ich sage, wir haben Essenz, dann sucht ihr eure Essenz. Wenn ich sage, ihr müßt mit euren Themen arbeiten, dann fangt ihr an, nach euren Themen zu graben. Jeder wird ein Jäger. Das ist die primäre Quelle eures Leidens. Wir haben über die Quellen dieser Perspektive des Suchens, der Unzufriedenheit und des Mangels gesprochen. Wir verstehen eine Menge von diesen Mustern. Heute aber wenden wir uns der Aktivität selbst zu.
Ihr setzt euer Leiden durch eben die Aktivität fort, von der ihr glaubt, daß sie euch von Leiden befreien wird. Viele Menschen gehen von der Annahme aus, daß es bei innerer Erforschung und Verstehen darum geht, Dinge herauszufinden, daß es darum geht, nach Themen in eurer Psyche oder Spannungen in eurem Körper oder Schwierigkeiten in eurem Leben zu suchen, damit ihr die Probleme lösen, die Spannungen loslassen und die Schwierigkeiten loswerden könnt. Ihr habt die Hoffnung, daß diese Aktivität dazu führt, daß ihr weniger leidet. Wenn ihr nicht versucht, Leiden loszuwerden, dann sucht ihr nach irgendeinem essentiellen oder angenehmen Zustand, damit ihr einen Aspekt eurer Essenz fassen und festhalten könnt. Aber das ist lächerlich, weil ihr die Essenz seid. Wie wollt ihr die Essenz einfangen, wenn ihr die Essenz seid? Wer soll eure Essenz einfangen? Wer soll sie bekommen?
Die Konsequenz dieser Aktivität des Versuchens, etwas zu bekommen, und zu versuchen, etwas loszuwerden, ist, daß ihr euch mit der Aktivität des Suchens identifiziert. Ihr tut dies, denn die Aktivität ist immer präsent, und ihr haltet sie für euch selbst. So projiziert ihr weiter das, wonach ihr sucht, nach außen. Wenn ihr die innere Arbeit macht, setzt ihr nur die Suche weiter fort, mit der ihr beschäftigt seid, wenn ihr Ziele und Begierden der Persönlichkeit verfolgt. Bisher habt ihr nach dem richtigen Menschen, dem richtigen Job und der richtigen Situation gesucht, jetzt sucht ihr in euch selbst. Jetzt setzt ihr die Suche nach wirklichem Selbstvertrauen an die Stelle der Suche nach Anerkennung. Statt nach Erfolg zu streben, strebt ihr nach Erleuchtung. Es sind nur andere Wörter für dieselbe Sache: es ist dieselbe Aktivität, gleich ob sie nach innen oder nach außen gerichtet ist.
Diese Such-Aktivität ist nicht liebevoll oder mitfühlend mit euch selbst oder jemand anders. Die Tatsache, daß ihr so eure Trennung von euch selbst perpetuiert und weiter eure fundamentalste Illusion ausagiert, bedeutet, daß diese Aktivität im Grunde schmerzhaft ist. Aus der Sicht der Persönlichkeit wäre es wahrscheinlich eine gute Sache für einen, das, wovon man glaubt, daß es einen glücklich machen wird, weiter zu verfolgen, aber wir sehen, daß diese Aktivität nur zu mehr Frustration und Leiden führen kann.
Was ist also innere Erforschung (inquiry), wenn nicht Suchen und Beseitigen? Wie können wir verstehen, wenn wir nicht nach Zuständen suchen und alte Verhaltensmuster eliminieren? Es ist sehr einfach. Verstehen an sich ist sehr einfach. Verstehen ist, wenn man nicht sucht. Man braucht nicht nach Verstehen zu suchen, Verstehen muß man nicht verfolgen. Man muß sich nicht anstrengen, um Einsichten zu haben. Eure Anstrengungen werden nicht mit Erkenntnissen belohnt. Erfahrungen von Verstehen, Erkenntnisse und Einsichten stellen sich ein, wenn ihr entspannt seid, wenn ihr einen Moment lang aufhört zu suchen. Betrachtet eure Erfahrung: wann erfahrt ihr einen Zustand von Ausdehnung oder habt eine Einsicht oder tiefes Verstehen? Dann, wenn ihr damit beschäftigt seid, etwas herauszufinden? Oder dann, wenn ihr dieses Bemühen einen Augenblick lang vergessen habt? Ihr seht vielleicht, daß eure tiefen Einsichten, die Erfahrungen wahren und tieferen Verstehens, sich einstellen, wenn ihr mit eurem Verstand nichts tut, wenn ihr einfach seid, einfach präsent seid. Natürlich seid ihr vielleicht mit irgendeiner Übung beschäftigt, einer Aktivität im Kopf, denkt nach, sucht nach diesem oder fragt euch jenes, wenn ihr eine Einsicht habt, und ihr denkt vielleicht, daß das zu der Einsicht geführt hat. Aber wenn ihr genau hinschaut, dann werdet ihr mitten im Suchen oder Bemühen ab und zu eine Pause erkennen – ihr werdet müde und gebt einen Moment lang auf. In diesem Moment entsteht Einsicht. Doch oft seht ihr diese Pause nicht, weil sie so kurz ist, deshalb glaubt ihr, daß es die Aktivität des Verstandes ist, die für die Einsicht verantwortlich war.
