in Form elektrochemischer Signale oder Impulse aus.
Neuronen bilden nicht nur den wesentlichen Bestandteil des Gehirns, sondern auch die Basis-Komponente unseres Nervensystems, dieses komplexen Netzwerks von Strukturen, zu dem das Gehirn, das Rückenmark und die Nervenbahnen gehören und das alle Funktionen unseres Körpers steuert. Die einzigartige Weise, in der Nervenzellen kommunizieren, unterscheidet das Nervensystem stark von allen anderen Körpersystemen.
Im Gehirn sitzt die größte Neuronengruppe des ganzen Körpers. Ein winziges, sandkorngroßes Stückchen Hirngewebe enthält rund 100000 Neuronen. Sie sind so eng zusammengepackt, dass schon in einem Stück Hirn von der Größe eines Kieselsteins Neuronen mit insgesamt etwa 3 Kilometern Länge sitzen. Unser gesamtes Gehirn enthält ungefähr 100 Milliarden Neuronen, jedes davon nur Bruchteile von Millimetern groß. Damit Sie sich vergegenwärtigen können, wie viele Neuronen das sind: 100 Milliarden Sekunden zu zählen, würde rund 3171 Jahre dauern. Ein Stapel von 100 Milliarden Blatt Papier wäre 10000 Kilometer hoch – das entspricht ungefähr der Entfernung zwischen Los Angeles und London.
Es gibt Neuronen, die sehr viel länger sind als die Nervenzellen des Gehirns. Manche Neuronen erstrecken sich vom Gehirn durch das ganze Rückenmark und sind bis zu einen Meter lang. Doch trotz der unterschiedlichen Länge ist ihre Funktion im Wesentlichen dieselbe.
Um einige der Rollen, die Neuronen in unserem täglichen Leben spielen, zu veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, es ist Morgen und Sie planen den bevorstehenden Tag. Während Ihr Gehirn die Ideen dazu sammelt, was Sie zu den verschiedenen Tageszeiten bewältigen müssen, übermitteln Neuronen elektrochemische Informationen zwischen unterschiedlichen Teilen Ihres Gehirns. Sensorische Neuronen senden Informationen ans Gehirn, nicht nur Informationen über Ihre äußere Umgebung – was Sie sehen, hören, riechen, tasten, schmecken –, sondern auch über Ihren inneren Zustand, ob Sie Hunger oder Durst haben, ob Ihnen irgendetwas wehtut, ob Ihnen zu warm oder zu kalt ist und dergleichen mehr. Sobald Sie sich entschließen, aufzustehen und tätig zu werden, schicken motorische Neuronen elektrochemische Impulse vom Gehirn durch das Rückenmark an den Körper, um Ihre körperlichen Bewegungen auf den mentalen Plan abzustimmen, den Sie davon im Kopf haben.
Im Allgemeinen kommunizieren die Nervenzellen in allen Menschen auf dieselbe Weise. Das uns unterscheidende individuelle Verhalten entsteht durch die Netzwerke oder Muster, in denen die Nervenzellen miteinander verknüpft sind.
Bestandteile des »Neuronen-Baums«
Eine typische Nervenzelle ähnelt einer unbelaubten Eiche im Winter (manche Neuronen stärker als andere). An der Stelle, wo die Zweige dem Stamm entsprießen, befindet sich der Nukleus oder Zellkörper des Neurons. Ähnlich wie in den Nuklei anderer Zellen sind im Nukleus der Nervenzelle genetische Informationen gespeichert, welche für die Herstellung der für die Zellstruktur und die Zellfunktion wichtigen Proteine verantwortlich sind. Diese DNA (Desoxyribonukleinsäure) der Nervenzellen ist der DNA anderer Körperzellen sehr ähnlich; abgesehen von den roten Blutkörperchen, die keine DNA enthalten. Eine Zellart unterscheidet sich von der anderen dadurch, welche Gene aktiv zum Ausdruck gelangen (»Expressionsmuster«), d.h. was für Proteine hergestellt werden und welche Funktion sie erfüllen. So erzeugt eine Muskelzelle Muskelproteine, welche die Grundstruktur unseres Muskelgewebes bilden. Das bedeutet, eine Zelle wird dadurch zur Nervenzelle, dass sie ein anderes Expressionsmuster hat, eine andere DNA-Sequenz abliest, als eine Muskelzelle oder Hautzelle.
Darüber hinaus unterscheiden die Zellen sich anhand ihrer äußeren Struktur. Ein Neuron besitzt zwei Arten von Anhängen (auch »Neuriten« genannt), die sich vom Zellkörper aus in entgegengesetzte Richtungen erstrecken, wie in Abbildung 3.1 zu sehen ist. Der »Stamm« des Neuronen-Baums ist ein langer Fortsatz, der »Axon« genannt wird. Alle Neuronen haben nur ein Axon, das eine Länge von einem Bruchteil eines Millimeters bis zu einem Meter besitzen kann. Das Axon mündet in wurzelähnlichen Verzweigungen, die in »Telodendren« oder »Endknöpfchen« auslaufen.
