer, bis man mit dem berühmten Satz aufgerufen wird, in den Behandlungsraum zu kommen, verbringt man doch meist mit einem eher mulmigen Gefühl. Man fragt sich, was bei der Untersuchung herauskommt. Ist man womöglich ernsthafter krank, als man glaubte? Oder wird die Behandlung unangenehm werden? Man hofft zwar das Beste, befürchtet aber das Schlimmste.

      Und doch faszinieren uns Geschichten über Ärzte und ihre Patienten, über Krankheiten und deren Behandlung und Heilung. Da die meisten Leserinnen und Hörer (noch) gesund sind, bewirken Arztgeschichten einen wohligen Schauer. Die (noch) nicht Betroffenen können in einer mittleren Distanz bleiben und doch etwas an sich heranlassen, was sie morgen schon selbst treffen kann. Diesen Effekt teilen Arztgeschichten mit Katastrophen- und Kriegsliteratur.

      Wer dagegen gerade selbst von einer Krankheit betroffen ist, kann sich mit den Figuren der Geschichten identifizieren und ihre Hoffnung auf Gesundung teilen. Faszinierend ist dann besonders, dass mit dem Arzt oder Heiler jemand auf den Plan tritt, der über ein höheres Wissen verfügt, ja, über eine vom Himmel kommende Kunst. Solche »Halbgötter in Weiß« begegnen uns hier in einer biblischen Frühform, obschon dieses Bild zugleich gebrochen wird: Ein rechter Arzt, wie die Bibel ihn schildert, lässt sich nicht auf diese Weise vergöttern.

      Mit dem Buch Tobit besitzt die Bibel einen kompletten Arztroman, der die Leser auf eine Abenteuerreise mitnimmt. Es geht um das Finden der richtigen Medizin. Die Spannung rührt aus der Größe der Not und dem am Ende stehenden Wunder der Heilung.

      Die biblischen Arztgeschichten sind vor etwa 2000 Jahren entstanden, also in vormoderner Zeit. Sie geben uns Einblick in die Lebenssituation von Menschen, die nur ganz bescheiden über medizinische Kenntnisse in unserem Sinne verfügten. Und doch begegnen uns durchaus modern anmutende Diagnosen und Therapien. Sie diagnostizieren depressive Verstimmungen und psychosomatische Syndrome, kennen aber auch Amtskrankheiten oder gynäkologische Störungen. Selbstverständlich kommen alle Formen körperlicher Gebrechen, aber auch schwere Formen psychischer Erkrankungen vor.

      Die Bibel wendet sich diesen vielfältigen Krankheitsformen deshalb so intensiv zu, weil sie davon überzeugt ist, dass Heilung möglich ist. Sie stellt Krankheit und Heilung durchgängig in einen religiösen Bezugsrahmen. Der Arzt ist der von Gott Berufene, der in besonderer Vollmacht mit der Lebenskraft zu tun hat, die vom Schöpfer her den Geschöpfen innewohnt. Gott, der Schöpfer, verschließt sich den Bitten der Menschen nicht und sagt ihnen seine Hilfe zu. Heilung kommt aus der Beziehung zu ihm. Propheten und Apostel, allen voran aber Jesus Christus, stehen in einer besonderen Verbindung zu Gott und können darum heilen.

      Bei den Therapieformen, die die biblischen Arztgeschichten schildern, wird ein sehr moderner ganzheitlicher Ansatz sichtbar. Der Mensch soll Gottes Zuwendung mit Leib und Seele erfahren: Gott tröstet die Seele und erquickt den Leib. So beschreibt die Bibel therapeutische Maßnahmen, die Seelsorge und somatische Medizin verbinden. Hier spielt besonders der Zuspruch der Vergebung eine Rolle. Aber auch vielfältige Formen von körperlicher Berührung und aufhelfenden Gesten bilden biblische Ansatzpunkte für das Heilungsgeschehen. Wir stoßen zudem auf Musiktherapie, Mund-zu-Mund-Beatmung, Wärmebehandlung und Kraftübertragung durch Nähe und Empathie. Wir erfahren etwas über Wundpflaster und begegnen einer frühen Form der Lehre über die gesund machende Wirkung des positiven Denkens.

      Im Mittelpunkt biblischer Arztgeschichten steht aber zweifellos der geheimnisvoll anwesende Gott und – als seine menschlich erfahrbare Wirklichkeit – das Gebet. Das Gebet nimmt den Menschen hinein in das Gespräch mit Gott, dem Schöpfer und Erlöser. Die großen Ärzte der Bibel sind vollmächtige Beter. Daneben kennt die Bibel aber auch die Linie einer emanzipierten Heilkunst, weil jeder beten lernen kann und auf die Wirkung des Gebetes vertrauen darf.

      Die biblischen Arztgeschichten geben manchen Einblick in einen durch Angebotsknappheit bestimmten Gesundheitsmarkt, in dem sich auch viele Scharlatane tummeln. Vor diesem Hintergrund wird die besondere Qualität der biblischen Heilkunst umso deutlicher sichtbar: Heilung kommt umsonst von Gott und wird umsonst weitergegeben. Und außerdem wirkt die eben geschilderte emanzipatorische Linie der Bibel radikal jeder Marktverknappung entgegen. Womöglich liefern die biblischen Arztgeschichten auch einen Beitrag zur Reform des Gesundheitsmarktes in unserer Zeit!

      Der biblische Anfang der ärztlichen Zunft

       Mose und der Schlangenstab

      Das Symbol des ärztlichen Standes ist ein Stab, um den sich eine Schlange windet – der so genannte Äskulapstab. Äskulap ist der griechische Gott der Heilkunst und als »Eigentümer« dieses Stabes sozusagen das Ur- und Vorbild aller späteren Ärzte. Doch es scheint so, als sei das Symbol des Schlangenstabes in der Geschichte der Menschheit mehrfach »erfunden« worden. Auch die Bibel kennt eine Erzählung, in der es eine Rolle spielt. Der Protagonist dieser Geschichte ist Mose. Und da er in diesem Zusammenhang die erste biblische Person ist, die nachweislich in die Verlegenheit kommt, eine Heilmethode anwenden zu müssen, könnte man sagen, dass Mose der Vorfahr aller biblischen Ärzte ist.

      Die Situation damals ist folgende: In der Zeit der Wüstenwanderung hat das Volk Israel durch seinen Ungehorsam eine von Gott geschickte Schlangenplage auf sich gezogen. Viele Menschen kommen durch giftige Bisse zu Tode. Reumütig wenden sich die Israeliten an Mose und bitten ihn um Hilfe. In einer Zeit, die weit davon entfernt ist, ein Antiserum gegen Schlangengift zu kennen, kann diese Hilfe zunächst nur in einer Fürsprache bei Gott bestehen. Von Gott selbst kommt dann die – für unser heutiges Empfinden eigenartige – Therapieverordnung: Mose soll einen besonderen Schlangenkult einführen. (4Mose/Numeri 21,4-9)

      Als die Israeliten vom Berg Hor aus weiterzogen, wandten sie sich zunächst nach Süden in Richtung Schilfmeer, um das Gebiet der Edomiter zu umgehen. Aber unterwegs verlor das Volk die Geduld und sie beklagten sich bei Gott und bei Mose: »Warum habt ihr uns aus Ägypten weggeführt, damit wir in der Wüste sterben? Hier gibt es weder Brot noch Wasser, und dieses elende Manna hängt uns zum Hals heraus!«

      Da schickte der HERR zur Strafe giftige Schlangen unter das Volk.