Jan-A. Bühner

Arztgeschichten der Bibel


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Leg doch beim HERRN ein Wort für uns ein, damit er uns von diesen Schlangen befreit!«

      Mose betete für das Volk und der HERR sagte zu ihm: »Fertige eine Schlange an und befestige sie oben an einer Stange. Wer gebissen wird, soll dieses Bild ansehen, dann wird er nicht sterben!«

      Mose machte eine Schlange aus Bronze und befestigte sie an einer Stange. Wer gebissen wurde und auf diese Schlange sah, blieb am Leben.

      Die Geschichte spiegelt die zwiespältigen Gefühle wider, die Menschen wohl zu allen Zeiten Schlangen gegenüber empfunden haben: Sie fürchten die Schlangen, sind aber auch fasziniert von ihnen. Weil eine Schlange ihre Haut im Frühjahr abstreift, ist sie Symbol des sich selbst erneuernden Lebens; da ein Schlangenbiss Krankheit und Tod bringen kann, steht sie zugleich für das lebensbedrohliche Böse. In der biblischen Geschichte vom Sündenfall dominiert der negative Aspekt. Bei der von Mose aufgerichteten Schlagenskulptur kommt auch der positive zum Tragen: Ein Abbild oder Urbild des Bösen, in einen von Gott angeordneten guten Kultrahmen gestellt, verliert seinen Schrecken und wird heilsam, weil es nun eingefangen ist und der heilsamen Macht eines Größeren dienen muss. Gott stiftet so eine Heilsordnung, in der das Böse und sein Symbol integriert und damit überwunden wird. Der Äskulapstab kann ähnlich interpretiert werden. Im Neuen Testament erhält die Geschichte von der bronzenen Schlange eine neue, überraschende Deutung, und zwar im Johannesevangelium (Johannes 3,14-15): Die Erhöhung der bronzenen Schlange auf der Standarte weist voraus auf die Erhöhung Jesu am Kreuz. Wer auf Jesus den Gekreuzigten schaut, schaut auf das Heil gewährende, Leben schenkende Bild Gottes.

      Regierende und ihre Krankheiten

      Menschen, die in öffentlichen Ämtern stehen, dürfen eigentlich nicht krank werden. Sie sind unabkömmlich, werden jede Minute gebraucht. Aber gerade dieser Druck, der auf den Verantwortlichen in der Regierung lastet, kann sie für bestimmte Krankheiten besonders anfällig machen. Herzinfarkt, Magengeschwür oder Erschöpfungszustände sind nicht selten die stressbedingte Folge eines verantwortlichen Amtes. Auch zur Zeit der Bibel waren die hochgestellten Persönlichkeiten davor nicht gefeit. Doch damals wie heute genießen die VIPs der Gesellschaft auch besondere Vorteile, wenn es sie einmal erwischt hat. Erstklassige ärztliche Betreuung und kreative Therapieansätze, die nicht jedem geboten würden – einem König kommen sie natürlich genauso zu wie einem Bundeskanzler. Die biblischen Vorfahren der Privatpatienten werden exzellent versorgt – nicht zuletzt weil ihre Therapeuten einen direkten Draht zu Gott, der Quelle der Heilung, haben.

       David spielt Harfe vor König Saul

      König Saul leidet. Der biblische Bericht verbindet die »private« Erkrankung des Königs mit der beginnenden Krise seines Königtums, in der die Amtsübergabe an einen Nachfolger näher rückt. Die Hofärzte diagnostizieren eine hartnäckige und wiederkehrende depressive Verstimmung als Ursache für Sauls Einbuße an Charisma. Nicht mehr der Geist Gottes beflügelt ihn, sondern ein böser Geist quält ihn und nimmt ihm die inneren Antriebskräfte. Der Therapievorschlag: Musik soll die Seele des Königs wieder erheben, sein Gemüt aufhellen und ihm neue Antriebskräfte geben, sodass er ein tatkräftiger König bleibt. Mit Einwilligung des Patienten – ein nicht unwichtiger Faktor für den Therapieerfolg zumal bei einer seelischen Erkrankung – wird ein geeigneter Musiker gesucht. Die Wahl fällt auf David, der die Harfe zu spielen versteht. Dass Musik eine unmittelbar hebende Wirkung auf die Stimmung des Menschen hat, gilt heute ebenso wie damals. David gewinnt als Musiktherapeut das Vertrauen des Königs und darf sich als sein persönlicher Waffenträger ständig in seiner Nähe aufhalten. Er ist stets mit seiner Harfe zu Stelle, wenn der nächste depressive Anfall über Saul kommt. Davids Harfenspiel macht Saul wieder fröhlich und zuversichtlich.