Am anderen Ende des Zellkörpers, sozusagen baumaufwärts geschaut, erstrecken sich viele Äste dreidimensional in alle Richtungen und verzweigen sich dabei immer feiner. Diese Äste und Zweige, »Dendriten« genannt, sind zahlreich und beweglich. Die Dendriten enden in kleinen Ausstülpungen, die »Dornen« heißen und mit denen Informationen empfangen werden. Sie sind für den Lernprozess sehr wichtig.
Abbildung 3.1
Ein Neuron
Mit ihrer großen Beweglichkeit ähneln alle Teile des Nervensystems eigentlich eher fast garen Spaghetti im Kochwasser als den steifen Ästen und Zweigen eines Baumes. Die Neuronen sind elastisch und amorph (»gestaltlos«).
Neuronen – viele Typen, viele Funktionen
Es gibt verschiedene Typen spezialisierter Neuronen, die viele Arten von Reizen aufnehmen und elektrochemische Signale an benachbarte Neuronen weiterleiten. Neuronen unterscheiden sich durch viele Faktoren wie ihren Ort, ihre Form, die Richtung, in der sie Impulse weiterleiten, und die Anzahl ihrer Fortsätze. Sensorische Neuronen zum Beispiel empfangen ihre Informationen durch unsere Sinne, sowohl von außerhalb unseres Körpers als auch von innerhalb, und schicken diese Informationen dann ans Gehirn oder Rückenmark (Zentralnervensystem). Motorische Neuronen übermitteln Signale vom Gehirn oder Rückenmark an den Körper und bewirken damit eine Bewegung oder eine bestimmte Funktion in einem Gewebe oder Organ.
Darüber hinaus lassen Neuronen sich an der Anzahl, Länge und Verzweigungsart der Neuriten unterscheiden. Unipolare Neuronen haben nur einen Neuriten, der sich nahe am Zellkörper in zwei Fortsätze spaltet. Die etwas selteneren bipolaren Neuronen haben einen verlängerten Zellkörper, dessen Enden jeweils ein Neurit entspringt; sie verfügen über ein Axon und einen Dendriten. Multipolare Neuronen haben ein Axon und mehrere Dendriten. Die meisten Neuronen des Gehirns und des Rückenmarks sind multipolar. Abbildung 3.2 zeigt verschiedene Arten von Nervenzellen.
Neuronen unterscheiden sich auch durch ihre Größe. Golgi-Typ-I-Neuronen haben ein langes Axon, das bis zu einem Meter lang werden kann. Die Axone dieser Neuronen bilden Fasern im Gehirn und im Rückenmark sowie periphere Nervenzellen, die aus der Wirbelsäule austreten. Zu diesem Zelltyp gehören unter anderem die Pyramidenzellen der Großhirnrinde, die Purkinje-Zellen des Kleinhirns und die motorischen Zellen des Rückenmarks.
Die meisten Nervenzellen sind jedoch multipolare Neuronen mit kurzen Axonen, die Golgi-Typ-II-Neuronen genannt werden. Ihre kurzen Verzweigungen enden in der Regel unweit des Zellkörpers, manchmal fehlt das Axon sogar ganz. Golgi-Typ-II-Neuronen haben eine sternartige Form. Sie kommen vor allem in der Kleinhirnrinde und in der Großhirnrinde vor, das heißt, diese kleinen Nervenzellen bilden die graue Substanz des Gehirns. Abbildung 3.2 zeigt Golgi-Typ-I- und Golgi-Typ-II-Neuronen.
Abbildung 3.2
Neuronen kommunizieren über ihre Axone und Dendriten in einem komplexen Verschaltungssystem. Dabei senden die Axone die elektrochemische Information an andere Neuronen, während die Dendriten die Informationen von anderen Zellen aufnehmen. In Bezug auf unsere Baum-Analogie heißt das: Die Zweige (Dendriten) empfangen Informationen von den Wurzeln (Axon-Endknöpfchen) anderer Bäume (Neuronen) und geben sie weiter an den Stamm (Axon), wo sie durch die Wurzeln (Axon-Endknöpfchen) an den nächsten Baum (Neuron) weitergegeben werden, und so weiter.
Das ist natürlich eine sehr begrenzte Sicht dieses Kommunikationsweges: Wir tun hier so, als stünden die Neuronen in direktem Kontakt miteinander. Erstaunlicherweise berühren sich die Neuronen jedoch nie, vielmehr lassen sie immer einen Spalt von ungefähr einem Millionstel Zentimeter zwischen sich: die sogenannte Synapse. Auf Abbildung 3.3 weist Punkt A auf die Synapse hin.