sie ihre Praxisstunden reduziert und die gemeinsamen Segelwochenenden einschränkt. Sie hat mehr Zeit für sich und ihr Hobby, das Nähen, gewonnen. Regelmäßig praktiziert sie Selbsthypnose. Im E-Mail-Anhang schickte sie das Foto ihres neu eingerichteten Nähzimmers. Auf einem kleinen Tisch stand ein Schild mit folgendem Spruch: »Es tut mir leid, wenn ich Eure Erwartungen nicht erfüllen kann, aber meine eigenen sind mir wichtiger.«
Nerven-, Hormon- und Immunsystem arbeiten eng zusammen. Noch ist nicht hinreichend geklärt, inwieweit Allergien und Autoimmunerkrankungen durch innere und äußere Stressoren mit ausgelöst werden. Es gibt aber Indizien, dass es einen Zusammenhang mit dem »Herunterschlucken« eigener Bedürfnisse und Erkrankungen wie beispielsweise dem Reizdarmsyndrom gibt.
Ungesunder Dauerstress
Während der Wechseljahre wird der Organismus stressanfälliger. Stress wirkt sich auf Körper und Psyche aus, doch nicht jeder Stress ist ungesund. Solange wir ausgeglichen sind und das Leben es gut mit uns meint, kommt jeder von uns mit gelegentlichem Stress gut zurecht. Erst wenn ständige Anspannung zum Dauerzustand ausartet, reden wir von giftigem Stress.
Stress und seine Auswirkung
Wie aber entsteht Stress und wann wird er zu einem Problem? Des Rätsels Lösung liegt wie so oft in der Evolution. Im Prinzip reagiert der moderne Mensch wie seine Urahnen auf Stressreize: mit Angriff oder Flucht. Für den Frühmenschen war es die Grundlage zum Überleben, wenn er, beispielsweise durch den sprichwörtlichen Säbelzahntiger, bedroht wurde. Dieses Notfallsystem dient – ähnlich wie unser Immunsystem – der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben. Es ist tief im Stammhirn gespeichert und entzieht sich der bewussten Beeinflussung.
Meldet das Gehirn nun Alarm, wenn wir uns angegriffen fühlen, gereizt oder angespannt sind, springt wie auf Knopfdruck das alte Überlebensprogramm an, in Bruchteilen von Sekunden überflutet ein Cocktail an Stresshormonen den Körper. Adrenalin und Cortisol aktivieren alle physischen Energien mit einem Ziel: Bedrohungen mit Kraft und Schnelligkeit zu meistern. Sobald die Gefahr gebannt ist, reagiert der Körper wie schon in Urzeiten mit Entspannung. Die Flut der Stresshormone wird gedrosselt, der Mensch darf sich wieder sicher fühlen und wird mit Wohlfühlhormonen belohnt. Er ruht sich aus und regeneriert sich. Ganz anders sieht das aus, wenn Sie permanenten Belastungen ausgesetzt sind. Ihr Körper kann an sich nützliche Stresshormone nicht mehr abbauen, die nun wie Giftstoffe wirken. Sie fühlen sich erschöpft und weniger belastbar. Psychische und körperliche Probleme entwickeln sich.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet chronischen Stress als die größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts. In den Industrienationen ist Stress zu einer Art Volkskrankheit geworden, die sich durch alle Alters- und Berufsschichten zieht. Belegt wird das durch verschiedene Gesundheitsreports, die vor der Zunahme psychischer und körperlicher Erkrankungen, wie zum Beispiel Burn-out und Bluthochdruck, warnen. Der Stressvorbeugung kommt deshalb eine immer größere gesellschaftliche und betriebliche Bedeutung zu.
Einige der Stresssymptome werden Sie vielleicht kennen:
Anspannung und Unruhe
Herz- und Kreislaufsymptome
Vergesslichkeit und Konzentrationsprobleme
Stimmungstiefs
Kopfschmerzen
Gereiztheit
Rückenschmerzen
Erschöpfung und Müdigkeit
Schlaflosigkeit
Heißhunger oder Appetitlosigkeit
Antriebslosigkeit
innere Leere
Grübeleien
Stress im Alltag und Beruf
Obwohl wir wissen, dass Dauerstress ungesund ist, fällt es den meisten von uns schwer, Stressoren zu erkennen und abzubauen. Unsere Lebensbedingungen haben sich rasant verändert. Nicht nur unsere Umwelt leidet, auch der moderne Mensch ist im Alltag vielfältigen Reizen ausgesetzt, denen er sich nicht entziehen kann. Früher wäre es zum Beispiel unvorstellbar gewesen, dass Frauen nicht nur als Mütter, sondern auch im Beruf ihr Bestes geben. Der Alltag wird zu einem echten Kraftakt. Die Beschleunigung des Lebenstempos, die Arbeitsverdichtung, ständige Erreichbarkeit und die zunehmende Informationsflut durch allgegenwärtige Medien, Multitasking und die wachsende Komplexität in vielen Bereichen bringen immer mehr Hetze und Unruhe in den Tagesablauf. Seltene Erholungspausen, Fast Food und Bewegungsmangel tun ihr Übriges, sodass wir buchstäblich auf unserem Stress sitzen bleiben .
Der Ratschlag, stressigen Situationen konsequent aus dem Weg zu gehen, ist für die meisten von uns im realen Leben kaum durchführbar. Schließlich gibt es kein Leben ohne Stress und ohne Stress kein Leben. Sinnvoller ist es, ihm richtig zu begegnen. Mit Entschleunigung und Bewegung setzen Sie dem Stress aktiv etwas entgegen.
Stressfaktor Sorgen und Zukunftsängste
Zukunfts- oder Verlustängste mischen sich in den mittleren Jahren mit existenziellen Sorgen. Familiäre, soziale und materielle Not sind ein ernstes Gesundheitsrisiko. Frauen, die nur ein geringes Einkommen haben oder in Armut leben, haben eine im Schnitt acht Jahre kürzere Lebenserwartung als diejenigen mit finanziellen Freiheiten.
Sozial benachteiligte und bildungsferne Gruppen sind am stärksten von chronischen Krankheiten betroffen. Deshalb sind Politik und Gesellschaft dringend gefordert, soziale und geschlechtsbedingte Ungerechtigkeiten auszugleichen. Fachleute predigen schon seit Jahren, wie wichtig soziale Unterstützung, Förderung und Gesundheitskompetenz für ärmere Frauen und Kinder seien. Dasselbe gilt natürlich auch für Männer.
Dennoch sind Sorgen kein Schicksal, dem Sie hilflos ausgeliefert sind. Den entscheidenden Teil der Stressreaktion steuert Ihr Gehirn. Es reagiert wie das des Steinzeitmenschen auf den Säbelzahntiger mit Katastrophenalarm, obwohl es oft nur die eigenen Gedanken sind, die Ihnen auch noch den letzten Nerv rauben. Wenn Ihnen der Kopf raucht, halten Sie eine Atempause inne und fragen Sie sich: »Was denke ich im Moment? Trifft tatsächlich alles ein, was ich mir gerade ausmale, oder könnte es auch anders sein?« Sie sind mehr als das, was Sie gerade denken. Gedanken ändern sich je nach Stimmung oder Wahrnehmung. Das Gleiche funktioniert auch umgekehrt. Wenn Sie das verstehen, kommen Sie nicht daran vorbei, unnütze Denk- und Verhaltensmuster zu prüfen und zu verändern. Damit ist nicht gemeint, dass Sie lächelnd über alles hinwegsehen sollen, sondern vielmehr, dass Sie beispielsweise mithilfe des Achtsamkeits- oder Gelassenheitstrainings lernen können, mit Spannungen und Belastungen besser fertigzuwerden.
Stressfaktor Doppelbelastung
Bei näherer Nachfrage stellt sich oft heraus, dass Überforderung, Erschöpfung, Frustration und Gereiztheit eng mit dem Spagat zwischen Familie und Beruf verknüpft sind. In der mittleren Generation tragen Frauen die Hauptlast von Hausarbeit, Erziehungsarbeit und Unterstützung der eigenen Eltern. Ihr Engagement wird zwar dringend gebraucht, aber wenig honoriert. Ihre unbezahlte Familien- und Pflegetätigkeit ist ein weiterer Grund, warum sie beim Älterwerden ins Hintertreffen geraten. Häusliche Pflege ist mit vielen Belastungen verbunden, die sich beträchtlich auf die Gesundheit auswirken:
Psychische und körperliche Überforderung: Schuldgefühle, Ängste, Sorgen, Schlafmangel, Einsatz rund um die Uhr
Soziale Belastungen: Familien- und Paarkonflikte, veränderte Lebensplanung, geringe Anerkennung, Ärger mit Behörden und Bürokratie, Isolation
Finanzielle Belastung: hoher Aufwand zum Beispiel für Pflegemittel oder den Umbau der Wohnung, geringeres Einkommen, wenn die Berufstätigkeit