      Die Bibel verbindet diese nahezu modern anmutende Diagnose und Therapie mit einer überraschenden theologischen Tiefendimension: Der Therapeut ist ausgerechnet der mit Gottes Geist ausgestattete zukünftige König David. Er gibt dem noch im Amt befindlichen König Saul Anteil an seinem Charisma, das ihm Gott verliehen hat. (1Samuel 16,14-23)

      Der HERR hatte seinen Geist von Saul genommen und ihm einen bösen Geist geschickt, der ihn oft quälte. Da sagten seine Leute zu Saul: »Du weißt selbst, dass ein böser Geist, von Gott geschickt, dich immer wieder befällt. Sollen wir uns nicht nach einem Mann umsehen, der Harfe spielen kann? Du brauchst es nur zu befehlen! Wenn dann der böse Geist über dich kommt, kannst du dir etwas vorspielen lassen; das wird dich aufmuntern.«

      »Ja«, antwortete Saul, »sucht mir einen guten Harfenspieler und bringt ihn zu mir!«

      Einer von den jungen Leuten sagte: »Ich kenne einen: Isai in Betlehem hat einen Sohn, der Harfe spielen kann. Er stammt aus einer angesehenen Familie und ist ein tüchtiger Kämpfer. Er versteht, zur rechten Zeit das rechte Wort zu sagen, und sieht sehr gut aus. Der HERR steht ihm bei.«

      Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: »Schick mir doch deinen Sohn David, der die Schafe hütet!«

      Isai gab David einen mit Broten beladenen Esel, einen Schlauch Wein und einen jungen Ziegenbock für Saul mit. So kam David ins Haus Sauls und trat in seinen Dienst. Der König gewann ihn lieb und machte ihn zu seinem Waffenträger. Seinem Vater Isai ließ er sagen: »Lass David in meinem Dienst bleiben! Er hat mein Wohlgefallen gefunden.«

      Immer wenn der von Gott geschickte böse Geist über Saul kam, griff David zur Harfe und begann darauf zu spielen. Dann wurde es Saul leichter ums Herz, er fühlte sich wieder wohler und der böse Geist verließ ihn.

       Ein Minister und seine Ansprüche

       Die Heilung des Syrers Naaman

      Aussatz begegnet uns häufig in der Bibel. Es ist ein Sammelbegriff, der die verschiedensten Hautkrankheiten von Lepra bis Neurodermitis bezeichnet. Ihnen allen ist der entstellende, ja stigmatisierende Charakter gemeinsam. Ein Aussätziger galt im Judentum als »unrein« und wurde – auch aus Angst vor Ansteckung – aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Naaman, der Heerführer des syrischen Königs, hat daher Glück im Unglück. Er ist kein Jude. Als er an Aussatz erkrankt, wird er nicht aus seiner Hausgemeinschaft verwiesen. Im Gegenteil, man sucht für ihn den besten Arzt: einen Prophet in Samaria. Als hochgestellte Persönlichkeit kann er sich den finanziellen Aufwand der Reise zu diesem Spezialisten und der erwarteten Behandlungskosten leisten. Sein König gewährt ihm Sonderurlaub und versorgt ihn sogar mit einem Empfehlungsschreiben.

      Beim Propheten Elischa angekommen, erwartet Naaman nun eine Privatbehandlung mit entsprechender persönlicher Zuwendung des berühmten Heilers. Aber er wird nicht einmal in dessen Haus gelassen und lediglich durch den Arztgehilfen mit einem Therapievorschlag versehen, der ihn zunächst enttäuscht: ein Bad im Jordan. Das soll alles sein? Den Dienern gelingt es nur mühsam, den beleidigten Minister zur Befolgung zu überreden. Aber der durchschlagende Erfolg der Therapie überzeugt Naaman schließlich von der Präsenz und Wirksamkeit des Gottes, aus dessen Macht der Prophet seine Heilkunst ausübt.

      Einer Grundlinie der Bibel entspricht es, dass für von Gott gewährte Heilung kein Honorar verlangt wird. Durch Geldannahme würde Gottes unverfügbare Macht zu einer kalkulierbaren Leistung degradiert. Es geht dabei um nicht weniger als die Freiheit und Ehre Gottes. So lehnt Elischa jede Honorarzahlung des prominenten Patienten ab. Als der Arztgehilfe Gehasi dennoch der Verlockung des Geldes nicht widerstehen kann, trifft ihn die Strafe des Propheten und seines himmlischen Herrn: der Aussatz geht auf Gehasi über und wird zu einer Generationen überdauernden Familienkrankheit. (2Könige 5,1-27)

      Naaman, der Heerführer des Königs von Syrien, war an Aussatz erkrankt. Er war ein tapferer Soldat und der König hielt große Stücke auf ihn, weil der HERR durch ihn den Syrern zum Sieg verholfen hatte. In seinem Haus befand sich ein junges Mädchen, das von syrischen Kriegsleuten bei einem Streifzug aus Israel geraubt worden war. Sie war Dienerin bei seiner Frau geworden.

      Einmal sagte sie zu ihrer Herrin: