Gabriele Rodríguez

Namen machen Leute


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Sie hier eine der entscheidenden Stellen des Stücks:

       JACK: Aber du willst doch nicht behaupten, dass du mich nicht lieben könntest, wenn ich nicht Ernst hieße?

       GWENDOLEN: Aber du heißt doch Ernst.

       JACK: Ja, das weiß ich. Aber nehmen wir mal an, ich hieße nicht so? Willst du behaupten, du könntest mich dann nicht lieben?

       GWENDOLEN: (schlagfertig) Ah! Das ist offenkundig reine metaphysische Spekulation, und wie die meisten Spekulationen dieser Art hat sie sehr wenig mit den Tatsachen des Lebens, so wie wir sie kennen, zu tun.

       JACK: Offen gestanden, mein Engel, hänge ich nicht besonders an dem Namen Ernst – ich finde, der Name steht mir überhaupt nicht.

       GWENDOLEN: Er steht dir ausgezeichnet. Das ist ein göttlicher Name. Er hat seine ganz eigene Musik. Er schwingt.

       JACK: Nein, wirklich, Gwendolen, ich finde schon, es gibt eine Menge anderer, viel hübscherer Namen. Ich finde Jack zum Beispiel sehr charmant.

      GWENDOLEN: Jack? – Nein, in dem Namen Jack steckt nur sehr wenig Musik, wenn überhaupt. Er packt einen nicht. Er löst keinerlei Schwingungen aus – ich habe mehrere Jacks gekannt, und alle waren sie ausnahmslos fade. Außerdem ist Jack nur der abgeschmackte Hausname für John. Und ich bedaure jede Frau, die mit einem Mann namens John verheiratet ist. Wahrscheinlich wird sie nie Gelegenheit haben, das hinreißende Vergnügen zu genießen, auch nur einen winzigen Augenblick allein zu sein. Der einzig wirklich sichere Name ist Ernst.

       (…)

       GWENDOLEN: Die Geschichte deiner romantischen Herkunft, so wie Mama sie mir, mit einigen unangenehmen Bemerkungen versehen, mitgeteilt hat, hat natürlich die innersten Fasern meiner Seele angerührt. Dein Vorname übt eine unwiderstehliche Faszination auf mich aus. (…)

      1 Vgl. »Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose«, von Oliver Trenkamp, Spiegel Online, 16. September 2009

      2 Vgl. »Why it’s hard to be a Kevin in France«, www.bbc.com vom 19. März 2017

      3 Vgl. »Die Top-Vornamen mit Flirt-Garantie«, Bild, 14. September 2011

      4 Quelle: Thomas Liebecke, www.onomastik.com

      DIE ALTEN GERMANEN – WARUM WIR NAMEN HABEN

      Der Vorname ist noch wichtiger als der Nachname. Während man den Nachnamen (das gilt natürlich vor allem für Frauen) im Laufe seines Lebens schon mal wechselt, bleibt der Vorname ein lebenslanger Begleiter. Er liegt quasi »direkt auf der Haut« und ist immer da. Wenig im Leben ist dem Menschen so treu, so dauerhaft und nachhaltig wie der eigene Vorname. So eine Beziehung prägt natürlich.

      Wie entwickelten sich nun die Vornamen? Im Prinzip gibt es Namen, seit es Menschen gibt und seit sie miteinander sprechen. Selbst Tiere pflegen eine gewisse Ansprache, wobei es zu weit führt, da von Namen zu sprechen. Aber auch sie können sich über Laute verständigen und der »angesprochene« Artgenosse weiß dann, dass er gemeint ist.

      Geht man also davon aus, dass mit der Entstehung von Sprachen auch Namen entstanden, so haben wohl auch schon die Höhlenbewohner Namen gehabt. Davon ist in der Forschung aber wenig bekannt. Die Ersten, die über Namen in unserem heutigen Sinne verfügten, waren wohl die Chinesen. Sie waren auch die Ersten, die Familiennamen trugen. Zumindest kommt der älteste bezeugte Name der Welt aus China, es ist der des Urkaisers »Fu Xi«, der laut dem britischen Sinologen James Legge im Jahr 3322 v. Chr. geboren wurde. So verwundert es nicht, dass es auch die Chinesen waren, die als Erste ein veritables Namensystem erschufen.

      In der Shang-Dynastie (16. – 11. Jahrhundert v. Chr.) führten sie eine Art Nachnamen ein, indem die Angehörigen des Kaiserhauses den Namen ihres Herrschers als Beinamen annahmen. So ist etwa der Beiname »Yin« als einer der ältesten schon in der Shang-Dynastie (16. Jahrhundert – 11. Jahrhundert v. Chr.) bezeugt. Die Herrscher der Zhou-Dynastie (1122/1045 – 770 v. Chr.) werden mit ihrem persönlichen Namen, einem geläufigen und einem postumen Namen genannt. Dabei wird deutlich, was Namen auch immer waren: ein wichtiger Ausdruck personaler Identität einerseits, aber auch ein Ausdruck von Verwandtschaftsbeziehungen. Generell galt die Vergabe des Namens immer schon als erster Schritt zur Aufnahme eines Neugeborenen in die jeweilige Gemeinschaft.

