eine systematischere Untersuchung des Meeresbodens ermöglichten, wurde entdeckt, dass sich die Kontinente tatsächlich bewegt hatten und von einem riesigen Ur-Kontinent weggedriftet waren. Aber die Kontinente waren nicht, wie Wegener dachte, unabhängige Einheiten, die auf einem Basaltmeer drifteten wie Eisberge im Wasser. Es stellte sich nämlich heraus, dass sich die Oberfläche des Globus aus rund zwanzig Krustensegmenten oder Platten zusammensetzt. Die Kontinente waren nur jene Teile der Platten, die hoch genug waren, aus dem Meer herauszuragen.
Diese Platten bekamen von den Neuen Geologen ihre Namen. Es gab fortan die Afrikanische Platte, die Cocosplatte, die Nordamerikanische Platte, die Antarktische Platte, die Juan-de-Fuca-Platte, die Australische Platte, die Arabische Platte und die unzerbrechlich wirkenden China-Platten. Diese Platten bewegen sich miteinander, indem sie von Konvektionsströmen oder von Zellen im halbflüssigen Mantel der Erde angetrieben und von ihrem Eigengewicht geschoben werden. Wo ihre Kanten unter dem Meer aufeinandertreffen, bildet sich entweder ein mittelozeanischer Rücken oder eine Subduktionszone. Beim mittelozeanischen Rücken werden die Kanten der beiden Platten durch ständige Aktivität im Mantel auseinandergeschoben. Magma steigt in diesem neu gebildeten Graben auf, kühlt ab und bildet Meeresbodenbasalt. Die mittelozeanischen Rücken sind höher als der sie umgebende Meeresboden, vergleichbar in etwa mit der Naht auf einem Kricketball. Im Gegensatz dazu bildet sich eine Subduktionszone, wenn die Kanten zweier Platten aufeinandertreffen und die weniger elastische Platte unter die andere geschoben wird. Dort wird das Gestein der untergeschobenen Platte in den Erdmantel hineingedrückt, wo es schmilzt, in flüssiger Form blubbernd aufsteigt und extrem heiße Risse in der Kruste verursacht. Diese Subduktionszonen bilden die ozeanischen Gräben: den Aleutengraben, den Javagraben, den Marianengraben. Am Grunde dieser Gräben – der Marianengraben ist tiefer als der Mount Everest hoch ist – herrscht ein so gewaltiger atmosphärischer Druck, dass ein menschlicher Körper dort sofort auf die Größe einer Dose komprimiert werden würde.
Alfred Wegeners Grab, Grönland
Die meisten Gebirgsmassive der Welt entstanden durch Berührungen und Kollisionen der Kontinentalplatten. Die Alpen wurden beispielsweise dadurch hochgeschoben, dass die Adriatische Platte, auf der Italien sitzt, in die Eurasische Platte geschoben wurde. Die ältesten Berge sind jetzt diejenigen, die am niedrigsten sind, da die Erosion Zeit gehabt hat, sie zu verkleinern. Der stumpfe, abgerubbelte Rücken des Urals spricht beispielsweise für ein hohes Alter, genauso wie die runden Formen der Cairngorms in Schottland. Vielleicht ist es eine Überraschung, dass das Himalaja-Gebirge zu den jüngsten gehört. Es bildete sich erst vor 65 Millionen von Jahren, als die Indische Platte nordwärts zog und langsam an die Eurasische Platte stieß, sich darunter schob und sie dann 8800 Meter in die Höhe drückte. Ein Jüngling verglichen mit den altehrwürdigen Massiven ist der Himalaja mit scharfen, punktartigen Kämmen anstatt der kahlen und abgetragenen Glatzen der älteren Gebirge. Und wie ein Jüngling wächst er noch. Der Everest, der erst vor etwa 200 000 Jahren zum höchsten Berg der Welt wurde, schießt um etwa 5 frühreife Millimeter pro Jahr in die Höhe. In einer Million Jahren, was in geologischen Begriffen einem Lidschlag gleichkommt, könnte der Berg seine Höhe also fast verdoppelt haben. Das wird natürlich nicht geschehen, da die Schwerkraft ein solches Gebilde nicht tolerieren würde. Irgendetwas muss nachgeben: Entweder würde der Berg unter seinem Eigengewicht zusammenbrechen oder in einem der gewaltigen Erdbeben zerbersten, die alle paar Jahrhunderte im Himalaja wüten.
Viele Jahre bin ich nun schon in die Berge gegangen und habe mich über die Tiefe der Zeit gewundert. Als ich an einem sonnigen Tag einmal den glimmerreichen Ben Lawers in Schottland bestieg, fand ich auf halbem Weg ein flaches, viereckiges Stück Sedimentgestein, dessen Rückseite von Moos und Gras überwuchert war. Als ich zurücktrat und den Block von der Seite betrachtete, konnte ich sehen, dass er aus zahllosen dünnen Schichten aus grauem Fels bestand, von denen keine dicker war als ein Blatt. Ich berechnete, dass jede Schicht 10 000 Jahren entsprach. Hier waren also hundert Jahrhunderte in 3 Millimeter dickem Gestein komprimiert worden.
Zwischen zwei dieser grauen Schichten entdeckte ich eine zarte silberne. Ich hackte mit der Schaufel meines Wanderpickels in den Stein und versuchte die Schichten auseinander zu stemmen. Der Block brach auf, und es gelang mir, meine Finger unter die schwere Deckelschicht zu schieben. Ich hob sie an, und da glänzte zwischen zwei grauen Schichten eine etwa 1 Quadratmeter große Schicht silbernen Glimmers in der Sonne – wahrscheinlich das erste Sonnenlicht, das seit Millionen von Jahren darauf fiel. Es war wie das Öffnen einer Schatzkiste, die bis zum Rand mit Silber gefüllt ist oder wie das Öffnen eines Buches, in dem man einen Spiegel findet, oder wie das Öffnen einer Falltüre, um darunter einen Abgrund der Zeit zu entdecken, der so schwindelerregend tief ist, dass man Kopf voraus hätte hineinfallen können.
*Wie der britische Journalist und Autor Simon Winchester vor Kurzem feststellte, glauben laut einer Umfrage von 1991 noch immer rund 100 Millionen Amerikaner daran, dass Gott irgendwann in den letzten 10 000 Jahren den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen hat. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Erde etwa 5 Milliarden Jahre alt ist und dass die ersten Menschen vor rund 2 Millionen Jahren in Erscheinung getreten sind.
**Die Geologie blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein eine treibende Kraft beim Bergsteigen – die ersten drei Everest-Expeditionen von 1921, 1922 und 1924 wurden zum Teil als wissenschaftliche Expeditionen finanziert und zielten darauf ab, geologische und botanische Studienergebnisse aus der Everest-Region zurückzubringen.
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