Wenn ich sage, daß ihr euch selbst verstehen müßt, dann meine ich nicht, daß ihr alle anfangen solltet, über euch nachzudenken und Jäger zu werden, die Themen und Einsichten verfolgen. Ich meine vielmehr, daß ihr mitfühlend und liebevoll mit euch selbst sein und euch selbst sein lassen müßt. Wenn ihr euch selbst sein laßt, dann werdet ihr plötzlich neugierig auf das was entsteht. Einfach zu leben und anzuhalten und euch selbst sein zu lassen, ermöglicht dieses spontane innere Erforschen (inquiry). Wenn ihr einfach nur seid, dann seid ihr nicht mit Denken, Grübeln, Versuchen Dingen auf den Grund zu kommen beschäftigt. Euer Geist ist klarer und leerer, und welche Wahrheit auch immer ihr über eure Situation verstehen müßt, sie ist bereits da. Eigentlich ist sie immer schon da gewesen; ihr seht sie nicht, weil ihr in eurem Verstand beschäftigt seid. Ihr seid nicht präsent genug, um sehen zu können. Wenn ihr präsent genug seid, wenn ihr einfach nur seid, dann werdet ihr natürlich und spontan sehen.
Wir sehen also, daß wahres Verstehen nicht eine Sache von Suchen ist. Suche nach Verstehen ist dasselbe wie versuchen, Reichtum, Liebe oder irgendetwas Äußeres zu suchen. Es ist nur ein anderer Schauplatz, ein anderer Ort. Die Haltung, daß ihr mangelhaft seid, daß ihr etwas bekommen müßt, um Frieden und Erfüllung zu haben, enthüllt, daß ihr euch selbst nicht seht. Ihr seht nicht, daß ihr von Natur aus gar nichts bekommen müßt. Eure Natur selbst ist reine Lust, reine Glückseligkeit (bliss) und reiner Friede. Nur die Aktivität des Suchens schneidet euch von diesem Frieden ab.
Wenn ihr in euch hineinschaut oder euer Leben betrachtet, dann stellt ihr fest, daß ihr so geschäftig seid. Ich meine nicht damit die Beschäftigung mit physischen Dingen, sondern mentale und emotionale Geschäftigkeit. Euer Geist (mind) hält niemals an, ruht niemals, außer vielleicht im tiefen Schlaf. Es ist immer etwas los; der Geist hält sich damit in Bewegung, ob dies das Richtige oder das Falsche ist, ob ich schlecht oder ob ich gut bin, oder er grübelt darüber nach, was geschehen wird, plant voraus, erzählt Geschichten über die Vergangenheit und so weiter. Ihr laßt euch nicht einfach ruhen. Ihr hört nicht auf, mit euch selbst zu argumentieren oder euch selbst zu unterhalten. Dann fragt ihr euch, warum ihr nicht glücklich seid. Das nährt einen neuen Schub mentaler Aktivität: „Vielleicht sollte ich eine Therapie machen, vielleicht sollte ich mir eine Gruppe suchen.“ Ihr verwickelt euch in eine neue äußere Aktivität, die vielversprechend aussieht. Wenn es nicht so funktioniert, wie ihr hofft, dann erscheinen euch die Aktivität, Gruppe oder die Person als falsch oder schlecht. Wenn die Dinge frustrierend sind, dann sagt ihr vielleicht: „Sie haben mich nicht geliebt oder gemocht.“ Dann sucht ihr woanders nach jemandem oder nach einer Gruppe, die euch richtig liebt. Immer sucht ihr mehr und mehr Aktivität und hört niemals auf und laßt euch niemals auf eure gegenwärtige Erfahrung ein, ohne sie zu bewerten. Das Einfachste ist, einfach zu entspannen und da zu sein, zu leben, ohne sich Vorstellungen davon zu machen, die Bewertungen, die hohen Ziele, das Suchen fallen zu lassen. Dies aber tun die meisten Menschen nicht.
Natürlich haben die meisten von uns Vorstellungen davon, wann wir in der Lage sein werden, zur Ruhe zu kommen. Viele von uns stellen sehr differenzierte und bestimmte Bedingungen, die für ihr Gefühl erfüllt sein müssen, bevor sie Frieden haben können. Auch wenn diese Bedingungen erfüllt sind, erlauben wir uns sowieso selten, zur Ruhe zu kommen; gewöhnlich stellen wir nur neue Bedingungen. Fast nie können die Bedingungen erfüllt werden. Aber diese Bedingungen sind im Grunde überflüssig. Da unsere wahre Natur (true nature) Frieden und Liebe und voller Lust ist, warum stellen wir dann Bedingungen dafür?
Wenn wir uns wirklich auf unsere Arbeit hier einlassen, wenn wir uns auf die Übung der inneren Erforschung einlassen, dann sehen wir, daß die Aktivität der Suche eigentlich die Quelle unseres Schmerzes und Leidens ist. Wenn wir das nicht einsehen, sondern weiter glauben, daß das Suchen uns zum Glück bringen wird, dann bekommen wir nur mehr Frustration. Auch wenn ihr etwas bekommt oder erreicht, wovon ihr geglaubt habt, daß es euch glücklich macht, fühlt ihr euch nicht befriedigt, seid nicht erfüllt, weil die Aktivität des Suchens an sich reines Leiden ist.
Verstehen ist eigentlich eine Art Meditation; es ist kein Suchen, kein Herausfinden, kein Versuch, Information außerhalb seiner selbst zu finden. Es ist eine spontane, eine mühelose Einsicht. Zum Einlassen auf den Prozeß des Verstehens gehört nicht, daß man irgendetwas tut. Wenn irgendetwas zu tun ist, dann geht es um Aufmerksamkeit – einfach dafür zu sorgen, daß ihr da seid. Wenn ihr in eurem Sein präsent seid,