      In dieser Zeit entstanden zahlreiche Familien- oder auch Klannamen. Es war üblich, dass die chinesischen Herrscher ihre Familiennamen an ihre Untertanen weitergaben, um sie an sich zu binden. Dies hatte zur Folge, dass es zahlreiche Menschen mit ein und demselben Familiennamen gab, die allerdings nicht miteinander verwandt waren.

      Das Chinesische kennt keinen Begriff für »Name«. »Mingzi« oder »ming« steht für den persönlichen (gegebenen) Namen und »xingshi« für den Familiennamen. Ursprünglich bezeichneten »xing« den Stamm oder die Sippe der Mutter und »shi« eine Untergruppe des Stammes (nach dem Vater, nach einem Ort, einer Region etc.). In der westlichen Zhou-Dynastie gab es nicht mehr als dreißig Bei- oder Familiennamen, von denen die meisten das weibliche Schriftzeichen für »Mutter« beinhalteten.

      Eine der ältesten Listen von Familiennamen stammt aus der nördlichen Song-Dynastie (960–1127) und nennt 472 Familiennamen. Das »Buch der Hundert Familiennamen« (»Bai Jia Xing«) war bis in die 1950er-Jahre ein wichtiges Lehr- und Sachbuch. Es enthält nicht nur Personennamen, sondern auch historische und sprachwissenschaftliche Informationen.

      Im deutschen Sprachraum waren es die Germanen, die Namen einführten. Wobei man hier eher von Rufnamen sprechen muss, da die Nachnamen erst viel später dazukamen. Der indogermanische Sprachraum ist ziemlich weitläufig. Altindisch zählt sogar dazu, Altslawisch, Altgriechisch und auch Keltisch und Althochdeutsch. Allen indogermanischen Namen ist eines gemein: Die meisten sind zweigliedrig und leiteten sich aus dem allgemeinen und alltäglichen Wortschatz her. Das waren also keine Fantasiegebilde, wie oft heute, oder gar aus einer anderen Sprache oder Kultur übernommen, sondern ganz normale Wörter für Eigenschaften, Ereignisse, Tiere, Gegenstände aus der Sprache der Menschen, die auch oft gebraucht wurden. »Selten und ungewöhnlich« ist bei der Namensgebung ein Produkt unserer Zeit.

      So kombinierten die alten Inder die Wörter für »gut« (»vásu«) und »gegeben« (»dattah«) zum Namen »Vásudattah«. Die Griechen die Wörter für »Volk« (»demo«) und »mächtig« (»sthenes«) zum Namen »Demosthenes«; die Kelten die Worte für »Kampf« (»cato«) und »Herrscher« (»rix«) zum Namen Catorix; die Slawen die Wörter für »herrschen« (»vladi«) und »Frieden« (»mir«) zum Vladimir.

      Auch die alten Germanen verfuhren auf diese Weise, vermutlich schon lange vor Christi Geburt. Von germanischen Namen hört man erstmals aus den Aufzeichnungen griechischer und römischer Autoren, wie zum Beispiel Tacitus, der um 100 nach Christus die germanischen Namen Catumer, Catvald und Segimund erwähnte.

      Jede Namengebung bei den Germanen war eine Neuschöpfung. Ausdrücke aus dem religiösen und kriegerischen Leben wurden dem Neugeborenen im Namen als Wunsch mit auf den Weg gegeben. Die Namen bestanden in der Regel aus zwei Elementen vor allem aus den Bereichen »Volk« (Volkmar), »Heimat« (Landfried, Roland), »Verwandte«, »Freunde« (Winfried, Hariman), »Besitz« (Udalrich), »Adel«, »Herrscher« (Adelheid, Adalwolf, Waldfried, Walthari), »Krieg«, »Kampf«, »Streit« (Gundhari, Gundhild, Hadumar, Badumar), »Waffen« (Gerhard), »Heidentum«, »Götter« (Albwin, Ingomar, Wandalmar, Swabwald, Gottfried, Thorwin) oder »Eigenschaften« (Baldowin, Hartfried, Fromut, Wignand).

      Erstaunlicherweise gibt es heute gar nicht mehr so viele Namen germanischen Ursprungs. Einer der bekanntesten ist von seiner Herkunft sehr transparent: Siegfried, ein zweigliedriger Name, der sich zusammensetzt aus den Elementen »Sieg« und »Frieden«. Wobei die Worte sowohl als erstes wie auch als zweites Glied auftauchen konnten. Richard (der sich aus »reich« und »hart« zusammensetzt) ist heute ebenfalls noch populär